Relevanzverlust, Geldmangel, ausbleibende Kursteilnehmer, fehlende Dozenten: Vielen Bildungseinrichtungen im Land geht es schlecht. In Korntal-Münchingen und Leonberg dagegen herrscht sogar Optimismus.

Cornelie Class-Hähnel blickt optimistisch in die Zukunft. Die Zahlen zeigen der Leiterin der Volkshochschule in Korntal-Münchingen, dass sich diese zunehmend erholt. Zwar habe sie wegen Corona Teilnehmende verloren, die im Jahr 2019 noch in Kursen eingeschrieben waren. „Wir sehen aber einen deutlichen Aufwärtstrend.“ Zum Niveau im „besonders guten Jahr 2019“ fehlten gut fünf Prozent – die Jahre 2020 und 2021 waren pandemiebedingt „miserabel“, würden als Vergleichsgröße nicht taugen.

 

Von Januar bis April gab es 2470 Anmeldungen, in 2019 waren es zeitgleich 2560, die Einnahmen durch Gebühren betrugen 105 000 Euro, (2019: 110 000). Die Zahl der Teilnehmenden lag im Jahr 2019 bei 6200, in diesem Jahr bis heute bei 3900. Bei den Kursen geht Cornelie Class-Hähnel davon aus, dass bis Ende Juli wohl etwa so viele angeboten werden können, wie im Jahr 2019 mit 366 Veranstaltungen im ersten Semester. „Wir planen laufend nach.“ Tatsächlich benötige die VHS noch Zeit, und dieses Jahr werde der Haushalt „leider noch nicht“ ausgeglichen sein. „Mit unserem Angebot, das vom Baby bis zum älteren Menschen alle Altersgruppen anspricht, werden wir wieder Teilnehmende gewinnen.“

Gedrucktes Programm wird längst ergänzt

Andere Experten, wie Vertreter von VHS-Verbänden und Bildungsforscher, sorgen sich indes zusehends um die Einrichtungen. Sie bangen um ihre Existenz angesichts rückläufiger Zahlen an Teilnehmern und Dozenten, deren Bezahlung besser sein könnte. Es würden Geld und Konzepte fehlen, neue Ideen. Der Städtetag Baden-Württemberg will die Einrichtungen so retten: Sie sollen das Betreuungspersonal ausbilden und weiterqualifizieren, das vom Schuljahr 2026/2027 an für die verpflichtende Ganztagsbetreuung in Grundschulen nötig wird. Über den Vorschlag berät das Kultusministerium. Cornelie Class-Hähnel schüttelt den Kopf. „Wir helfen sehr gern, Überlegungen laufen auch bereits“, betont sie – bezweifelt aber, dass dies die Bildungseinrichtungen rettet. Unklar sei die Finanzierung, klamm seien die Kassen der Kommunen. „Da geht kein Geld in großem Stil über den Tisch.“

Die VHS-Leiterin ist keineswegs blauäugig mit ihrem Optimismus, wenn sie sagt, „ihre“ Einrichtung sei gut eingeführt und aufgestellt. Denn sie sieht auch Handlungsbedarf. „Wir müssen noch flüssiger bei der Planung und flexibler werden“, sagt sie. Zum gedruckten Programm zwei Mal im Jahr plane man seit langem unterjährig laufend Veranstaltungen, die mit verschiedenen (Online-)Marketingmethoden beworben würden. „Die Semester gehen immer mehr ineinander über, sodass es das ganze Jahr über Neues gibt.“ Neue Themen würden aktuell aufgegriffen, wie kürzlich das Thema ChatGPT. Mehr als ein Drittel der Workshop-Teilnehmenden sei zwischen 20 und 30 gewesen. Immerhin, weil: „Jüngere zu gewinnen, war schon immer schwer.“

Initiative ergreifen, Angebote zu den Leuten tragen

Auch digitale Medien würden zunehmend in die Kurse integriert. „Unterricht verändert sich“, sagt Cornelie Class-Hähnel, ebenso wie Bildung sich stets entwickeln würde. „Wir müssen noch mehr überlegen, wie wir mehr bedarfsangepasste Angebote machen“, sagt die VHS-Leiterin. Die Frage sei, was die Leute brauchen, wollen, um im Alltag, Beruf, in der Freizeit kompetent zu sein. Hier nehme man Anregungen der Teilnehmenden an sowie der Lehrenden – rund 100 an der Zahl und recht stabil. Überhaupt seien die Kursleitenden ein Pool mit viel Potenzial, „den ich künftig noch besser nutzen will“, sagt Cornelie Class-Hähnel. Die auch davon spricht, dass man heutzutage die Initiative ergreifen, die Informationen, die Angebote zu den Leuten tragen müsse. „Die holen sich das nicht.“ Sich sichtbar zu machen, koste Zeit und Mühe, doch lohne sich.

Zugleich ist die VHS in der komfortablen Lage, weiter von ihren Rücklagen zehren zu können. Die Höhe bleibt intern, jedoch „geben sie uns in diesen wirklich noch schwierigen Zeiten die Möglichkeit, konkrete Schritte umzusetzen, neue Räume zu schaffen und die VHS weiterzuentwickeln“, sagt die Leiterin. Hinzu kommen Finanzspritzen lokaler Akteure wie der Walter-Somnier-Stiftung. Das erlaubt der VHS zu experimentieren, sich an der Demenzwoche zu beteiligen, für ukrainische Flüchtlinge ein Programm zu organisieren. „Wir haben gute Ideen“, meint Cornelie Class-Hähnel.

„Wichtige Säule des Zusammenlebens“

Ihr zur Seite springt Uwe Painke. „Die VHS Leonberg befindet sich nicht in einer Krise“, sagt der Leiter. Zwar habe sie während der Pandemie mit einem starken Teilnehmerrückgang zu kämpfen gehabt, „allerdings haben sich die Zahlen im Jahr 2022 mehr als stabilisiert“. Die Auswertung des vergangenen Jahres ergab: Die VHS hat rund 60 Prozent mehr Unterrichtseinheiten als 2021 angeboten – Tendenz steigend. „Daher blicke ich auch weiter positiv in die Zukunft“, sagt Uwe Painke. Für ihn sind Volkshochschulen nicht wegzudenken. „Sie leisten grundsätzlich mit ihrem breit gefächerten Programmangebot und insbesondere mit ihren Integrationskursen einen wesentlichen Beitrag für die Gesellschaft.“ Gerade in einer Zeit des Wandels und großer gesellschaftlicher Herausforderungen seien sie eine wichtige Säule des Zusammenlebens.

Mit Blick auf die Kursleitungen seien noch am ehesten die Nachwirkungen der Pandemie zu spüren. „Einige Dozenten, die schon über viele Jahre Kurse anboten, haben die VHS verlassen und sind in manchen Fällen nur schwer zu ersetzen.“ Nichtsdestotrotz könne die VHS alle Bereiche mit genug Dozenten abdecken. Painke: „Das liegt vor allem am großartigen Einsatz der vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Fachbereichsleiter der VHS, die mit viel Geschick und Organisationsvermögen neue Teilnehmer und Dozenten anlocken.“