Fast die Hälfte der Schüler an der Stuttgarter Rosensteinschule sind Flüchtlingskinder. Die Stadt will Flüchtlingskinder nun auf mehr Schulen verteilen – vor allem auf Realschulen.

Stuttgart - Knapp 1000 Kinder, die mit ihren Eltern aus Krisengebieten nach Deutschland geflüchtet sind, lernen zurzeit in einer Internationalen Vorbereitungsklasse(VK) die deutsche Sprache. 118 solcher Klassen hat die Schulverwaltung im Herbst in Stuttgart eingerichtet, rund 40 mehr als noch im Schuljahr zuvor. Die Standortsuche für solche Klassen an weiterführenden Schulen wird allerdings problematisch.

 

Seit Herbst sind die neuen Klassen an einem Gymnasium, einer Gemeinschaftsschule und drei Realschulen eingerichtet, alle anderen fanden dort ihren Platz, wo vorher schon VK-Klassen waren: an den Werkrealschulen (WRS). Dort liegt der Anteil der Zugewanderten und der Kinder mit Fluchterfahrung bald bei 50 Prozent.

Die Rosensteinschule im Norden ist eine von zwei Stuttgarter Grund- und Werkrealschulen, die sechs und damit die höchste Zahl an VK-Klassen haben. „Alle Flüchtlingskinder und Zugewanderte zusammengenommen, also auch die in Regelklassen integrierten Schüler, sind das etwa 250 Kinder bei 560 Schülern insgesamt“, sagt Rektorin Ingrid Macher. Sie beobachtet, dass das bisher angenommene eine Jahr in der Vorbereitungsklasse nicht ausreicht.

Preisgekrönt für die Konzepte

Der Deutsche Philologenverband hat den Erfolg von Integration kürzlich in Frage gestellt: Beim Übergang in die Regelklassen seien „massive Probleme und Defizite zu verzeichnen“, beklagte Verbandschef Heinz-Peter Meidinger auf der Bildungsmesse Didacta in Stuttgart. Das hat Folgen: „Die Regelklassen leiden, wenn Kinder kommen, die nichts oder zu wenig können“, sagt Ingrid Macher.

Beim Kultusministerium gibt es bisher keine Daten zu den Lernerfolgen der Flüchtlingskinder. Allerdings stellt eine Sprecherin in Aussicht, dass „in Kürze“ die Schulen befragt werden sollen, wie viele ihrer Schüler aus Vorbereitungsklassen im Herbst in einer Regelklasse eingeschult werden können. Darüber hinaus prüfe man künftig die „Potenzialentwicklung“ der Schüler.

Die Rosensteinschule ist gut vorbereitet auf Kinder, deren Muttersprache nicht die deutsche ist. 97 Prozent der Schüler haben einen Migrationshintergrund. Dafür hatte die Schule viele Konzepte neu entwickelt, außerschulische Angebote integriert und viel Erfahrung mit der Elternarbeit. Dafür ist sie mit vielen Preisen ausgezeichnet worden. Mit den Resultaten war Ingrid Macher bisher zufrieden. „Wir haben im vergangenen Schuljahr die ersten Schüler aus den Vorbereitungsklassen zur Prüfung zur Mittleren Reife angemeldet. Der Großteil hat bestanden.“ Inzwischen müssen sich Lehrer und Mitarbeiter allerdings wieder verstärkt um das Sozialgefüge kümmern.

In jeder Pause blutige Nasen

Ingrid Macher will das nicht als Beschwerde verstanden wissen, sie sagt: „Wir schaffen das“. Aber sie weist darauf hin, dass die kulturellen Unterschiede inzwischen immens seien, die große Zahl der Flüchtlingskinder erschwere die Arbeit. „Wir haben bald in jeder Pause weinende, blutende Schüler zu versorgen“, sagt Ingrid Macher, „die kommen aus einer Kultur, in der sie Schläge als einzige Art der Kommunikation kennengelernt haben.“

Man müsse in diesen Fällen auf die Vorbildwirkung setzen, „ich bestelle aber auch die Eltern ein und erkläre ihnen, wie wir Erziehung verstehen und dass das funktioniert.“ Bei Familien, die Schule nicht als Pflicht, sondern als Angebot verstehen, schreckt sie nicht davor zurück, ständige Fehltage beim Amt für öffentliche Ordnung anzuzeigen. Nach Auskunft des Amts liegt die Zahl der Ordnungswidrigkeitsverfahren – mit einem Ausreißer nach unten – in den letzten vier Jahren bei durchschnittlich 665.

Bei der Stadtverwaltung sind Probleme, wie von der Rektorin geschildert, noch nicht geballt gemeldet worden. Karin Korn, die Chefin des Schulverwaltungsamts, bestätigt aber den Trend zur Konzentration von Flüchtlingskindern auf Brennpunktschulen. Weil die Werkrealschulen Auslaufmodellesind und teils nur noch die Klassen 9 und 10 bestehen, seien dort zudem immer weniger Lehrer im Einsatz. „Wir müssen die Kinder künftig auf mehr Schularten verteilen“, sagt sie.

Bis zur Sommerpause wolle man einen Stufenplan vorlegen. „Bei einer Verteilung von jährlich rund 200 Schülern aus Grundschulvorbereitungsklassen auf die fünften Klassen von drei Schularten ist das nicht problematisch.“

Konzept der kurzen Wege auf dem Prüfstand

Eine Umverteilung von Schülern schließt auch Matthias Kaiser vom Staatlichen Schulamt nicht aus. „Wenn eine Schulleitung klagt, reagieren wir“, sagt er. Bisher seien die Kinder aus den Asylunterkünften in den Schulen der Nachbarschaft eingeschult worden, „wegen der kurzen Wege“, und am liebsten dort, wo es entsprechende Konzepte für die Integration der Kinder gebe. Wenn die Zahlen aus dem Frühjahr 2017 erhoben seien, müsse man sehen, ob man fortan bei diesen Zuteilungskriterien bleiben könne.