Die Grünen schlagen vor, die Schulen über die Länge der Schulpflicht am Nachmittag entscheiden zu lassen. Ob die Initiative mehrheitsfähig ist, wird sich zeigen.

Stuttgart - Es könnte sein, dass Familien von Grundschulkindern in Stuttgart bald noch mehr Wahlmöglichkeiten bei der Dauer des Schultags erhalten. Denn die Einigung von Landesregierung und kommunalen Landesverbänden über die Eckpunkte der Ganztagsschule ermöglicht es auch der Landeshauptstadt, bei ihrem Konzept nachzusteuern. „Wir möchten mehr Flexibilität reinbringen“, sagt Vittorio Lazaridis von der Ratsfraktion der Grünen – und zwar beim verbindlichen Ganztag. Ein Konzept dafür will Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann am 25. Februar im Schulbeirat präsentieren und am 12. März im Verwaltungsausschuss zur Abstimmung stellen. Die SPD-Fraktion hat beantragt, die bisherigen Rahmenbedingungen so zu belassen.

 

Die Grünen im Gemeinderat fordern hingegen, den neuen Spielraum zu nutzen und das derzeitige Stuttgarter Modell durch ein zweites zu ergänzen, das den verpflichtenden Schulbesuch auf 15 Uhr begrenzt. Bislang müssen Ganztagsgrundschüler bis 16 Uhr in der Schule sein. Das sehen manche Eltern skeptisch. Deshalb soll nach den Vorstellungen der Grünen „jede Schule selber entscheiden, wie lang am Nachmittag die Schulpflicht dauern soll“, so Lazaridis.

Die Eltern sollen mitbestimmen dürfen

Diese Möglichkeit soll bei der anstehenden Novellierung des Schulgesetzes festgeschrieben werden. Das bedeutet, dass künftig die Schulkonferenz jeder Schule darüber entscheidet und Eltern darüber mitbestimmen dürfen. Auch bei einer Verkürzung des verbindlichen Ganztags auf 15 Uhr solle aber eine (kostenpflichtige) Betreuung bis 17 Uhr möglich sein, fordern die Grünen. Ansonsten solle am derzeitigen Konzept „so wenig wie möglich geändert werden“, sagt Lazaridis.

Für eine Flexibilisierung, wie sie die Grünen vorschlagen, hatten sich auch OB Fritz Kuhn (Grüne) und Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) beim Land starkgemacht. Eisenmann sagt: „Dass die Flexibilisierung kommt, begrüßen wir sehr. Wir werden den gebundenen Ganztag bis 15 oder 16 Uhr vorschlagen.“

Das Land will mehr Lehrerstunden bewilligen

Erfreulich sei auch, dass das Land dafür mehr Lehrerstunden bewilligen werde: Beim achtstündigen Ganztag (8 bis 16 Uhr) sind es zwölf statt bisher acht Wochenstunden zusätzlich. Selbst wenn der verbindliche Ganztag bereits um 15 Uhr ende, „würde das die Kommune entlasten“, sagt Eisenmann. Denn das Land gewähre weiterhin acht Lehrerstunden, so könne die Stadt eine Stunde Freizeitpädagogik sparen. Die Sache werde allerdings dadurch kompensiert, dass das Land im Gegenzug seine Förderung für die sonstige Betreuung am Nachmittag einstelle: „Damit spart das Land allein in Stuttgart gut vier Millionen Euro bei der Nachmittagsbetreuung ein“, sagt Eisenmann.

Ernsthafte Sorgen bereite ihr jedoch, dass das Land die Umgestaltung von Grundschulen zu Ganztagsschulen von der Haushaltslage abhängig mache, ergänzt die Kulturbürgermeisterin. Im Klartext bedeute dies, wer zuerst komme, mahle zuerst. Ein solches Windhundverfahren würde allerdings Stuttgarts Beschluss torpedieren, die Schulkindbetreuung neu zu organisieren und von den Horten komplett in die Schulen zu verlagern. Bis 2020, so der Plan, sollen alle Stuttgarter Grundschulen, die das wollen, in Ganztagsschulen umgewandelt werden. „Wir werden jährlich acht Grundschulen als gebundene oder teilgebundene Ganztagsschulen anmelden und erwarten, dass die auch genehmigt werden“, sagt Eisenmann. „Eine Quotierung können wir nicht akzeptieren.“

Derzeit bietet von den 72 städtischen Grundschulen genau die Hälfte einen qualifizierten Ganztag: 19 als Ganztagsschulen und 17 Schulen mit Schülerhäusern als Vorstufe dazu. Wie es nun weitergehen soll? „Darauf“, sagt die Schulbürgermeisterin, „müssen wir dringend Antworten haben.“