Nach dem Dialog im baden-württembergischen Kultusministerium bleiben die meisten Teilnehmer skeptisch. Die Gymnasiallehrer sind sogar richtig verärgert.

Stuttgart - Ein Krisengipfel war es nicht, das beteuerte die Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) mehrfach. Eher schon eine Goodwillveranstaltung, wie einige Teilnehmer sagten. Dabei reichten die Bewertungen von konstruktiv bis glücklos. Die einen verließen das bildungspolitische Gespräch im Kultusministerium am Freitag skeptisch, andere waren nach eigenem Bekunden schockiert. Vertreter von 17 verschiedene Gruppierungen haben sich am Freitag mit der Kultusministerin zum Austausch über den Bildungshaushalt getroffen. Die Positionen haben sich dabei nicht angenähert.

 

Die Stimmung gegenüber dem Kultusministerium ist durchaus vielschichtig. Die konservativen Lehrerverbände und natürlich die oppositionelle CDU lehnen viele der bildungspolitischen Reformen der grün-roten Landesregierung rundweg ab. Andere, wie beispielsweise die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), sind mit den Zielen einverstanden, haben aber an der Umsetzung allerhand auszusetzen.

Entsprechend breit gefächert sind die Reaktionen. Gar nicht zufrieden ist Bernd Saur, der Vorsitzende des Philologenverbands, mit der Auskunft, die ihm die Ministerin gegeben hat. Ein Abbau der von den Lehrern bereits geleisteten Überstunden sei im kommenden Jahr nicht vorgesehen, habe Warminski-Leitheußer auf seine Frage erklärt, empört sich Saur. "Die Gymnasiallehrer bringen am meisten ein und kriegen nichts."

Unterrichtsversorgung - das A und O der Bildungspolitik

Warminski-Leitheußer hatte über die Details des Haushalts informiert, der jetzt beraten wird. Sie hob hervor, dass die prognostizierten 3300 Lehrerstellen, die wegen des Schülerrückgangs frei werden, im Bildungssystem bleiben sollen. So seien erste entscheidende Schritte für den Bildungsaufbruch möglich. Die Krankheitsreserve soll um 200 Stellen aufgestockt werden, das strukturelle Defizit an Sonderschulen und beruflichen Schulen verringert und die Gemeinschaftsschule soll eingeführt werden, ohne die anderen Schularten zu benachteiligen.

"Die Unterrichtsversorgung ist für uns das A und O der Bildungspolitik, sie muss für alle Schulen besser werden", sagte Warminski-Leitheußer. Sie warnte jedoch die einzelnen Schularten davor, sich gegenseitig die Lehrerstellen streitig zu machen. Sie erwartet jetzt Vorschläge der Verbände und bilanzierte das erste Gespräch: "Wir haben von diesem konstruktiven Dialog sehr profitiert." Geladen waren auch CDU und FDP. Die Ministerin ist bestrebt, "die ideologischen Schützengräben in der Bildungspolitik zu überwinden".

Ob das Gespräch dazu beigetragen hat, ist offen. Georg Wacker, der bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, nannte es den "glücklosen Versuch eines Dialogs". Die Themen seien in dem zweistündigen Treffen nur lose angerissen worden. Ein fundierter Austausch sei gar nicht vorgesehen gewesen. Wacker stellte dennoch fest, die Reformziele seien weder umfassend noch abschließend bekannt. Er erneuerte seine Forderung nach einem "Faktencheck". Das Treffen sei dazu ein erster kleiner Schritt gewesen.

Kritik an der Verteilung der Mittel

Nicht zufrieden ist auch Doro Moritz, die Landesvorsitzende der GEW, die inhaltlich von Wacker weit entfernt ist. Sie kritisiert unverändert, wie die Reformen umgesetzt, kommuniziert und ausgestattet werden. "Die Veranstaltung hat nicht dazu beigetragen, die Schwierigkeiten und Probleme auszuräumen", sagte sie. Die GEW zweifelt schon an der Datengrundlage, auf der die Reformen aufgebaut sind. Ob die 3300 Deputate, die dafür verplant sind, auch tatsächlich frei würden, sei offen.

Mit der Verteilung der Mittel ist Bernd Saur vom Philologenverband überhaupt nicht zufrieden. Er rechnet vor, dass seine Kollegen an den Gymnasien inzwischen eine Bugwelle an Überstunden im Gegenwert von 1250 Deputaten vor sich herschieben. Dazu komme, "wenn die Grundschulempfehlung wegfällt, bedeutet das mehr Förderbedarf an den Gymnasien", erklärt Saur und verlangt mehr Lehrer. Nach dem Gespräch erkennt er, "die Gymnasien kriegen gar nichts", stattdessen würden die zukünftigen Gemeinschaftsschulen protegiert.

Auch die Pläne der grün-roten Koalition zum achtjährigen Gymnasium gefallen Saur nicht. Es sei die Rede von der Überarbeitung der Bildungspläne und von weiterer Anpassung der Stoffvermittlung. "Wir können uns keine weiteren Abstriche mehr leisten", warnt der Gymnasiallehrer. Statt 50 Modellversuche zum neunjährigen Gymnasium, wie sie die Regierung im kommenden Jahr plane, hatte er gefordert, G8 und G9 parallel zu führen. Der Gemeindetag, der anders als der Städtetag zu dem Treffen erschienen ist, vermisst bei der geplanten Gemeinschaftsschule vor allem Planungssicherheit. Seine Vertreter wollten wissen, was mittel- und langfristig auf die Kommunen zukomme. Die Frage sei offengeblieben.

Die sogenannte demografische Rendite

Hintergrund In der Diskussion über die Lehrerausstattung ist oft von der demografischen Rendite die Rede. Diese entsteht, wenn Schülerzahlen zurückgehen und die Zahl der Lehrer gleichbleibt. Dadurch ergibt sich Spielraum für Reformvorhaben und den Abbau von Unterrichtsausfall.

Rückgang Nach den Angaben des Statistischen Landesamtes in Stuttgart liegt die Gesamtschülerzahl in diesem Schuljahr noch bei 1,596 Millionen, doch schon im kommenden Jahr werden es 1,543 sein, also 53.000 Schüler weniger. Die Marke von 1,5 Millionen Schülern soll nach der Vorausrechnung der Statistiker im Schuljahr 2014/15 mit 1,488 Millionen Schülern unterschritten werden. 15 Jahre später drücken dann voraussichtlich nur noch 1,253 Millionen Kinder und Jugendliche die Schulbänke an öffentlichen und privaten Schulen in Baden-Württemberg.