Mit einer Feier unter der Paulinenbrücke hat das Sozialunternehmen Neue Arbeit sein Projekt Straßen-Universität-Stuttgart eröffnet. Es gibt gemeinsames Kochen, Bienenwanderungen, Selbstverteidigungs-/ Kampfkunstkurse und Yoga für Menschen, die sonst kaum soziale Teilhabe erfahren.

Wissen und Bildung für alle und mit allen ermöglichen, das will das gemeinnützige diakonische Sozialunternehmen Neue Arbeit mit seiner Straßen-Universität- Stuttgart. „Unsere Vision ist es, Räume zu schaffen, in denen Wissen gemeinschaftlich geschaffen und ausgetauscht werden kann“, sagt Hannah Gröner, die für das neue, von Aktion Mensch geförderte Projekt die Pressearbeit macht.

 

Die Ideen für das Programm stammen aus Befragungen

Die Idee ist, dass Kurse und Angebote dort stattfinden, wo die Menschen ohne Obdach sind. „Dezentral im öffentlichen Raum oder – wenn möglich – in den Sozialräumen prekär lebender Menschen“, so Gröner. „Die Angebote richten sich nach den Bedürfnissen, Wünschen und dem Wissen von Menschen, die sonst weniger präsent in Bildungsangeboten sind.“ Diese seien per Befragungen in Projekten der Neuen Arbeit, in der Vesperkirche, in Wärmestuben und Geflüchtetenheimen entwickelt worden.

Bei der Straßen-Universität stehe die Begegnung zwischen den unterschiedlichsten Menschen und das gemeinsame Tun im Vordergrund. „Es sollen neue Kontakte geknüpft werden, umso besser, wenn Teilnehmende noch etwas Neues lernen.“

100 Besucher bei Auftaktveranstaltung

Auf dem Programm stehen etwa gemeinsames Kochen in der Stadtmission der Evangelischen Gesellschaft, Bienenwanderungen, Selbstverteidigungs-/ Kampfkunstkurse, Stadtspaziergänge wie „Geschichten rund um St. Maria“, Yoga für alle im Bürgerhaus Rot. Aber auch eine Führung durch die Sonderausstellung „Liebe. Was uns bewegt“ im Haus der Geschichte ist geplant und Workshops wie „Ideen gegen die Armut. Zusammen Lösungen finden“ bei der Neuen Arbeit in Zuffenhausen.

Zur Eröffnungsfeier des Wintersemesters 2022 am Donnerstag unter der Paulinenbrücke kamen rund 100 Menschen, um sich – bei Essen aus geretteten Lebensmitteln und Musik – auszutauschen.

Unter anderem mit Professor Gerhard Trabert, der in Mainz mit seiner rollenden Arztpraxis „Arztmobil“ Wohnungslosen auf der Straße aufsucht, um ärztliche, pflegerische sowie sozialarbeiterische Hilfe zu leisten. Der Obdachlosenarzt sprach über Armut und Gesundheit, ein Thema für das er im Februar als Kandidat für die Linkspartein für das Amt des Bundespräsidenten kandidiert hatte. „Menschen in Armut sterben früher. Frauen 4,4 Jahre, Männer 8,6 Jahre.“

Niederschwellige Angebote sind gefragt

Das Problem müsse auf insgesamt drei Ebenen angegangen werden: mit Sprache, niedrigschwelligen Angeboten und anderen strukturellen Rahmenbedingungen. Menschen seien nicht sozial schwach, das sei diffamierend. „Sie sind einkommensschwach oder sozial benachteiligt.“ Auch seien sie nicht bildungsfern, sondern in dem ungerechten System sei die Bildung fern von ihnen. „Die Straßen-Universität ist da ein vorbildliches Angebot.“

„Es braucht Gleichwertigkeit und Gleichwürdigkeit“, sagte Trabert. Letzteren Begriff gebe es im Deutschen nicht, geprägt habe ihn der dänische Familientherapeut Jesper Juul, so Trabert. „Das meint, anderen Menschen mit Würde und Respekt auf Augenhöhe begegnen.“