Die Zahlen sprechen für sich: Die neue Schulart ist entgegen allen Befürchtungen doch nicht nur ein Auffangbecken für Hauptschüler.

Stuttgart - Der neue Kultusminister Andreas Stoch (SPD) sieht die Zweifel an den neuen Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg ausgeräumt: 40 Prozent der Schüler auf diesen neuen Schulen hätten auch eine Realschule oder ein Gymnasium besuchen können. Die Übergangszahlen des Statistischen Landesamts belegen: zwölf Prozent der rund 2000 Gemeinschaftsschüler hatten eine Empfehlung für das Gymnasium, für 28 Prozent sahen die Lehrer die Realschule als die richtige Schulart an. 60 Prozent der Schüler hatten die Grundschullehrer die Werkrealschule empfohlen. Zum ersten Mal konnten die Eltern die weiterführende Schule für ihre Viertklässler frei wählen. Die Grundschulempfehlung ist seit diesem Schuljahr in Baden-Württemberg nicht mehr verbindlich.

 

Die Zahlen stoßen auf unterschiedliche Resonanz. Stoch folgert daraus, dass die Gemeinschaftsschule auch für Schüler mit Realschul- oder Gymnasialempfehlung attraktiv sei und dass in den Gemeinschaftsschulen „großes Potenzial“ stecke.

Die Euphorie sei gedämpft

Zurückhaltend reagiert das Handwerk. Wenn erst zwölf Prozent der Schüler eine Gymnasialempfehlung hätten, könne von Erfolg noch keine Rede sein, kommentierte der Landeshandwerkspräsident Joachim Möhrle. Andererseits hätten sich die Befürchtungen des Handwerkstags nicht bestätigt: „Es hätte schlimmer kommen können“, sagte Möhrle. Vielfach war befürchtet worden, dass die von der grün-roten Koalition eingeführten Gemeinschaftsschulen, an denen Schüler aller Leistungsniveaus gemeinsam unterrichtet werden, lediglich die schlecht nachgefragten Hauptschulen beziehungsweise Werkrealschulen ersetzen würden. Auch Johannes Stingl vom Gemeindetag sieht vor diesem Hintergrund „durchaus positive Ansätze“ bei der Gemeinschaftsschule.

Die Euphorie sei gedämpft, sagt dagegen der Verband Bildung und Erziehung (VBE), der Grund- und Hauptschullehrer vertritt. Man habe damit gerechnet, dass jeweils ein Drittel der Schüler mit Empfehlungen für die Hauptschule, die Realschule und das Gymnasium auf die Gemeinschaftsschulen wechseln würden. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) setzt sich dafür ein, das Vertrauen in die Gemeinschaftsschulen auszubauen. Zur Sicherung der gymnasialen Standards müssten die Rahmenbedingungen verbessert werden.

Seit Beginn dieses Schuljahrs gibt es 42 Gemeinschaftsschulen im Südwesten. Weitere 114 Schulen haben sich dafür beworben. In der kommenden Woche will Kultusminister Stoch bekanntgeben, wie viele von ihnen genehmigt werden.

Stoch zeigte sich erfreut, dass wesentlich mehr Kinder mit ausländischer Staatsangehörigkeit auf Realschulen und Gymnasien wechseln. Die Bildungspolitik gebe allen Schülern bessere Chancen, sagte er. Die Werkrealschulen brachen weiter ein.