Bildungsstudie Miese Noten vom IQB auch für die Neuntklässler in Baden-Württemberg

In Mathematik und den Naturwissenschaften sind die deutschen Neuntklässler bundesweit abgesackt (Symbolfoto). Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire

Der neue IQB-Bildungstrend beschreibt massive Leistungseinbrüche in Mathe und den Naturwissenschaften. Wo die Schüler im Land besser sind als der Bundesdurchschnitt.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

In Mathematik und den Naturwissenschaften sind die deutschen Neuntklässler bundesweit abgesackt. Das gilt auch für die baden-württembergischen Schüler, die sich allerdings etwas besser geschlagen haben als der Durchschnitt in Deutschland. Das ist das Ergebnis des jüngsten IQB-Bildungstests, der an diesem Donnerstag in Berlin vorgestellt worden ist.

 

Im Fach Mathematik, das wegen seiner Schlüsselrolle für Lebensbewältigung in diesem Text im Mittelpunkt steht, haben im Land sieben Prozent der Schüler den Mindeststandard für den Hauptschulabschluss verfehlt. Dabei soll gemäß den Bewertungsstandards der Forscher vom Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen dieses Mindestniveau wirklich von jedem Schüler erreicht werden. 2018 waren es im Südwesten noch fünf Prozent. Im Bund ist der Anteil in diesem Zeitraum um drei auf neun Prozent gestiegen. Was man zur Bewertung wissen muss: In diesen Zahlen sind Kinder mit geistigen Behinderungen und Schüler, die seit weniger als einem Jahr Deutsch lernen, noch nicht enthalten. Das Gesamtbild der Mathe-Kenntnisse ist also noch einmal schlechter als die IQB-Zahlen es ausdrücken.

Noch mehr Neuntklässler verfehlen Mindestniveau

Für Laien ist oft schwer nachvollziehbar, was die wissenschaftlichen Befunde im Blick auf die Rechenfähigkeit der Jugendlichen tatsächlich bedeuten. Das lässt sich anhand einzelner Aufgaben veranschaulichen: Bundesweit scheitern neun Prozent der Neuntklässler daran, auszurechnen, wie weit ein Gewitter entfernt ist, wenn zwischen Blitz und Donner sechs Sekunden liegen und der Schall etwa 0,3 Kilometer pro Sekunde zurücklegt. Die richtige unter vier möglichen Antworten – 1,8 Kilometer – hat fast jeder zehnte deutsche Schüler beim IQB-Test nicht erkannt. Beim Mindeststandard für einen mittleren Schulabschluss ist das Anforderungsniveau etwas höher und die Entwicklung negativer: Bundesweit verfehlen 34 Prozent der Neuntklässler dieses Niveau – zehn Prozent mehr als beim letzten IQB-Mathetest 2018. In Baden-Württemberg ist die Zahl der Betroffenen in der gleichen Zeit um neun auf knapp 32 Prozent gestiegen.

Wer nun meint, das Problem sei nicht so gravierend, weil gar nicht alle Neuntklässler einen höheren Schulabschluss anstreben und den entsprechenden Unterricht erhalten, täuscht sich: Von den Kindern, die mindestens die Mittlere Reife anstreben, verfehlen im Land 22 Prozent der Neuntklässler diese Mindestanforderungen, bundesweit sind es 24 Prozent. Für jeden fünften Real-, Werkreal-, Gemeinschaftsschüler oder Gymnasiasten in Baden-Württemberg ist bereits der Schwierigkeitsgrad der auf unserem Foto abgebildete Rechenaufgabe zur Situation an einer Tankstelle zu hoch: Wenn jemand für 58,51 Euro getankt hat und im Benzinpreis 73 Cent Steuern je Euro enthalten sind, können diese Schüler den korrekten Steueranteil von 42,71 Euro nicht errechnen und unter fünf angebotenen Lösungsmöglichkeiten als richtig erkennen.

Auch die durchschnittlichen Mathe-Leistungen sind deutschlandweit um 25 Punkte abgesackt. Im Bund erreichen die Neuner einen Wert von 474 Punkten auf der IQB-Skala; die Baden-Württemberger bringen zehn Punkte mehr auf die Waage – sie liegen als Drittplatzierte mit 484 aber deutlich hinter den Altersgenossen in Bayern (505) und den Spitzenreitern in Sachsen mit 511 Punkten. Immerhin zählt Baden-Württemberg zu den drei Ländern, die in Mathe einen Mittleren Kompetenzwert über dem Bundesdurchschnitt erreicht haben; alle anderen Bundesländer liegen darunter. Der Wermutstropfen: Zwischen 2012 und 2018 konnten die Schüler im Land das Leistungsniveau mit 503 Punkten halten, seither ist es um 19 Punkte gesunken. Zur Einschätzung: Das ist laut den Maßstäben der IQB-Forscher ein Rückfall um mehr als ein Drittel eines Schuljahrs.

Schüler im Land in allen Fächern über dem Durchschnitt

Freuen können Schüler, Eltern, Schulen und Politik im Südwesten sich darüber, dass die Jugendlichen im Land in allen vier untersuchten Fächern im Mittel über dem Bundesdurchschnitt liegen, was das IQB-Forscherteam und seine Chefin Petra Stanat auch positiv hervorheben. In Biologie liegen die Neuntklässler im Land mit 482 Punkten um fünf Punkte über dem Bundesdurchschnitt (473) und auf Platz sechs nach Spitzenreiter Sachsen (507), Thüringen, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Allerdings ist das Gesamtniveau in Biologie seit 2018 gesunken: Bundesweit um 24 Punkte, im Land um 14 Punkte.

Ähnlich ist die Lage in Chemie. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 471 Punkten, das sind 23 Punkte weniger als 2018. Die Südwest-Neuner erreichen 482 Punkte – zwölf Punkte weniger als vor sechs Jahren. Aktuell belegen die Baden-Württemberger damit den vierten Rang nach Spitzenreiter Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern. In Physik erreichen die Neuntklässler im Land im Schnitt 491 Punkte (nach 498 im Jahr 2018); das sind 17 Punkte mehr als der Bundesdurchschnitt. Spitzenreiter ist Sachsen mit 513 Punkten. Bayern liegt mit 492 mit minimalem Vorsprung vor dem Südwesten auf Platz zwei.

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