Zwölf Gymnasien in Stuttgart bieten bilinguale Züge an: zehn davon mit Englisch. Auf die Schüler kommt mehr Arbeit zu. Deshalb ist der Unterricht, der auf einer Fremdsprache abgehalten wird, nicht für alle geeignet.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Von der Erdplattenbewegung bis zur Evolutionsbiologie: in bilingualen Zügen wird über diese Themen nicht auf Deutsch, sondern auf Englisch diskutiert. Denn auch Sachfächer werden in der Fremdsprache unterrichtet. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Schüler lernen dadurch nicht nur, im Alltag auf Englisch zu kommunizieren, sondern auch, sich sicher zu komplizierten Themen zu äußern. Das ist später im Berufsleben ein Pluspunkt, der offenbar überzeugt: „Das Interesse nimmt zu“, sagt Christana Stengel, die Leiterin des Ferdinand-Porsche-Gymnasiums mit zwei bilingualen Klassen. Sie habe zum Beispiel im vergangenen Jahr 73 Interessenten für 60 Plätze gehabt.

 

Zehn Stuttgarter Gymnasien bieten bilinguale Züge auf Englisch an. Neben dem Porsche-Gymnasium sind es das Königin-Olga-Stift, das Dillmann-Gymnasium, das Paracelsus-Gymnasium, das Zeppelin-Gymnasium, das Leibniz-Gymnasium, das Königin-Charlotte-, das Fanny-Leicht- und das Geschwister-Scholl-Gymnasium sowie das Johannes-Kepler-Gymnasium. Hinzu kommen das Königin-Katharina-Stift mit einem bilingualen auf Italienisch und das Wagenburg-Gymnasium, das als einzige Schule das bilinguale Profil mit der Sprache Französisch im Programm hat.

Zusätzliche Schulstunden sollten einen nicht abschrecken

Doch für welche Schüler ist ein bilingualer Zug überhaupt geeignet? Schwache Schüler werden in so eine Klasse gar nicht aufgenommen. Ein bilingualer Zug sei „nichts für eine knappe Empfehlung“, betont Manfred Birk, der Schulleiter des Dillmann-Gymnasiums, dessen Schule seit 1998 bilingual unterrichtet. Auch andere Schulleiter weisen darauf hin: In den Kernfächern Mathematik und Deutsch müssten die Schüler mindestens die Note 2 vorweisen. „Man kann nicht intensiv Französisch lernen und dann auch noch die Mathematikprobleme aufarbeiten“, erklärt die Schulleiterin des Wagenburg-Gymnasiums, Petra Wagner. Deshalb seien gute Noten so wichtig.

Die Französischabteilung an ihrer Schule eigne sich vor allem für „lernbereite Kinder, die sich gerne mit Sprache beschäftigen“ und die „ein überdurchschnittliches Maß an Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit“ auszeichnet. Zusätzliche Schulstunden sollten einen nicht abschrecken. Für alle bilingualen Züge gilt: diese Schüler haben mehr Unterricht als ihre Mitschüler in den normalen Zügen. Sie haben zum Beispiel nicht zwei, sondern drei Stunden Geschichte. So will man beidem gerecht werden: der Sprache und dem Stoff.

Kinder werden auf den bilingualen Unterricht vorbereitet

Rektor Birk rät Eltern, die Grundschullehrer vor der Entscheidung zu Rate zu ziehen. Diese könnten gut einschätzen, ob ein Kind in solch einer Klasse richtig aufgehoben wäre. Außerdem bieten auch die Schulen selbst in der Regel Beratungsgespräche an. Ein Wechsel in den normalen Zug, heißt es, komme vor, sei aber die Ausnahme. Die Eltern könnten ihre Kinder in der Regel richtig einschätzen, meint Christana Stengel.

Außerdem werden die Kinder auf den bilingualen Sachunterricht vorbereitet. Der Anteil des Unterrichts in der Fremdsprache wird sukzessive gesteigert. „Das geht nur schrittweise“, sagt der Schulleiter Manfred Birk. So sieht die Staffelung landesweit vor, dass in den Klassen 5 und 6 Englisch in erhöhter Stundenzahl unterrichtet wird, um die Grundlage für den bilingualen Fachunterricht zu legen. In Klasse 7 wird in der Regel mit Geografie auf Englisch begonnen, dann folgen in Klasse 8 auch Geschichte, in Klasse 9 auch Biologie.

Geografie eignet sich besonders, weil es anschaulich ist

Das Wagenburg-Gymnasium trägt zudem dem Umstand Rechnung, dass rund die Hälfte der Schüler, die die Französischabteilung besuchen, zweisprachig aufwachsen. Deshalb werden die deutschen Schüler, die in der Regel keine Vorkenntnisse in Französisch haben, in den ersten Jahren von den muttersprachlichen Schülern im Französischunterricht getrennt. In Klasse 7 beginnt der gemeinsame bilinguale Unterricht in den Sachfächern: Auch hier wird mit Geografie gestartet, weil das besonders anschaulich ist. In Klasse 10 wird die Trennung dann auch in Französisch wieder aufgehoben. Nach Abschluss der Kursstufe 12 können die Schüler nicht nur das Abitur, sondern auch das französische Baccalauréat erwerben. Dies sei ein gesicherter Abschluss, der auf einer staatlichen Vereinbarung basiere, betont die Rektorin Petra Wagner. Am Königin-Katharina-Stift können die Schüler neben dem Abitur auch das italienische Esame di Stato ablegen.

Die Gymnasien mit deutsch-englischer Abteilung bestätigen die Teilnahme im Zeugnis. Oft bieten die Schulen auch die Vorbereitung aufs Cambridge Certificate an. Am Königin-Olga-Stift und am Dillmann-Gymnasium können Schüler in einem Modellversuch das Internationale Abitur Baden-Württemberg absolvieren.