Die 40-jährige Bilkay Öney soll Integrationsministerin im grün-roten Kabinett werden.

Stuttgart - Die gebürtige Türkin Bilkay Öney soll Integrationsministerin im grün-roten Kabinett in Baden-Württemberg werden. Das erfuhr die Nachrichtenagentur dpa am Dienstag aus SPD-Kreisen in Stuttgart. Die 40-jährige SPD-Politikerin ist Abgeordnete im Berliner Landesparlament. Sie wurde in der Türkei geboren, lebt aber seit ihrer Kindheit in Berlin.

 

Sie wäre die erste Migrantin, die in Baden-Württemberg einen Ministerposten übernimmt. Vor einem Jahr war in Niedersachsen die CDU-Politikerin Aygül Özkan (CDU) als erste Muslimin bundesweit zur Ministerin berufen worden.

Wechsel von den Grünen zur SPD

Öney saß bis 2009 für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus und wechselte dann zur SPD. Zuvor hatten mehrere Fraktionswechsel die rot-rote Koalition in Berlin geschwächt.

Der baden-württembergische SPD-Landeschef Nils Schmid, der mit einer Türkin verheiratet ist, hat Öney für das neue Amt auserkoren. Die Migrationsexpertin soll am 12. Mai nach der Wahl des Regierungschefs zur Ministerin ernannt werden.

Seite 2: Porträt - wer ist Bilkay Öney?

Porträt: Eine Ex-Grüne und echte Berliner Pflanze

Sie mag türkische Filmemacher, deutsche Satiriker und britische Teekultur: Bilkay Öney, Baden-Württembergs künftige Integrationsministerin, gibt sich weltoffen und vielschichtig. Um die Integration bemüht sich die Berlinerin seit Jahren - denn die Probleme sieht sie vor ihrer Haustür in Moabit jeden Tag.

Die gebürtige Türkin zählt nicht zur ersten Riege der Berliner Landespolitiker, hat sich aber mit abgewogenen Positionen einen Namen gemacht. Dass viele Deutsche die Türken im Land noch immer wie vor 40 Jahren sähen, kritisierte sie einmal, und dass viele die vollständige Integration nicht wollten. Gleichzeitig machte Öney aber auch den Türken in Deutschland Vorwürfe: „Wir bleiben unter uns, spielen unsere eigene Musik.“

Öney arbeitet mit Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit in der Steuerungsgruppe Integration beim SPD-Bundesvorstand und vertritt einen breiten Integrationsbegriff: Nicht nur Zuwanderer würden ausgegrenzt, auch Arme, Alte, Arbeitslose, Behinderte. „Ein Patriot ist der, der dafür sorgt, dass Deutschland Heimat wird für alle Kinder, die hier aufwachsen. Das nennt man Integration“, zitiert Öney den Journalisten Heribert Prantl und fügt hinzu: „Ich bin Patriotin und Abgeordnete.“

Mit drei Jahren nach Deutschland gekommen

Geboren wird sie 1970 in Ostanatolien. Im Jahr darauf gehen die Eltern nach Hamburg, 1973 folgt die Tochter nach. Zwei Jahre später zieht die Familie nach Berlin. Die Eltern arbeiten als Lehrer, die Tochter wird Pfadfinderin. Dort prägt Öney nach eigenen Worten ihren Sinn für Gleichberechtigung, soziale Verantwortung und Gerechtigkeit, Antirassismus und Antisemitismus. Sie studiert Betriebswirtschaft, arbeitet als Bankangestellte und Fernsehredakteurin. Den Wechsel in die Politik begründet sie mit Brecht: „Wer gegen die Politik ist, ist für die Politik, die mit ihm gemacht wird.“

In der SPD danken die Genossen der 40-Jährigen für ihren aufsehenerregenden Wechsel von den Grünen zu den Sozialdemokraten vor zwei Jahren, als mehrere Fraktionswechsel das Berliner Landesparlament durcheinanderwirbelten. Zwischenzeitlich war die Mehrheit der rot-roten Regierungskoalition auf eine Stimme geschmolzen. Öney sorgte sich nach eigenen Worten wegen der Schwächung von Rot-Rot inmitten der Wirtschaftskrise. Sie wolle für soziale Gerechtigkeit kämpfen. Die Grünen argwöhnten dagegen, die Abtrünnige fürchte die Konkurrenz einer anderen türkischstämmigen Migrationsexpertin, die zuvor von der SPD zu den Grünen gewechselt war.