Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) warnt vor einer Überlastung des Asylrechts. Deshalb hält sie auch Grenzkontrollen für richtig. „Europa ohne Grenzen bleibt das Ziel, aber die Realität hat nun einmal Grenzen.“
25.09.2015 - 16:47 Uhr
Frau Ministerin Öney, wie bewerten Sie den Ausgang des Flüchtlingsgipfels?
Ich glaube, dass von der Einigung ein wichtiges Signal der Handlungsfähigkeit ausgeht. Das nimmt Druck aus dem Kessel. Der Druck auf die Kanzlerin war parteiübergreifend gestiegen – nicht nur aus Bayern. Auch die anderen Länder klagten, der Bund lasse sie allein. Jetzt steigt er in die strukturelle Mitfinanzierung der Asylkosten ein. Ich hoffe nur, dass unter den Flüchtlingen jetzt nicht das Gerücht die Runde macht, jeder von ihnen bekomme 670 Euro. Das wäre falsch. Insgesamt bewerte ich die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels positiv – auch wenn noch mutigere Entscheidungen nötig sein werden.
Was wäre denn mutiger gewesen?
In der Politik muss man Kompromisse machen, sonst geht es nicht vorwärts. Aber als vor einem Jahr die Balkanstaaten Serbien, Bosnien und Mazedonien zu sicheren Herkunftsländern erklärt wurden, habe ich gesagt: Da gäbe es noch andere. Schon damals hätte man Albanien, Montenegro und das Kosovo aufgrund der geringen Anerkennungsquoten dazunehmen können.
Die Zweifel wachsen, ob in der deutschen Politik irgendjemand einen Plan zur Bewältigung der Flüchtlingskrise hat. Ist das Ganze noch steuerbar?
Es ging beim Gipfel vorrangig darum, wie wir mit der hohen Anzahl von Asylbewerbern umgehen, die bereits hier sind: Asylkosten, Integration, Wohnungsbau – solche Sachen. Einen echten Plan, wie man mit 60 Millionen Menschen weltweit umgehen will, den sehe ich bisher nicht. Dazu bräuchte es eine internationale Strategie und den Mut zu unpopulären Entscheidungen. Die Diskussionen sind nicht einfach, weil wir häufig eine Polarisierung haben nach dem Motto: Bis du für oder gegen Flüchtlinge? Das führt uns nicht weiter. Natürlich hat Deutschland berechtigte nationalstaatliche Interessen. Dazu zählt die Verteidigung universaler Menschenrechte, aber eben auch der Erhalt des sozialen Friedens.
Für was fordern Sie mehr Mut? Für die Einschränkung des Grundrechts auf Asyl?
Nein, eine Änderung des Grundgesetzes muss man jetzt nicht diskutieren, weil es andere Möglichkeiten gibt, das Asylrecht vor Überlastung zu schützen.
Und das geht wie?
Es wäre darüber nachzudenken, ob Menschen aus sicheren Herkunftsländern ihren Asylantrag nur noch in den Auslandsvertretungen stellen können. Dort könnte auch Beratung über andere Möglichkeiten der Einreise angeboten werden. Nach wie vor ist es auch so, dass abgelehnte Asylbewerber ihr Glück immer wieder aufs Neue suchen. Diesen Drehtüreffekt gibt es. Dagegen können die bereits eingeführten Wiedereinreisesperren in Verbindung mit Grenzkontrollen helfen.
Liegt das Europa der Schlagbäume nicht hinter uns?
Wir brauchen eine europäische Lösung, aber solange es die nicht gibt, wird man eigene Handlungsspielräume nutzen müssen. Europa ohne Grenzen bleibt das Ziel, aber die Realität hat nun einmal Grenzen.