Kritik an Kanzlerin Angela Merkel: Darf man sich öffentlich über den Tod Bin Ladens freuen?

Berlin - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bemüht sich nach der Kritik an ihrer offenen Freude über den Tod von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden um Schadensbegrenzung. „Das Motiv ihrer Freude war der Gedanke: Von diesem Mann wird nun keine Gefahr mehr ausgehen. Die Welt lebt hoffentlich ein Stück sicherer“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. In diesem Zusammenhang würde sie diese Gefühle auch wieder so ausdrücken. Die Kanzlerin habe aber Verständnis dafür, dass „das Zusammenwirken der Worte Tod und Freude in einem Satz als unpassend empfunden“ werden könne.

 

In Kirchenkreisen, aber auch in den Regierungsfraktionen im Bundestag wurde Merkels Wortwahl kritisiert. Zugleich erhielt die Kanzlerin aber auch deutliche Rückendeckung.

Freude und Tod in einem Satz

In ihrer Stellungnahme zum Tod Bin Ladens hatte Merkel auf eine Frage gesagt: „Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten.“ Seibert betonte nun, beispielsweise im Fernsehen sei „ja gerne nur mal dieser eine Satz isoliert ausgestrahlt“ worden. Im Zusammenhang ihrer Worte werde aber klar, „welche Gefühle die Kanzlerin geleitet haben“. In der Kabinettssitzung vom Mittwoch habe die Kritik an der Kanzlerin keine Rolle gespielt.

Der Regierungssprecher ließ indirekt erkennen, dass die US-Regierung Merkel vorab nicht über die Blitzaktion gegen Bin Laden informiert hat. „Die Bundeskanzlerin hat von der Aktion nach dem frühen Aufstehen am Montagmorgen erfahren“, sagte er. Eine völkerrechtliche Beurteilung des US-Angriffs wollten weder Seibert noch das Justiz- oder das Außenministerium abgeben, da nicht alle Details über die Aktion bekannt sind. Die Information darüber, dass Bin Laden unbewaffnet gewesen sei, tue zudem „der Tatsache keinen Abbruch, dass es heftige Feuergefechte gab“, sagte Seibert.

Westerwelle verteidigt Kanzlerin

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nahm Merkel gegen Kritiker ihrer Wortwahl ausdrücklich in Schutz. Der Tod Bin Ladens sei eine „gute Nachricht für die ganze Welt“, sagte der FDP-Chef der Zeitung „Die Welt“. „Und ich denke, dass darüber hinaus auch ein Gefühl der Erleichterung verständlich ist, dass dieser Terrorist, der viele tausend Opfer auf dem Gewissen hat, seinen Schrecken nicht weiter verbreiten kann.“

Auch der Chef des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU) sagte dem Sender MDR Info: „Man darf sich darüber freuen, dass es den Amerikanern gelungen ist, einen Massenmörder daran zu hindern, sein blutiges Handwerk fortzusetzen.“

Kauder: Keine Rachegedanken hegen

Der Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, Siegfried Kauder (CDU), kritisierte dagegen: „Ich hätte es so nicht formuliert. Das sind Rachegedanken, die man nicht hegen sollte. Das ist Mittelalter“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. Unionsfraktionsvize Ingrid Fischbach (CDU) ging ebenfalls auf Distanz. „Aus christlicher Sicht ist es sicher nicht angemessen, Freude über die gezielte Tötung eines Menschen und dessen Tod zu äußern“, sagte die Politikerin, die dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken angehört, der „Berliner Zeitung“ (Mittwoch).

Der FDP-Innen- und Rechtspolitiker Hartfrid Wolff reagierte auf Merkels Freude mit „Unverständnis“, wie er dem „Tagesspiegel“ sagte. „Ich kann mich über den Tod eines Menschen nicht freuen.“

Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sagte der „Berliner Zeitung“: „Als Christin kann ich nur sagen, dass es kein Grund zum Feiern ist, wenn jemand gezielt getötet wird.“ Die Grünen-Politikerin ist Präses der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands.

Kritik kam auch vom katholischen Militärbischof Franz-Josef Overbeck. „Man kann sich als Mensch und erst recht nicht als Christ über den Tod eines Menschen freuen“, sagte der Ruhrbischof den Zeitungen der Essener WAZ-Mediengruppe. „Das gilt auch, wenn er ein Gewalttäter war.“