Vor 20 Jahren hat Niko Tsiris seinen ersten Biomarkt im Stuttgarter Westen eröffnet. Heute betreibt der Geschäftsführer eine Filialkette mit zehn Läden in der ganzen Region. Auch die Produkte sind zum größten Teil nicht von weit her.

Stuttgart - Angefangen hat die Karriere von Niko Tsiris auf vierzig Quadratmetern, verteilt auf drei Räume in der Hasenbergstraße im Stuttgarter Westen. Das war 1994. Der damals 30-jährige Schwabe mit den griechischen Wurzeln hatte gerade sein Architekturstudium abgebrochen und beschlossen, ein Geschäft für Bio-Lebensmittel zu eröffnen. Er war selbst seit mehreren Jahren überzeugter Konsument von Naturprodukten, allerdings niemals ein Idealist, wie er heute sagt. 20 Jahre später ist aus dem kleinen Naturkostladen eine Kette mit zehn Bio-Supermärkten in Stuttgart und dem Umland geworden. Die Filialen Nummer neun und zehn hat der Geschäftsführer im Herbst in Möhringen und Echterdingen eröffnet. Tsiris beschäftigt mittlerweile 200 Mitarbeiter, drei Viertel davon sind in Voll- oder Teilzeit fest angestellt, darunter auch 16 Azubis. Der Umsatz der regionalen Handelskette betrug im vergangenen Jahr 16 Millionen Euro. Für 2014 rechnet Tsiris mit 18 Millionen Euro.

 

Der Chef sitzt in der größten Filiale am Stuttgarter Hölderlinplatz. Hierher ist der kleine Laden aus der Hasenbergstraße 2001 umgezogen – von 40 auf 600 Quadratmeter. Zwischendurch war in Degerloch bereits ein zweiter Markt hinzugekommen. Im Stammhaus ist Tsiris – der seit 2003 nicht mehr selbst im Verkaufsraum steht – immer noch täglich zu sehen. Jeden Morgen kauft er sich hier sein Frühstück: eine Brezel, einen Spinat-Smoothie oder die Zutaten für ein Omelett, das er sich in der Küche seines Büros in der Schwabstraße zubereitet. An diesem Vormittag sitzt der 50-Jährige im kleinen Bistrobereich des Marktes. Ein älterer Herr läuft vorbei, grüßt freundlich und nimmt sich einen Einkaufskorb. „Er gehört zu den Kunden der ersten Stunde“, sagt Tsiris. Bevor sich der Name „Naturgut“ bei der Kundschaft durchgesetzt hat, habe es immer geheißen: „Ich geh zum Niko in den Laden.“ Mancher Kunde würde das heute noch so sagen.

Die BSE-Krise hat den Absatz von Bio-Fleisch angekurbelt

Seine Erfolgsstory hat Tsiris neben harter Arbeit auch der gestiegenen Beliebtheit von Bioprodukten in der Bevölkerung zu verdanken. Einen richtigen Sprung habe der Absatz in der BSE-Krise um die Jahrtausendwende gemacht. Als damals zum ersten Mal in den überregionalen Medien berichtet wurde, dass der Erreger einen Bogen um Biofleisch mache, weil diese Rinder nicht mit Tiermehl gefüttert würden, hätten die Menschen die Bioläden regelrecht gestürmt. „Unser Umsatz ist von einem auf den anderen Tag um 50 Prozent gestiegen“, erinnert sich Tsiris. Ein Teil der neuen Kunden sind geblieben. Das Image aus ihrer Anfangszeit als „Läden für Ökos, Körnerfresser und Müsli-Fritzen“ hätten die Biogeschäfte spätestens in diesem Boom abgelegt. Das war auch eines der Ziele des Jungunternehmers.

Die Berührungsängste seien zudem in beide Richtungen vorhanden gewesen: „Wenn ich früher in einen Bioladen reinkam, habe ich mich immer gleich skeptisch beäugt gefühlt. Nach dem Motto: Passt der überhaupt hier rein?“ Das sollte in seinem eigenen Laden anders sein: „Bei mir war jeder willkommen.“ Wer eine Naturgut-Filiale betritt, egal ob am Marienplatz, in Gablenberg, in Waiblingen oder Esslingen, kann sicher sein, 100 Prozent Biowaren zu erhalten, die zum größten Teil aus der Region stammen.

Die Lieferanten stammen aus der Region und dem Land

Zu den Lieferanten der 7000 bis 8000 Produkte im Sortiment gehören ein gutes Dutzend Obst- und Gemüsehöfe sowie sechs Bäckereien aus der Region und dem Land, das Fleisch kommt von drei Metzgereien in Hohenlohe und auf der Schwäbischen Alb, die Eier aus Aalen und der Honig aus Schwäbisch Hall. Einen der Vorteile von Lebensmitteln aus regionaler Erzeugung erläutert der Unternehmer am Beispiel von Feldsalat, der aus Pleidelsheim stamme und am Nachmittag des Vortages geerntet wurde: „Damit ist er ein bis zwei Tage frischer als Produkte von weiter weg – das sieht und schmeckt man.“

Um bestimmte Preisobergrenzen nicht zu überschreiten, hat Tsiris auch unbehandelte Lebensmittel im Sortiment, die nicht aus der Umgebung stammen. „Wir bieten beides an, der Kunde entscheidet.“ Er selbst will mit seinen Läden allerdings in den Grenzen der Region bleiben. Hier gebe es noch einige weiße Flecken, in die man expandieren könne, aber „die Kennzahlen müssen stimmen“, sagt der Inhaber. Trotz Wettbewerber wie den Bioketten Alnatura, Basic oder Denn’s sieht er Naturgut als Platzhirsch in Stuttgart. Konkurrenz machen ihm zunehmend auch die klassischen Supermärkte und Discounter, die ihr Bioangebot ausweiten. Allerdings steigt auch die Nachfrage der Verbraucher. „Mittlerweile ist ‚Bio’ ein fester Bestandteil im Lebensmittelmarkt“, sagt Niko Tsiris.