In Haiti starben nach der Erdbebenkatastrophe vor einigen Jahren 7000 Menschen an Cholera. Das will die EU ändern. In ihrem Auftrag wird in Deutschland Technik für die hygienische Entsorgung von Abfällen und Produktion von Energie entwickelt.

Stuttgart - Bei den Hilfsaktionen nach dem Erdbeben in Haiti gab es viele Probleme“, sagt Michael Köttner. So seien 520 000 Menschen an der Cholera erkrankt, fast 7000 gestorben. „Die Krankheit konnte sich ausbreiten, weil die Fäkalien einfach in die Flüsse geleitet wurden“, sagt der Geschäftsführer des Internationalen Biogas und Bioenergie Kompetenzzentrum (IBBK) in Kirchberg an der Jagst.

 

Nach dem Desaster in Haiti startete die EU ein Forschungsprojekt mit dem Ziel, die bestehenden Notfalleinheiten für den Einsatz in Krisengebieten zu optimieren. „Wir haben vorgeschlagen, die Notfalleinheit um eine Kleinbiogasanlage und einen Hygienisierer zu ergänzen“, erläutert die Projektleiterin Katrin Kayser. Das hat viele Vorteile: Die Keime in menschlichen Fäkalien werden abgetötet, Epidemien wie Cholera oder Typhus wird damit vorgebeugt. Zudem wird Biogas gewonnen, was fossile Brennstoffe spart, und die Gärreste eignen sich als Dünger. Das IBBK ist der einzige deutsche Partner des Konsortiums, das aus zwölf europäischen Einrichtungen besteht. Mit von der Partie sind unter anderem das Niederländische Rote Kreuz, andere humanitäre Organisationen sowie Firmen und Forschungseinrichtungen.

Hygiene für Flüchtlingslager

Jeder Projektpartner hat andere Aufgaben. Das IBBK entwickelte zunächst eine mobile Anlage zur Annahme und Vorspeicherung des Substrats. Sie soll die menschlichen Exkremente aus den Lager-WCs sauber und leicht handhabbar aufnehmen. „Hier arbeiten wir eng mit dem Hersteller der mobilen Toiletten zusammen“, sagt Kayser. Diesen Part hatte eine niederländische Firma übernommen. Sie schuf einfache, aufgeständerte Latrinen, die ganz ohne chemische Zusätze auskommen.

Das IBBK entwickelte auch den Hygienisierer, der die Abfälle keimfrei macht. Seine Wirkung wurde im letzten Jahr an der Uni Hohenheim getestet: „Bei den Untersuchungen sind alle wesentlichen Keime, Salmonellen aber auch Cholera, zuverlässig abgetötet worden“, berichtet die Projektleiterin stolz. Erst dann folgte die Entwicklung der eigentlichen Biogasanlage, die einfach, klein und transportierbar sein sollte. Die Formen von Fermenter und Gasspeicher mussten deshalb flexibel sein.

Wichtig war die Auswahl der richtigen Materialien; sie mussten reißfest und beständig gegen Ultraviolettstrahlung und Hitze sein. Zudem sollte das kleine Kraftwerk mit den Substraten – menschlichen Exkrementen und idealerweise organischen Abfällen aus der Feld- und Küchenarbeit – zuverlässig arbeiten. „In Nepal und Mexiko gibt es tausende billige Biogasanlagen, die schlecht funktionieren, weil ihnen ein Mindestmaß an Technik fehlt“, sagt Köttner. Das Biogas-Konzept des IBBK nutze zwar so weit wie möglich einfache Systeme, setze aber auch Technik ein.

Ein Sack voll Gas für Abendessen und Heizung

„Zunächst ist eine Einheit für 200 Einwohnergleichwerte geplant“, erläutert der Ingenieur Eberhard Hager. Etwa fünf Kubikmeter Biogas sollen unter diesen Bedingungen am Tag entstehen. Die Lagerbewohner können das Biogas in Säcken, die sie auf dem Rücken tragen, abholen und die Energie zum Heizen und Kochen verwenden. „Zunächst werden wir wohl nur die Grundversorgung mit Brennstoff sicherstellen können“, vermutet Hager, denn der Energiegehalt der Substrate sei eher gering. Trotzdem ließe sich eine nicht unwesentliche Menge an fossilen Brennstoffen einsparen. Wie viel es tatsächlich sein wird, und wie der Gärrest verwendet werden kann, wird die Praxis zeigen. Entweder wird das Gärprodukt in unmittelbarer Nähe zum Lager von Bauern genutzt, oder es wird in einem Speicher gesammelt und abtransportiert. „Auf jeden Fall haben wir am Ende des Biogasprozesses ein stabiles Material, das geruchsärmer und besser zu handhaben ist“, sagt Hager. Noch in diesem Jahr wird das Kleinkraftwerk wahrscheinlich in den Feldtest nach Afrika gehen.