Die geplante Biogasanlage in Zuffenhausen löst Kritik aus. Der gesamte Biomüll der Stadt Stuttgart soll dort vergärt und in Wärme und Strom verwandelt werden.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Stinkt sie oder stinkt sie nicht? Diese simple Frage steht im Fokus aller Diskussionen, die derzeit in Zuffenhausen rund um die geplante Biogasanlage geführt werden. In der Sauhalde oder im Heinrizau könnte bis 2015 die Bioabfall-Vergärungsanlage, wie sie korrekt heißt, gebaut werden. Der gesamte Biomüll der Stadt Stuttgart soll dort vergärt und in Wärme und Strom verwandelt werden.

 

Wer wissen will, was da für eine Stromfabrik kommt, pilgert derzeit nach Neuschöntal bei Backnang. Denn dort steht seit dem vergangenen Sommer eine solche Anlage, deren Technik und Größe fast identisch ist mit dem Stuttgarter Projekt. Gerald Balthasar, der Leiter der Abfallwirtschaftsgesellschaft des Rems-Murr-Kreises, fühlt sich deshalb schon fast als Mitarbeiter der Stuttgarter Abfallwirtschaft, denn ständig muss er Gemeinderäte, Bürger und Journalisten durch die Anlage führen. Dies sind die Erkenntnisse, die sich aus einem Besuch ableiten lassen.

Größe

Mit den kleinen Biogasanlagen, die sich die Landwirte manchmal neben den Stall stellen, haben die Backnanger und die Stuttgarter Anlage nur noch das Prinzip gemein. In Neuschöntal werden jährlich 36 000 Tonnen Bioabfall verarbeitet – das ist der komplette Biomüll aller Haushalte im Landkreis. Dafür benötigt die Anlage fast den Platz von drei Fußballfeldern, nämlich 2,1 Hektar. Es ist schon ein großer silbern glänzender Kasten, der sich in Backnang bestaunen lässt. Da am selben Ort zuvor der Grünschnitt kompostiert wurde, war zumindest keine unbebaute Natur zu opfern. Das ist in Stuttgart anders; allerdings kann man die Grundstücke nahe der lauten B 10 und der B 27 nicht gerade als idyllische Landschaft bezeichnen.

In Stuttgart rechnet man zunächst zwar nur mit 15 000 Tonnen im Jahr, also mit knapp der Hälfte. Da bisher der Bioabfall in Stuttgart aber freiwillig abgegeben wird und sich dies ändern dürfte, könnte die Vergärungsanlage in der Endstufe fast genauso groß werden wie jene in Backnang. Thomas Heß, der Leiter der Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS), sucht nach einem Grundstück mit einem Hektar Größe.

Technik

Die Müllwagen fahren mit dem Bioabfall direkt in die Anlage hinein und laden aus – in Backnang holt sich dann ein Greifarm automatisch den Müll und füllt ihn in einen großen Trichter. Dieser schiebt das Material nach und nach in das Herzstück der Anlage, in die zwei Fermenter (in Stuttgart wird es zunächst nur einen geben). In diesen großen abgeschlossenen Becken wird der Abfall umgerührt und vergärt bei 55 Grad, so dass Biogas entsteht. Je nach Methananteil liegt der energetische Nutzen dieses Gases bei sechs Kilowattstunden pro Kubikmeter – Erdgas hat etwa zehn Kilowattstunden.

Dieses Gas treibt in Backnang zwei Blockheizkraftwerke an, die direkt neben den Fermentern liegen – die Kraftwerke bestehen im Wesentlichen aus einem riesigen Schiffsmotor, der das Gas verbrennt. Der entstehende Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist. Mit 20 Prozent der Wärme beheizt man die Fermenter, mit dem Rest soll bald der Schlamm der benachbarten Kläranlage getrocknet werden. In Stuttgart könnte das Blockheizkraftwerk fast zwei Kilometer entfernt bei Zuffenhausen stehen. Mit der Wärme, so hofft Thomas Heß, soll das Hallenbad geheizt werden. In der ersten Stufe erzeugt die Anlage rechnerisch Strom für 1250 Haushalte und Wärme für 230 Haushalte. Die Kosten für die Behandlung des Bioabfalls sinken gegenüber heute um fast 50 Prozent.

Der Biomüll bleibt zwei Wochen im Fermenter, dann wird er gepresst und in einer großen Halle kompostiert. Übrig bleiben Flüssigdünger, der in Backnang in zwei großen Becken zwischengelagert wird, sowie Kompost. Beides holen Landwirte ab und düngen damit ihre Felder.

Geruch

Vor allem in der Kompostierungshalle stinkt es bestialisch – der Ammoniakgehalt der Luft ist so hoch, dass man sich ohne Gasmaske dort nicht längere Zeit aufhalten könnte. Wer in Backnang aber draußen auf dem Hof steht, riecht tatsächlich fast nichts. Wie ist das möglich? Die Anlage ist hermetisch abgeriegelt; selbst wenn die Müllwagen in die Annahme fahren, gelangt durch einen Unterdruck fast keine Luft nach draußen.

Die gesamte Luft im Innern wird gesammelt und durch Biofilter geleitet. In Backnang bestehen diese Filter neben einer technischen Anlage auch aus einer drei Meter hohen Schicht aus Altholz, das die Gerüche aufnimmt. Nach einer aktuellen Messung des Tüv, sagt Gerald Balthasar, dürften die Gerüche viermal intensiver sein und lägen doch noch unter dem Grenzwert. Nur bei einer Störung des Betriebes könnten also außerhalb der Anlage Gerüche wahrgenommen werden, so Balthasar. Beschwerden habe es noch nicht gegeben – die nächsten Häuser liegen auch nur wenige Hundert Meter entfernt.

Verkehr

In Backnang löst die Anlage vor allem deswegen Ärger aus, weil deren versprochene direkte Verkehrsanbindung an die Bundesstraße 14 immer noch nicht realisiert ist. Gerald Balthasar versucht die Anwohner zu beruhigen: Höchstens 52 Lastwagen würden täglich zusätzlich über die Kreisstraße fahren – bei 6000 Fahrzeugen am Tag entspreche das nicht einmal einem Prozent. Betrachtet man jedoch nur den Verkehr der Lastwagen, hat sich deren Zahl in Backnang auf der Kreisstraße immerhin um zehn Prozent erhöht.

In Stuttgart sollen die Müllwagen über die Bundesstraße 27 anrollen; Thomas Heß rechnet wegen der zunächst kleineren Dimension der Anlage mit maximal 40 zusätzlichen Fahrten pro Tag, was die Verkehrsmenge um etwa ein halbes Prozent erhöhe. Im Übrigen bittet Dirk Thürnau, der Technikbürgermeister der Stadt, die Bürger, auch das Gute an der Vergärungsanlage in Zuffenhausen zu sehen: sie sei ein wichtiger Teil der Energiewende in Stuttgart. „Der Strom soll bei den neuen Stadtwerken Stuttgart eingespeist werden“, sagt Dirk Thürnau.