In Südafrika sind Paviane immere aggressiver geworden: Immer öfter brachen sie auf der Suche nach Leckereien in Häuser und Autos ein. Wildtierbiologen haben ein ganzes Bündel an Maßnahmen entwickelt, damit Menschen und Tiere wieder friedlich zusammenleben können.
Stuttgart - Noch fühlt sich die Besuchergruppe im südafrikanischen Naturpark Tokai Forest in der Nähe von Kapstadt sicher: Die dort lebenden Bärenpaviane halten sich in sicherer Entfernung oben an einem abgeholzten Berghang auf, die Parkwächter in ihren Warnwesten haben sich in einer Linie unten am Hang aufgestellt. Doch die Dämmerung naht, und damit ziehen sich die Wächter in Richtung Parkausgang zurück. Prompt rücken die Paviane nach. Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn diese kräftigen Affen mit ihrem beeindruckenden Gebiss in unmittelbarer Nähe ihren üblichen Beschäftigungen nachgehen: fressen, spielen, sich gegenseitig bedrohen, sich miteinander paaren, Kinder beaufsichtigen.
Der abendliche Rückzug der Parkwächter ist Teil eines groß angelegten Managementkonzepts, das ein friedliches Zusammenleben von Menschen und Pavianen zum Ziel hat. Dies war in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend schwieriger geworden. Denn die Paviane, die in der Gegend um Kapstadt in unmittelbarer Nähe zum Menschen leben, sind eben all den Verlockungen ausgesetzt, die menschliche Siedlungen mit ihren Häusern, Autos, Gärten und Weinbergen mit sich bringen. Hinzu kommt, dass sie in der Vergangenheit oft gefüttert wurden, insbesondere von Touristen. „Die sind ja so süß“, lautete da gerne die Rechtfertigung.
Verlockende Leckereien
Bei ihrer Suche nach leicht zugänglicher Nahrung und nicht selten auch verlockenden Leckereien wurden die Paviane mit der Zeit allerdings immer dreister. Manche Horden plünderten die süßen Trauben in den Weinbergen, verwüsteten Häuser und brachen Autos auf. Sogar von regelrechten Überfällen auf Kinder und Erwachsene wurde berichtet – wobei es den Affen bei diesen „Raubzügen“ wohl stets darum ging, Nahrung zu erbeuten und nicht Menschen zu schädigen. Dabei entwickelten die Paviane erstaunliche Fähigkeiten. So lernten manche Horden, in gut gesicherte Häuser einzudringen oder rundum verschlossene Autos aufzubrechen
Angesichts der teilweise schlimmen Schäden und Verwüstungen sowie der manchmal richtig gefährlichen Überfälle dauerte es nicht lange, bis der Ruf nach einer wirkungsvollen Bekämpfung der Baboons, wie sie in Südafrika heißen, immer lauter wurde. Während auf der einen Seite insbesondere paviangeschädigte Farmer und Hausbesitzer ein rigoroses Vorgehen forderten und manch ein Pavian erschossen oder vergiftet wurde, machten sich auf der anderen Seite Tierschützer für die Rechte der Affen stark. Sie argumentieren vor allem damit, dass der Mensch mit immer neuen Siedlungen den Lebensraum der Affenhorden zunehmend einschränkt.
Ratlose Wissenschaftler
Weil die südafrikanischen Paviane zwar nicht akut bedroht sind, aber doch zu den geschützten Tierarten gehören, kann man sie nicht einfach abschlachten, um das Problem aggressiver Affenangriffe zu lösen. So wandte man sich hilfesuchend an die Wissenschaftler der ansässigen Universität von Kapstadt. Die waren allerdings zunächst ziemlich ratlos, weil über Paviane und deren Verhalten nur wenig bekannt war. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert: Seit Jahren wird dort intensiv über das soziale Verhalten dieser Affen und über die Interaktionen zwischen Mensch und Tier geforscht.
„Wir müssen die Kosten für die Nahrung erhöhen – es also für die Tiere gefährlich machen, in Siedlungsbereiche zu gehen“, beschreibt Justin O’Riain das Abwehrkonzept der Wissenschaftler. Inzwischen wurde eine regelrechte Affenpolizei organisiert, welche die Tiere unter Kontrolle hält. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten. Zunächst reicht es, die Paviane mit lauten Geräuschen zu erschrecken, zum Beispiel wenn man in die Hände klatscht oder auf einen Topf schlägt. Doch leider dauert es nicht lange, bis sie sich daran gewöhnen. Dann sind härtere Sanktionen erforderlich: „Die Kosten sind Schmerzen“, berichtet O’Riain. Weil Gummigeschosse für die Tiere allerdings zu gefährlich sind, schießen die Affenpolizisten mit Paintball-Gewehren. Die Farbkugeln führen bei den meisten Pavianen zu einem gewissen Respekt vor den Menschen. Bei Tierschützern indes stoßen auch solche – von den Wissenschaftlern als durchaus vertretbar eingestuften – Abwehrmaßnahmen auf Ablehnung, weil sie den Tieren Schmerzen zufügen.
Elektrische Zäune als wirkungsvolle Barrieren
Ein weiterer Teil des Abwehrkonzepts sind elektrische Zäune als wirkungsvolle Barriere zwischen den von Affen besiedelten Naturräumen und den Siedlungen der Menschen. Und schließlich werden auch die Anwohner und Touristen in das Affenmanagement mit einbezogen. Vor allem gilt nun ein generelles Fütterungsverbot. Darüber hinaus soll in der Nähe von Pavianen weder gegessen noch getrunken werden, Autotüren sowie Kofferräume sollen geschlossen bleiben. Zudem solle man sich bewusst machen, dass die Affen in Taschen und Rucksäcken stets Nahrung vermuten – und daher auch danach trachten, diese den Besitzern mit Gewalt wegzunehmen. Dabei dürfe man es keineswegs auf einen Kampf ankommen lassen, sondern die begehrten Gegenstände freiwillig herausrücken – ein angesichts des gefährlichen Gebisses und der beachtlichen Kräfte der Affen sehr verständlicher Rat.
Und wie erfolgreich sind all diese teuren Maßnahmen? Justin O’Riain ist zufrieden: „Es funktioniert“, sagt er. Dies sei nicht selbstverständlich, meint er – denn viele hätten geglaubt, dass sich die aggressiven Kapstadt-Paviane viel zu sehr an das süße Räuberleben gewöhnt hätten, um sich durch ein Managementkonzept wieder an das deutlich unkomfortablere Leben in der Natur anpassen zu können. Dabei macht sich der Wildtierforscher insbesondere für den Bau von Zäunen stark: Dort, wo diese stehen, würden es nur noch ganz selten Tiere in die Siedlungen schaffen.
Was O’Riain besonders freut: die Zahl der Todesfälle unter den Pavianen, die vom Menschen verursacht wurden, seien stark zurückgegangen – von etwa 50 Fällen auf drei bis vier Fälle im Jahr. In seinen Augen zeigt das besonders eindrücklich, wie gut das Konzept wirkt. Dazu gehört aber auch, den Pavianen genügend Raum für ihr Überleben zu sichern. Für den Tokai-Park bedeutet dies, dass zumindest in der Nacht die Menschen den Affen vollständig das Feld überlassen.
Das Zusammenleben von Wildtieren und Menschen
Verlockung
Felder und vor allem Agrarflächen mit Früchten sowie menschliche Siedlungen sind für viele Wildtiere sehr attraktiv, weil sie eine leicht zu nutzende Futterquelle darstellen. Ein nicht minder großes Problem ist die absichtliche Fütterung, mit der Wildtiere an den Menschen gebunden werden. Vor allem Touristen machen sich keine Gedanken über ihr Tun: „Es gibt zu viele naive Touristen“, sagt der Wildtierforscher Justin O’Riain.
Konflikt
Weil sich die Tiere an den Menschen gewöhnen und vom leichten Zugang zur Nahrung verwöhnt werden, verschaffen sie sich diesen mit zunehmend aggressivem Verhalten. Dafür gibt es weltweit Beispiele, etwa die Bären im amerikanischen Nationalpark Yellowstone oder die Paviane im südafrikanischen Kapstadt.
Lösung
Die Lösung des Konflikts ist aufwendig, langwierig und teuer. Er muss lokale Gegebenheiten berücksichtigen und letztlich das Verhalten sowohl der Tiere als auch der Menschen ändern.