Das Geheimnis der schwarzen Bohne ist gelüftet – zumindest was das Erbgut betrifft. Doch für die Zucht von Sorten mit neuen Eigenschaften – etwa Resistenzen gegen Schädlinge – sind auch Genbanken und Schutzgebiete für Wildpflanzen wichtig.

Stuttgart - Weltweit werden jeden Tag um die zwei Milliarden Tassen Kaffee getrunken. Und jeder Deutsche schlürft im Jahr 150 Liter des schwarzen Getränks. Das verraten diverse Statistiken und Broschüren, etwa diejenige des Botanischen Gartens Berlin. Damit ist die dunkle Bohne nach Erdöl nicht nur der zweitwichtigste exportierte Rohstoff, sondern beschäftigt weltweit rund 100 Millionen Menschen. Es gibt also genug Gründe, sich das Erbgut der Kaffeepflanze anzuschauen, die den Rohstoff für dieses nicht alkoholische, anregende Getränk liefert. Die Reihenfolge der 710 Millionen Bausteine in diesem Genom haben jetzt Victor Albert von der Universität in Buffalo im US-Bundesstaat New York, Patrick Wincker von der Universität im französischen Evry, Philippe Lashermes vom Institut für Entwicklungsforschung im französischen Montpellier und ihre Kollegen entschlüsselt, berichten die Forscher in der Fachzeitschrift „Science“.

 

Die Kaffeepflanze reiht sich damit in eine ganze Reihe wichtiger Nutzpflanzen wie zum Beispiel Reis ein, deren Erbgut-Bauplan in den letzten Jahren entziffert wurde. Allerdings gibt es einen Haken an der Geschichte: In den Kaffeeplantagen wachsen vor allem zwei Arten. Davon haben die Forscher mit Coffea canephora den sogenannten Tieflandkaffee untersucht, der vor allem in den tiefer liegenden, tropischen Regionen der Erde angebaut wird. Dieser Robusta-Kaffee liefert rund 30 Prozent der Welternte, ein großer Teil davon kommt aus Vietnam. Deutlich höhere Qualität, besseres Aroma und eine erheblich geringere Koffeinkonzentration hat dagegen der in höheren Gebieten angebaute Bergkaffee Coffea arabica. Er liefert daher auch den weitaus größten Beitrag zur weltweiten Ernte. Der größte Teil dieses erheblich teureren Produktes kommt aus Brasilien, das nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO der mit Abstand größte Kaffee-Exporteur ist.

Arabica-Kaffee im Visier der Züchter

Auf diesen Arabica-Kaffee konzentrieren sich daher auch die Züchter, die neue Sorten mit besseren Eigenschaften wie zum Beispiel Widerstandskräften gegen Pflanzenschädlinge suchen. Die Zeitschrift „Science“ hofft denn auch, dass solche Sorten mit Hilfe des jetzt entschlüsselten Erbguts schneller entwickelt werden können. Kann man doch jetzt die für die neuen Sorten gewünschten Eigenschaften im Erbgut lokalisieren und diese in den neu gezüchteten Pflanzen rasch wiederfinden. Für diesen Zweck aber wäre das Arabica-Erbgut wohl besser als das jetzt entschlüsselte Genom des Robusta-Kaffees geeignet.

Mit dem Erbgut ist ohnehin nur ein allererster Schritt zu einem einfacheren Züchten getan: „Der Bauplan einer Pflanze oder ihrer Eiweiße lässt sich viel einfacher knacken, als ihre Eigenschaften erfasst werden können“, erklärt Dani Zamir von der Hebräischen Universität in Jerusalem ebenfalls in „Science“. Genau auf diese Toleranzen gegen Parasiten und andere Schädlinge, auf Aromastoffe und anderes kommt es den Züchtern jedoch an. Schlimmer noch: „Während das Erbgut veröffentlicht wird, bleiben die Daten zu den Eigenschaften der Pflanzen Privateigentum“, so Dani Zamir.

Informationen über Kaffeepflanzen sind viel Geld wert

Diese Geheimhaltung hat einen triftigen Grund. Weil Informationen über wichtige Eigenschaften der Kaffeepflanzen viel Geld wert sind, teilt man sie nicht so gern mit seinen Konkurrenten. Da aber nur beides, Pflanzeneigenschaften und Erbgut gemeinsam einen echten Fortschritt ermöglichen, sollten diese Eigenschaften in Zukunft auch zügig veröffentlicht werden, fordert der Forscher aus Jerusalem.

Das gilt für alle Nutzpflanzen, besonders aber für Kaffee. Denn der ist aus einem guten Grund besonders anfällig für Schädlinge oder auch für Veränderungen in der Umwelt, wie sie zum Beispiel der Klimawandel in einigen Regionen bereits bringt. „Weltweit werden kommerziell nur Arabica-Kaffees mit sehr geringen Unterschieden im Erbgut und in den Eigenschaften angebaut“, berichtet Dani Zamir. Den Hintergrund dieser Einheitlichkeit hat Thomas Borsch vom Botanischen Garten in Berlin untersucht: Praktisch alle Arabica-Pflanzen in den Plantagen der Welt stammen von sehr wenigen Elternpflanzen ab, die einst von Äthiopien nach Jemen ausgeführt wurden. Pflanzen mit sehr einheitlichem Erbgut aber fehlt nicht selten die entscheidende Eigenschaft, mit der sie sich gegen einen Schädling wehren können.

Große Unterschiede im Erbgut von Wildkaffee

„Der Schlüssel für den Kampf gegen Pflanzenkrankheiten steckt in der Variabilität des Wildkaffees in Afrika“, folgert Zamir. Von dort kommen nämlich beide Arten. Die Heimat des Robusta-Kaffees sind wohl die Regenwälder Westafrikas, während der Arabica-Kaffee noch heute in den Regenwäldern der Berge Äthiopiens bis in Höhen von 2200 Metern über dem Meer wächst. Dort aber sind die Unterschiede im Erbgut des Wildkaffees sehr groß.

Von dieser Vielfalt können die Züchter profitieren, zeigt ein Ereignis aus dem Jahr 1870. Damals erreichte die Pilzkrankheit Kaffeerost die Insel Ceylon und vernichtete dort die Kaffeeplantagen. „Deshalb wurde in Ceylon der Kaffeeanbau aufgegeben, stattdessen wurden Teeplantagen angelegt“, erklärt Manfred Denich vom Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn. Unter den ungezählten Varietäten von Wildkaffee in Äthiopien aber könnte es durchaus Pflanzen geben, die den Pilz tolerieren oder ihn abwehren können.

Schätze im Erbgut

Brasilianische Wissenschaftler wiederum hatten 2004 in ihren Genbanken vom Wildkaffee aus Äthiopien einzelne Pflanzen entdeckt, die sehr wenig Koffein enthalten. Dieses Alkaloid ist ein Gift, mit dem sich Pflanzen gegen schädliche Insekten wehren. Dieses Koffein betäubt oder tötet aber nicht nur Insekten, sondern stimuliert beim Menschen und bei Tieren auch die Gehirnaktivität und wirkt so anregend. Genau aus diesem Grund ist Kaffee ein so beliebtes Getränk geworden. Wer aber zum Beispiel vor dem Schlafengehen noch das Aroma einer Tasse Kaffee genießen möchte, würde auf diese Stimulierung lieber verzichten. Kaffee aus solchen natürlicherweise koffeinarmen Sorten wäre da natürlich ganz praktisch.

In der Vielfalt des Wildkaffees in Äthiopien gibt es wohl noch viele solcher Eigenschaften, die Züchter suchen. Ob sie allerdings auf diesen Schatz zurückgreifen können, steht in den Sternen. „Weil der Regenwald in Äthiopien abgeholzt wird, nimmt diese genetische Vielfalt in einem alarmierenden Tempo ab“, stellt Dani Zamir fest. Und Manfred Denich weiß: „Von dieser großen Vielfalt hat es nur ein Bruchteil in die Genbanken der Welt geschafft.“ Der Bonner Ökosystem-Forscher hat daher bereits Anfang des 21. Jahrhunderts in einem großen Forschungsprojekt die Grundlagen für den Schutz des Wildkaffees in Äthiopien gelegt. Heute schützen daher drei Biosphärenreservate die Bergregenwälder, in denen die Vielfalt der Gründerväter des Arabica-Kaffees wächst.

Kaffee-Vielfalt

Pflanze
Der Arabica-Kaffee gehört genau wie der Robusta-Kaffee zu den Rubiaceae-Gewächsen, zu denen auch der Waldmeister der europäischen Wälder gehört. Unter den mehr als 120 Arten der Coffea-Gattung liefern allerdings der Tiefland- und der Bergkaffee den weit überwiegenden Teil der Kaffee-Ernte. Diese Kaffeesträucher liefern kirschrote Früchte, die nach der Ernte getrocknet, geschält und gereinigt werden. Erst das abschließende Rösten liefert das typische Kaffee-Aroma.

Wildform
Wildkaffee heißt der in Äthiopien aus den Regenwäldern geerntete Kaffee. „Dort schlagen die Einheimischen aber zum Teil das Unterholz heraus, das mit den Kaffeesträuchern konkurriert“, erklärt der Biologe und Agrarsoziologe Manfred Denich von der Universität Bonn. Die Pflanze wächst also wild, in ihrer Waldumgebung aber gibt es durchaus ein Management. Auch in kommerziellen Kaffeeplantagen liefern große Bäume häufig den Schatten, in dem die Kaffeesträucher von Natur aus wachsen.