Vor nur 40 Jahren hatten Hummeln in Nordamerika längere Zungen als heute. Wissenschaftler konnten sich das lange nicht erklären. Untersuchungen zeigen: Es handelt sich um eine Anpassung an den Klimawandel, der Blüten mit langen Kelchen seltener werden lässt.
Stuttgart - E
chte Bienen, das sind keinesfalls nur Honigbienen, auch Hummeln gehören zu dieser Gattung. Sie sind wie ihre schlanken Kollegen wichtige Pflanzenbestäuber. Auf Nektarsuche fliegen sie von Blüte zu Blüte und tragen so deren Pollen weiter. Und die Pflanzen bieten den Insekten eine zuckersüße Gegenleistung. Hier kommt dann ein wichtiges Hummel-Werkzeug ins Spiel: Mit der Zunge lecken die Insekten den nahrhaften Nektar aus den Blüten. Lange Hummelzungen eigenen sich dabei besonders gut für lange Blütenkelche, über Jahrmillionen haben sich Bestäuber und Blüten aneinander angepasst.
In nur 40 Jahren, einer evolutionsbiologisch gesehen sehr kurzen Zeit, haben sich die Zungen der nordamerikanischen alpinen Hummelarten Bombus balteatus und Bombus sylvicola verkürzt. Das stellten Forscher um Nicole Miller-Struttmann von der University of Missouri fest, als sie Hummeln aus den Jahren 1966 bis 1980 mit solchen von 2012 bis 2014 verglichen. Das Team startete anschließend eine aufwendige Ursachenforschung und veröffentlichten die Ergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift „Science“. Sie analysierten, neben den Hummelzungen, bis zu 50 Jahre alte getrocknete Blüten aus den nordamerikanischen Bergregionen. Das Ergebnis: die Kelchtiefe zwischen den Blütenarten variiert – damals wie heute – und manche Pflanzen haben heute flachere Kelche, doch sind diese nicht die bevorzugten Nektarlieferanten der langzüngigen Hummeln. Somit sind die geschrumpften Zungen keine Anpassung an veränderte Blüten.
Hummeln spezialisieren sich nicht
So folgten die Forscher einer weiteren Spur: Seit 1960 ist die Artenzahl in den nordamerikanischen Untersuchungsgebieten gestiegen, stellten sie fest. Immer mehr Bienen mit kurzen Zungen sind zugewandert und konkurrieren mit den langzüngigen Hummeln um Nektar. Laut Lehrbuch würde das eigentlich zur Spezialisierung der Tiere führen. Die Hummeln mit langen Zungen müssten sich noch stärker auf die Blüten mit langen Kelchen fokussieren – denn dort hätten sie einen Wettbewerbsvorteil. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Hummeln besuchen heute vermehrt auch kurze Blütenkelche, beobachteten die Wissenschaftler. Sie haben sich also nicht spezialisiert, sondern ihr Nahrungsspektrum erweitert und infolgedessen haben sich die Zungen verkürzt.
Aber warum besuchen die Hummeln vermehrt kurze Blütenkelche, obwohl hier der Konkurrenzdruck größer ist? In den untersuchten alpinen Regionen hat sich durch die rasanten klimatischen Veränderungen in den letzten 40 Jahren die Blütezeit verändert. Das hat zu einem Verlust von Millionen Blüten geführt. Seit 1970 sei so das Nektarangebot dort um teilweise 60 Prozent gesunken. Die Hummeln müssen also mit dem zurechtkommen, was bleibt. Aus Spezialisten für tiefe Blütenkelche werden so nach und nach Generalisten, die den Nektar aus vielen verschiedenen Blütenkelchen sammeln. Die Wissenschaftler zeigen am Beispiel der Hummel, wie schnell über lange Zeit entwickelte Nutzgemeinschaften aufgrund von klimatischen Veränderungen in die Brüche gehen können. Denn wenn die Hummelzungen schrumpfen, wer bestäubt dann in Zukunft die Pflanzen mit langen Blütenkelchen?