Die weißen Bären sind vom Klimawandel und dem damit verbundenen Schwinden des Meereises stark betroffen. Die Nachteile können sie nicht durch körpereigene Energiesparmaßnahmen wettmachen, wie jetzt eine Studie ergeben hat.

Stuttgart - Gemächlich trottet ein Eisbär über das Eis auf dem Nordpolarmeer und jagt dort Robben, die durch Löcher in der weißen Decke zum Atmen an die Oberfläche kommen. Schmilzt der Klimawandel den Riesen im Zottelpelz das Eis unter den Tatzen weg, verlieren sie also ihre Lebensgrundlage. Vielleicht aber bleibt ihnen eine Hintertür, hatten Zoologen bisher vermutet: Die Eisbären könnten ihren Organismus auf Sparflamme laufen lassen und ähnlich wie Winterschläfer in diesem Energiesparmodus mit dem Fettvorrat von der erfolgreichen Jagd im Frühjahr über den Sommer kommen.

 

Diese Theorie des „wandernden Winterschlafes“ haben John Whiteman von der University of Wyoming und seine Kollegen jetzt im Wissenschaftsmagazin „Science“ unter die Lupe genommen. „Wir haben kaum Hinweise auf diese wandernde Winterruhe gefunden“, sagt John Whiteman – die Hintertür scheint zugesperrt.

„Sommerschlaf“ hätte viele Vorteile

Dabei hätte diese Ruhephase durchaus Vorteile. Schmilzt das Eis auf dem Meer zunehmend früher im Jahr, haben die Eisbären weniger Zeit für die Robbenjagd, können sich daher weniger Fett als Energiespeicher anfressen und müssen sich dann auch noch früher auf das feste Land zurückziehen und dort einen längeren Sommer überstehen. Obwohl die von Zoologen Ursus maritimus genannte Art der größte aller Bären ist, hat das Tier an Land kaum Chancen. Zwar halten die Bären mit einem Tempo von mehr als 30 Stundenkilometern durchaus mit einem menschlichen Sprinter mit, allerdings nur auf der Kurzstrecke. Auf längeren Distanzen dagegen droht den an die Kälte des Nordpolarmeers angepassten Tieren die Überhitzung. Rentiere laufen ihnen daher locker davon. Wenn er kein einzelnes Tier mit Beinverletzung erwischt, muss sich ein bis zu 800 Kilogramm wiegender Eisbär daher bei seinen Landgängen mit Wühlmäusen und Vögeln begnügen, die ihn kaum satt machen.

Vielleicht haben sich die Tiere also mit einer wandernden Winterruhe an diese erzwungene Fastenzeit im Sommer angepasst, spekulierten Zoologen bisher. Genau das macht der nächste Verwandte des Eisbären ja im Winter: Braunbären senken dann ihre Körpertemperatur ab. Dadurch läuft der Stoffwechsel langsamer, braucht weniger Energie und das im Herbst angefressene Fett reicht auch über die kalte Jahreszeit. Sollten Eisbären im Sommer den gleichen Trick anwenden, könnten die Forscher das leicht feststellen, wenn sie die Körpertemperatur messen.

Forschung mit Eisbrecher und Hubschrauber

Mit einem einfachen Fieberthermometer gaben sich John Whiteman und seine Kollegen indes nicht zufrieden. Sie setzten vielmehr die US-Küstenwache samt Eisbrecher und mehreren Hubschraubern in Bewegung. Auf dem Meereis und an Land haben die Forscher mit diesen Fahrzeugen im hohen Norden von Alaska und Kanada Eisbären nachgestellt und sie betäubt. In die Haut und in den Bauch von 15 Weibchen und zwei Männchen implantierten die Forscher dann ein Messgerät für die Körpertemperatur. Ein Sender an einem Halsband übermittelte den Forschern die Aktivitäten der Tiere. „Das Ganze war so aufwendig, dass es vielleicht nie mehr wiederholt wird“, vermutet Merav Ben-David, der an der University of Wyoming gemeinsam mit Hank Harlow und Steve Amstrup dieses Projekt ausgeheckt hat.

Als John Whiteman dann im Rahmen seiner Doktorarbeit die so gewonnenen Daten auswertete, zeichnete sich ein klares Ergebnis ab: Die Körpertemperatur sinkt viel weniger als bei der Winterruhe ab und ähnelt eher der Reaktion auf eine Fastenzeit. Damit aber sparen die Eisbären nur wenig Energie und schaffen es nicht, dem Klimawandel ein Schnippchen zu schlagen.

Aufwendiges Langstreckenschwimmen

Einen Hoffnungsschimmer haben John Whiteman und seine Kollegen trotzdem entdeckt. Schmilzt das Eis stärker, müssen die Eisbären häufiger und längere Strecken durchs Nordpolarmeer schwimmen, um die nächste Eisfläche oder das Festland zu erreichen. Mit Schwimmhäuten an den Tatzen klappt das zwar hervorragend, gleichzeitig aber droht das eisige Wasser den Körper zu unterkühlen. Wale und andere Meeressäuger wehren sich gegen die Kälte mit einer dicken Speckschicht, die dem Eisbären fehlt. Stattdessen kühlen die Tiere ihre äußeren Körperschichten kräftig ab. Sie nutzen diese als Isolierschicht zum Wasser und verringern damit den Wärmeverlust, konnten die Forscher messen.

Vor allem beim Langstreckenschwimmen aber zahlen die Tiere trotz dieses Energiespartricks einen hohen Preis: Als eine Eisbärin in neun Tagen fast 650 Kilometer weit von der Küste bis zum Rand des Meereises schwamm, hatte sie nicht nur 22 Prozent ihres Körpergewichtes, sondern auch noch ihr Junges verloren. Wegen des Klimawandels müssen die Eisbären solche Langstrecken bereits heute viel häufiger auf sich nehmen, berichten die Forscher.