Wenn es ums Verstecken von Leckereien geht, sind andere Tiere deutlich talentierter. Eichhörnchen und Eichelhäher stellen jeden Osterhasen in den Schatten.

Stuttgart - Der Osterhase ist eigentlich eine Fehlbesetzung. Schließlich sieht sein Stellenprofil vor allem eine Aufgabe vor: Leckereien verstecken. Und dafür sind Feldhasen einfach nicht qualifiziert. Denn statt ihr vegetarisches Menü irgendwo zu verbergen, fressen sie es lieber direkt. Für österliche Versteckspiele hätte die Tierwelt ein paar deutlich bessere Kandidaten zu bieten.

 

Viele davon stellen ihre Talente allerdings nicht an Ostern, sondern im Herbst unter Beweis. Eichhörnchen zum Beispiel verbringen dann jeden Tag Stunden damit, Nüsse und andere Nahrung für den Winter in Astgabeln und Rindenspalten zu deponieren oder im Boden zu vergraben. Auch Eichelhäher machen sich viel Arbeit, wenn sie ihre Wintervorräte an den verschiedensten Stellen verbergen. So hat ein einziger Vogel in Sachsen-Anhalt in nur drei Wochen nachweislich 2200 Eicheln versteckt. Ähnlich fleißig ist der Tannenhäher Nucifraga caryocatactes, der in den Alpen und anderen nadelwaldreichen Regionen vorkommt. Geschickt pickt er dort die Kerne aus den Zapfen der Zirbelkiefer und verstaut sie in bis zu 10 000 verschiedenen Verstecken.

Nicht alle Eicheln und Nüsse werden wieder ausgegraben

Diese dezentrale Lagerung hat für Eichhörnchen wie Häher einen großen Vorteil: Sollten andere hungrige Eichel- oder Nussfans ein Versteck entdecken und plündern, ist nicht gleich der ganze Wintervorrat dahin. Allerdings hat die Sache auch einen Haken. Denn man muss seine Schätze ja auch wiederfinden. Und das ist deutlich schwieriger, wenn sie statt in einer zentralen Vorratskammer in Hunderten von Verstecken lagern.

Wenn sie mit knurrendem Magen eines ihrer Depots aufsuchen wollen, lassen sich Säugetiere von ihrer Nase leiten. Vögel dagegen merken sich markante Wegweiser wie Steine und Bäume. Vor allem die Rabenverwandtschaft kann sich dabei nicht nur auf ihr gutes räumliches Orientierungsvermögen verlassen, sondern auch auf ein hervorragendes Gedächtnis. So haben US-Forscher das Erinnerungsvermögen des Kiefernhähers Nucifraga columbiana getestet. Diese Vögel, die in den Kiefernwäldern im Westen Nordamerikas leben, konnten sich noch nach mehr als neun Monaten ziemlich genau an ihre Futterverstecke erinnern.

Aber auch ein echter Gedächtniskünstler kann sich nicht alles merken. Und das ist aus ökologischer Sicht ein Glück. Denn aus den vergessenen Nüssen, Eicheln und anderen Samen keimen neue Bäume. Eichelhäher, Tannenhäher und Eichhörnchen spielen daher eine wichtige Rolle für die Samenverbreitung. So könnte sich die Zirbelkiefer ohne die Aktivitäten des Tannenhähers wohl nur talwärts ausbreiten. Da ihre schweren, ungeflügelten Samen mit dem Wind nicht weit kommen.

Manche Raben sind so trickreich wie Hütchenspieler

Die Tiere verhungern aber auch dann nicht, wenn sie nicht jedes ihrer zahlreichen Verstecke leeren. Zumal man seinen Hunger nicht unbedingt mit den eigenen Vorräten stillen muss. Gerade Rabenvögel fallen oft durch einen ausgeprägten Hang zum Diebstahl auf. So muss der Westliche Buschhäher Aphelocoma californica mit gierigen Artgenossen rechnen, die seine Futterverstecke ausspionieren und plündern. Das gilt es zu verhindern. Also holen die nordamerikanischen Rabenvögel ihre Leckerbissen ab und zu wieder hervor und verstecken sie woanders. Dabei analysieren die Vögel sehr genau, ob eine solche Vorsichtsmaßnahme nötig ist.

In Tests haben Joanna Dally und ihre Kollegen von der Universität Cambridge festgestellt, dass sich die Tiere beim Verstecken darüber im Klaren sind, wer sie gerade beobachtet. An den Blicken ihres Partners stören sie sich dabei nicht, der bekommt oft sogar einen Happen ab. Schaut dagegen ein anderer Artgenosse zu, wählen die Vögel von zwei möglichen Verstecken fast immer dasjenige, das am weitesten von dem möglichen Spion entfernt liegt. Dadurch kann dieser nicht so genau erkennen, was dort vor sich geht. Ihr weiteres Verhalten machen die Vögel dann vom Status ihres Beobachters abhängig. Wenn es sich um ein überlegenes Tier handelt, das ihnen ihre Leckerbissen leicht wieder abjagen könnte, wechseln sie eher ihr Verstecke.

Auch Kolkraben setzen auf Verwirrspiele, um Artgenossen von ihren Schätzen fernzuhalten. Thomas Bugnyar und seine Kollegen von der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle Grünau und der Universität Wien staunen in ihren Versuchen immer wieder darüber, welche Raffinesse die Tiere an den Tag legen. So berücksichtigen die Vögel den Informationsstand ihrer Artgenossen. Wenn es ans Plündern geht, nehmen sie sich als Erstes die Depots vor, die auch ihre Gefährten kennen. Und um einen Happen zu verstecken, passen sie einen unbeobachteten Moment ab.

Selbst die Forscher werden zuweilen hereingelegt

Manchmal tricksen sie sogar. In einem Versuch wussten die schwarzen Vögel zwar genau, unter welcher von mehreren Dosen ein Leckerbissen versteckt war, doch unter den indiskreten Blicken der übrigen Raben holten sie ihn nicht sofort hervor. Sie wollten wohl nicht riskieren, den fressbaren Schatz gleich an einen stärkeren Artgenossen zu verlieren. Also lockten sie potenzielle Diebe erst einmal zu einer leeren Futterbüchse. Und während die reingelegte Konkurrenz noch an der falschen Stelle suchte, holten sie ihren Snack aus dem richtigen Versteck.

Selbst die Wissenschaftler verlieren bei den Experimenten schon einmal den Überblick darüber, wo sich der Leckerbissen gerade befindet. So glaubte Christian Schloegl von der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle bei einem Versuch, genau gesehen zu haben, wie ein Rabenweibchen einen Leckerbissen von einem Versteck in ein anderes schaffte. Doch als der Forscher dort nachsah, war das Depot zu seiner Verblüffung leer. Das Tier hatte den Versteckwechsel nur vorgetäuscht.

Vielleicht wären Raben als Osterboten also doch nicht die beste Wahl. Sie sind einfach zu clever. Schließlich will man ja auch nicht bis Pfingsten suchen, bis alle Ostereier gefunden sind.