Wie wird ein Filmstar zum Mythos? Durch seine Filme, sollte man meinen. Im Fall des 50er-Jahre-Rebellen James Dean aber sind die prägnanten Fotos, die Dennis Stock aufnahm, mindestens ebenso wichtig. Anton Corbijn erzählt im Spielfilm „Life“, wie es zu diesen Fotos kam.

Stuttgart - Die Kleinstadt Fairmount im US-Bundesstaat Indiana, 1955. In Hunt’s Furniture Store, dem örtlichen Möbelladen, kann man nicht nur Regale und Betten, sondern auch Särge kaufen. Aus heutiger Sicht makaber und seltsam, aber irgendwie lustig. Der angehende Schauspieler James, 24 Jahre alt, hat das damals vielleicht genauso gesehen. Für seinen Bekannten Dennis, einen ehrgeizigen Fotografen, steigt er in eine der mit Steppdecken ausstaffierten Kisten und zieht eine komische Schnute. Dennis drückt auf den Auslöser. Klick! Wenige Wochen später ist sein Modell James Dean, der Mime mit dem abseitigen Humor, nicht nur ein Hollywoodstar, sondern tot.

 

Die im Rückblick fast schauerlichen Bilder sind Teil einer Serie des Fotojournalisten Dennis Stock für das amerikanische Magazin „Life“. Zu diesem Zeitpunkt waren Stock und Dean unbekannte Neulinge mit großen Ambitionen. Ohne James Dean hätte sich Stock vielleicht niemals als anspruchsvoller Fotograf etablieren können. Ohne seine unkonventionellen, sehr persönlichen Aufnahmen des Künstlers Dean als jungem Mann wäre der möglicherweise nicht zu einer bis heute so strahlenden Ikone geworden.

Kein rosiger Karrierestart

In „Life“ setzt sich der Fotograf und Regisseur Anton Corbijn jedoch nicht kritisch mit dem Medienhype um James Dean auseinander, sondern zeichnet liebevoll, fast altmodisch detailliert die Entstehungsgeschichte der berühmten Fotos nach. Die Episode in Hunt’s Möbelladen, die im Nachhall zu Deans Tod zu einem kleinen Skandal geriet, lässt Corbijn allerdings aus.

Am Anfang ihrer Karrieren sieht das Leben der Männer nicht besonders rosig aus. Stock (Robert Pattinson) hetzt als Leiharbeiter bei der Agentur „Magnum“ von Termin zu Termin, seine Ehe ist kaputt, das Verhältnis zum kleinen Sohn zerrüttet. Robert Pattinson spielt diesen eigentlich noch jungen Mann mit stets müder, fast verzweifelter Miene, der mit seinem unsicheren Auftreten und den schlecht sitzenden Klamotten potenzielle Auftraggeber auf feinen Cocktailparties eher abschreckt, anstatt sie für sich einzunehmen. Als er bei solch einer Veranstaltung im Hause des Regisseurs Nicholas Ray auf James Dean (Dane DeHaan) trifft, hat Stock den richtigen Riecher. In dem verlorenen und leicht linkischen Jungen sieht er das Besondere, das seinen starren Set-Bildern von Marlon Brando fehlt.

Angst vor Maßregelung

Corbijn erzählt, wie Stock nun an zwei Fronten dafür kämpft, Dean vor seine Linse zu bekommen. Stocks Chef hält den Schauspieler für spröde und langweilig, James Dean wird das aufkeimende Interesse um seine Person dagegen zuviel. Er fürchtet die Maßregelungen von Jack Warner (Ben Kingsley) und die immer dichteren PR-Termine, die ihn einschränken. Deshalb läuft er auch Stock immer wieder davon.

Obwohl Dane DeHaan seinem Rollenvorbild James Dean nur entfernt ähnelt, schafft er das Kunststück, sich in diesen von abertausend Abbildungen überlagerten Charakter einzufinden. Jenseits der bekannten Klischees vom exzentrischen Eigenbrötler, mit all den berüchtigten Marotten, legt DeHaan das Wesen eines Mannes frei, der zwar einerseits ein Künstler sein will, andererseits aber auch ein tiefes, fast naives Bedürfnis nach Freundschaft und Nestwärme hat. Corbijn versucht zwar nicht, den Mythos um James Dean zu entzaubern, aber er interessiert sich für den Menschen dahinter.

Zwischen Schweinen und Rindviechern

Überzeugend gestaltet Corbijn auch die Bilder eines alten Amerika, das in nostalgischen Hollywoodproduktionen glamourös und kitschig schön erscheint. Auf der Farm von Deans Onkel, der den Jungen nach dem Tod der Mutter bei sich aufnimmt, herrschen dagegen ärmliche, trostlose Verhältnisse. Bis ins Kleinste rekonstruiert Corbijn die Ausstattung der Räume, scheint gar im selben Matsch zu drehen, in dem sich Dean, zwischen Schweinen und sanften Rindviechern auf einer Bongo trommelnd, ablichten ließ. Über den Szenen in spärlich beleuchteten Kneipen oder am Times Square, wo Stocks bekanntestes Bild der Fotostrecke entsteht, mit Dean als einsamem Wolf im Regen, liegt eine morbide Patina.

Zwar erwähnt Corbijn Deans frühen Tod nur am Rande, dennoch thematisiert er permanent die Vergänglichkeit nicht nur dieses einen Lebens, sondern auch des Ruhms. Denn was von James Dean in bloß drei Spielfilmen sowie unzähligen PR-Bildern übrig geblieben ist, sind zunächst nichts weiter als konservierte Posen. Stock wie Corbijn versuchen dagegen, der Person und nicht dem Star näher zukommen, ihn in der wirklichen Welt, zwischen echten Zeitgenossen zu verorten. Den albernen Lausejungen in Hunt’s Möbelgeschäft umgab vielleicht noch nicht die Aura eines Stars, dafür war er höchst lebendig.

Life. USA, Großbritannien, Kanada, Australien, Deutschland 2015. Regie: Anton Corbijn. Mit Dane DeHaan, Robert Pattinson, Alessandra Mastronardi, Ben Kingsley. 112 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.