Der neue Biosprit E10 erregt die Gemüter. Die Autofahrer sind verunsichert, Mineralölhersteller und Politik beschuldigen sich gegenseitig.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht, soll die Zurückhaltung der Autofahrer im Umgang mit dem neuen Biosprit E10 spätestens am kommenden Dienstag der Vergangenheit angehören. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hat für diesen Tag zum Benzingipfel eingeladen - zwar ohne Absprache "aber in kongenialer Übereinstimmung" mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), wie seine Sprecherin Christiane Schwarte betonte.

 

Einziges Ziel der Veranstaltung ist, für eine bessere Aufklärung der Verbraucher über Sinn, Zweck und Verträglichkeit des Biosprits zu sorgen, damit die Autofahrer im Süden und Osten der Republik - wo der Biosprit derzeit angeboten wird wie Sauerbier - bei ihrem nächsten Tankstopp nicht mehr zu den benachbarten Zapfhähnen greifen, sondern ihr Auto möglichst mit E10 volltanken.

"Wir wollen mit dem Gipfel mehr Akzeptanz erreichen", sagt Röttgens Sprecherin. Dabei soll nach ihrer Aussage nicht an der Einführung des derzeit so unpopulären E10-Kraftstoffs gerüttelt werden. Tatsächlich will die Regierung mit Hilfe des neuen Treibstoffs, die Abhängigkeit vom Öl reduzieren und zugunsten des Klimaschutzes die Kohlendioxidemissionen im Verkehrsbereich mindern.

Mangelnde Aufklärung

Dass die Einführung des neuen Sprits nicht reibungslos klappt, schreibt das Umweltministerium Versäumnissen der Mineralölwirtschaft zu. "Die Branche hat nicht genügend aufgeklärt und mit einander widersprechenden Aussagen in dieser Woche ein Kommunikationsdesaster angerichtet", kritisierte Schwarte. Vorwürfe, dass auch die Bundesregierung versäumt habe, rechtzeitig über den neuen Kraftstoff zu informieren, wies sie entschieden zurück.

Die ersten Gespräche mit der Branche über das Thema seien im Februar 2010 geführt worden. "Die Mineralölwirtschaft hat ihr eigenes Produkt nicht beworben. Das ist das Problem", setzte sie hinzu. Sie bezeichnete es als "unverständlich", dass die Verbraucher vor dem neuen Treibstoff zurückschrecken, obwohl er deutlich günstiger sei als der konventionelle Ersatz und obwohl mehr als neunzig Prozent aller Autos den neuen Sprit vertrügen. Auch Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) nannte das Verhalten der Mineralölbranche ein "Trauerspiel".

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle lässt dagegen mitteilen, dass es beim Gipfel "nicht um Schuldzuweisungen" gehen soll. Eingeladen hat er neben Röttgen und Aigner noch Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sowie den ADAC, Verbände der Mineralölwirtschaft, die Bioethanolbranche, den Bauernverband und die Verbraucherzentralen.

Stimmungsmache gegen E10

Unterdessen wird munter Schwarzer Peter gespielt und die Verantwortung für die unbefriedigende Lage an den Tankstellen hin und her geschoben. Während die Mineralölwirtschaft darüber klagt, dass sie von der Politik gezwungen worden sei, einen Treibstoff anzubieten, den die Verbraucher nicht haben wollen, sehen der Automobilclub ADAC und der Bauernverbandspräsident Gerd Sonnleitner die Schuld allein bei den Benzinproduzenten. Sonnleitner bezeichnete den Verweis auf die im Internet abrufbare Verträglichkeitsliste der Autotypen als völlig unzureichend.

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer dagegen hat dem ADAC eine völlig unbegründete Stimmungsmache gegen den neuen Kraftstoff vorgeworfen. Nach seiner Einschätzung wäre es auch kein Problem, Fahrzeuge für E80 oder gar reinen Bioalkohol auszulegen. In Brasilien seien beispielsweise Millionen Autos schon jahrelang mit E80 und E100 unterwegs, "und das sind die gleichen Autos, die bei uns fahren", sagte der Professor für Automobilwirtschaft.

"Teurer Irrweg"

Die Opposition kritisiert dagegen die Bundesregierung. "Das Chaos bei der Einführung von E10-Kraftstoff ist die Folge eines gemeinschaftlichen Versagens von Mineralölbranche und Bundesregierung", sagte die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Der SPD-Abgeordnete Matthias Miersch forderte Mineralwirtschaft und Bundesregierung auf, sofort ihre Hausaufgaben zu machen. Eva Bulling Schröter von der Linkspartei bezeichnete E10 als "teuren Irrweg". Auch zwei Unionspolitiker - der EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU) und der Energieexperte Herbert Reul (CDU) - wandten sich gegen E10.

In Brüssel wurde versucht, dem Eindruck entgegenzuwirken, dass der E10-Sprit eine europäische Erfindung ist. Joe Hennon, Sprecher von EU-Umweltkommissar Janez Potocnik, wies darauf hin, dass es "keine Verpflichtung" gebe, den Kraftstoffen Biosprit beizumischen. Vielmehr existiere seit Anfang dieses Jahres lediglich die "Erlaubnis, zwischen null und zehn Prozent beizumengen".

Ob Mitgliedstaaten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, liegt demnach allein in deren Ermessen. Zwar gibt die EU-Gesetzgebung im Rahmen des 2007 unter Federführung von Bundeskanzlerin Angela Merkel vereinbarten Klimapakets ein Zehnprozentziel vor. Allerdings geht es dabei nur um die allgemeine Regel, dass zehn Prozent der im Verkehrsbereich eingesetzten Energie aus erneuerbaren Quellen stammen muss. Wie sie umgesetzt wird, ist Sache der Nationalstaaten.

Andere EU-Länder lassen sich Zeit

Frankreich: Der Biosprit E10 ist seit April 2009 erhältlich. Nach E85 und B7 ist er die dritte Sorte Biosprit. Als Faustregel galt, dass die meisten Fahrzeuge von Jahrgang 2000 an
problemlos E10 tanken können. Insgesamt gelten dort etwa 60 Prozent der Fahrzeuge als E10-kompatibel.

Großbritannien: Auf der Insel läuft die Erhöhung des Ethanolanteils im Sprit schrittweise. Von April an soll es ein Superbenzin mit vier Prozent Ethanolbeimischung geben. Ob und wann es E10 geben wird, ist noch unklar. Die Erhöhung des Bioanteils im Kraftstoff ist Teil eines laufenden Gesamtpaketes für besseren Klimaschutz.

Niederlande: Seit Januar wird E10 an einigen wenigen Tankstellen angeboten. Die umfassende Einführung soll nur schrittweise über längere Zeit erfolgen, wobei man konkrete Erfahrungen mit dem Kraftstoff berücksichtigen will.

Belgien: Die Einführung eines E10-Kraftstoffs wird vorbereitet. Seit Mitte 2009 verpflichtet ein Gesetz die Sprithersteller, mindestens vier Prozent Bioethanol in Kraftstoffe beizumischen. Bereits 2010 wurde ein Benzin mit einem Anteil von 6 Prozent Bioethanol verkauft sowie Diesel mit 4,5 Prozent.

Tschechien: Dem Benzin wird seit Juni 2010 mindestens 4,1 Prozent Ethanol beigemischt, vorher waren es 3,5 Prozent. Die Steigerung des Biospritanteils verlief ohne großes Aufsehen.

Italien: Das Thema E10 ist hier bis jetzt noch nicht angekommen.