Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Branche
: Im vergangenen Jahr ist der Umsatz der deutschen Biotechnologie-Unternehmen erstmals auf mehr als drei Milliarden Euro gestiegen (plus 5,8 Prozent). In Forschung und Entwicklung wurden 954 Millionen Euro investiert (plus 6,2 Prozent). Die 578 (Vorjahr: 570) Unternehmen der Branche, davon 13 Neugründungen, beschäftigten Ende 2014 insgesamt 17 930 Mitarbeiter – knapp 1000 mehr als im Jahr davor.

 

Investoren
: „Vor allem die Sorge um ausreichende finanzielle Mittel ist ein steter Begleiter der Branche“, heißt es in einer aktuellen Studie der vom Bundesministerium für Bildung und getragenen Informationsplattform biotechnologie.de. Die Bereitschaft, Geld in risikoreiche Projekte zu stecken, sei in Deutschland geringer ausgeprägt als in anderen Teilen der Welt. So ist es etwa in den USA deutlich leichter, an Risikokapital zu kommen.

Risiken:
Vor allem in der pharmazeutischen Biotechnologie dauert es wegen aufwendiger klinischer Tests und hohen Zulassungshürden viele Jahre, bis aus einem aussichtsreichen neuen Wirkstoff ein marktfähiges Medikament wird – dabei besteht auch immer das Risiko, dass sich ein Projekt als kompletter Flopp entpuppt.

Besserung
2014: habe sich das Biotech-Investitionsklima etwas gebessert, heißt es in der Branchenstudie weiter. So hätten die Unternehmen mit 445 (2013: 401) Millionen Euro bei Investoren die höchste Summe seit 2011 eingeworben. Positiv sei auch, dass die deutsche Pharmaindustrie verstärkt Kooperationen mit hiesigen Biotech-Firmen eingehe – wie etwa Boehringer Ingelheim mit Curevac.



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Stattdessen klingelte vergangenen Sommer Hoerrs Telefon. „Bill Gates will Sie in Paris treffen. Haben Sie Zeit?“, fragte ein Mitarbeiter der Stiftung. „Da hat man natürlich Zeit“, sagt Hoerr lächelnd. Mittlerweile gab es in Seattle ein zweites Treffen mit dem Milliardär. Wenn der Curevac-Gründer von Gates erzählt, schwingt eine gehörige Portion Bewunderung mit. Der Microsoft-Gründer kenne sich mit Biotechnologie genauso gut aus „wie jemand, der das studiert hat“, erzählt Hoerr. Auch über Curevac habe der prominente Geldgeber beim ersten Treffen in Paris schon bestens Bescheid gewusst. „Die übliche Unternehmenspräsentation konnten wir uns sparen. Gates wollte lieber gleich über einzelne Arbeitsschritte im Labor reden“.

Die Jahresproduktion liegt bei zehn Gramm

Was dort passiert, kann man vom Balkon aus beobachten, der sich um den Labortrakt herumzieht. An den Tischen der Reinräume sind Mitarbeiter in Schutzanzügen mit kleinen Laborgefäßen zugange oder sie bedienen komplizierte Apparate wie den Hochleistungsflüssigchromatographen, der die gewünschten RNA-Abschnitte aus einem Gemisch herausholt. Weitere Arbeitschritte folgen. Ergebnis ist ein weißes Pulver, dass sich selbst bei höheren Temperaturen längere Zeit lagern lässt. Konventionelle Impfstoffe brauchen in der Regel eine geschlossene Kühlkette. „Unsere Impfstoffe können Sie sogar ohne Kühlung durch die Sahara fahren“, sagt Hoerr. Die Temperaturstabilität war seiner Ansicht nach auch einer der Gründe für das Interesse der Gates-Stiftung, die unter anderem die Gesundheitsversorgung in ärmeren Ländern verbessern will. Die Wirkstoffmengen sind winzig. „Unsere Jahresproduktion liegt derzeit bei zehn Gramm“, sagt Produktionsmitarbeiter Thorsten Mutzke. Das klingt nach wenig, reicht aber für 3,5 Millionen Impfdosen. Wenn der Neubau steht, sollen es 30 Millionen im Jahr werden.

Die Anwendung der RNA-Impfstoffe ist den bisherigen Tests zufolge unkompliziert: Im Idealfall genügten eine oder wenige Injektionen unter die Haut oder ins Muskelgewebe, sagt Hoerr. Die Impfungen seien auch gut verträglich – und im Bereich der Krebsbehandlung zudem deutlich günstiger als eine Chemotherapie. Hoerr glaubt zwar nicht, dass sich Krebs mit seiner Technologie komplett besiegen lässt, er hält es aber für möglich, die Krankheit so einzudämmen, dass man damit bei geeigneter Medikation jahrzehntelang leben kann – „ähnlich wie bei Aids“.

Weit fortgeschritten ist die Entwicklung von RNA-Therapien gegen Prostata- und Lungenkrebs. Nach Abschluss der klinischen Studien könnten die ersten Produkte 2020 in die Zulassungsphase kommen, schätzt Hoerr. Dabei setzt Curevac auch auf Kooperationen. Im vergangenen Herbst hat Boehringer Ingelheim den Tübingern die Lizenz für einen Lungenkrebswirkstoff abgekauft, um ihn zusammen mit Curevac zur Marktreife zu entwickeln. 35 Millionen Euro sind dafür bereits an Curevac geflossen, abhängig vom Projektfortschritt winken weitere 430 Millionen und eine Umsatzbeteiligung.

Risikokapital ist dünn gesät

Hoerr ist anzumerken, dass er Übung darin hat, komplexe molekularbiologische Zusammenhänge allgemein verständlich zu vermitteln. „Es gibt keine Technologie, die man nicht erklären könnte“, sagt er. Mindestens so gerne wie über sein Lieblingsmolekül („Das RNA-Zeitalter hat begonnen – und wir haben den Grundstein dafür gelegt“) spricht er über die Probleme deutscher Biotech-Gründer, an Risikokapital zu kommen. Das sei besonders schade, weil es hierzulande eine sehr gute Forschungslandschaft und jede Menge Know-how gebe.

Die Förderung in früheren Gründungsphasen funktioniere noch ganz gut – auch Curevac habe öffentliche Gelder im mittleren einstelligen Millionen-Euro-Bereich bekommen, etwa aus dem Landesprogramm „Junge Innovatoren“. Die Probleme begännen später. Viele Start-Ups scheiterten im „Death Valley der klinischen Prüfung“ – also an den zeit- und kapitalaufwendigen Studien, ohne die kein neuer Wirkstoff zugelassen werden kann. Obwohl derzeit alle vom Anlagenotstand redeten, funktioniere „das Kapitalmarkt-Ökosystem bei Biotech nicht“, sagt Hoerr, der nach dem Biostudium noch einen wirtschaftlichen Abschluss als MBA draufgesattelt hat. Er fordert von der Politik steuerliche Anreize für Investitionen in diesem Sektor – etwa eine Befreiung der Anleger von der Abgeltungssteuer. Schon wenn es gelinge, ein Prozent des Volksvermögens in Zukunftstechniken zu lenken, lasse sich viel erreichen. „Der Automobilbau allein wird unsere Zukunft nicht sein“, ist Hoerr überzeugt.

Immerhin, bei Curevac hat es – trotz einiger schwieriger Phasen – geklappt, das nötige Geld für die Expansion nach der Gründungsphase aufzutreiben – vor allem dank des Engagements der beiden Software-Pioniere Hopp und Gates. „Das ist genau der amerikanische Gründergeist, den wir hier brauchen“, schwärmt Hoerr.

Biotechnologie in Deutschland

Branche
: Im vergangenen Jahr ist der Umsatz der deutschen Biotechnologie-Unternehmen erstmals auf mehr als drei Milliarden Euro gestiegen (plus 5,8 Prozent). In Forschung und Entwicklung wurden 954 Millionen Euro investiert (plus 6,2 Prozent). Die 578 (Vorjahr: 570) Unternehmen der Branche, davon 13 Neugründungen, beschäftigten Ende 2014 insgesamt 17 930 Mitarbeiter – knapp 1000 mehr als im Jahr davor.

Investoren
: „Vor allem die Sorge um ausreichende finanzielle Mittel ist ein steter Begleiter der Branche“, heißt es in einer aktuellen Studie der vom Bundesministerium für Bildung und getragenen Informationsplattform biotechnologie.de. Die Bereitschaft, Geld in risikoreiche Projekte zu stecken, sei in Deutschland geringer ausgeprägt als in anderen Teilen der Welt. So ist es etwa in den USA deutlich leichter, an Risikokapital zu kommen.

Risiken:
Vor allem in der pharmazeutischen Biotechnologie dauert es wegen aufwendiger klinischer Tests und hohen Zulassungshürden viele Jahre, bis aus einem aussichtsreichen neuen Wirkstoff ein marktfähiges Medikament wird – dabei besteht auch immer das Risiko, dass sich ein Projekt als kompletter Flopp entpuppt.

Besserung
2014: habe sich das Biotech-Investitionsklima etwas gebessert, heißt es in der Branchenstudie weiter. So hätten die Unternehmen mit 445 (2013: 401) Millionen Euro bei Investoren die höchste Summe seit 2011 eingeworben. Positiv sei auch, dass die deutsche Pharmaindustrie verstärkt Kooperationen mit hiesigen Biotech-Firmen eingehe – wie etwa Boehringer Ingelheim mit Curevac.



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