Bevor sie aufhört, soll Birgit Prinz die deutsche Auswahl bei der Frauenfußball-WM in Deutschland noch einmal zum großen Erfolg führen.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Man muss nicht die gesamte internationale Karriere der Birgit Prinz kennen, die am 27. Juli 1994 mit 17 Jahren beim 4:0-Länderspielsieg gegen Kanada begann, um zu erahnen, dass dies hier nicht ihre bevorzugte Bühne ist. Doch die Stürmerin, die inzwischen über die Erfahrung von 212 Länderspielen und 128 Toren verfügt, ist schließlich die Spielführerin der deutschen Elf. Also ist auch die Grande Dame des nationalen Frauenfußballs ans Berliner Salzufer unweit des Tiergartens gekommen. Hier befindet sich die Niederlassung eines bedeutenden schwäbischen Autobauers, wo der Deutsche Fußball-Bund (DFB) täglich um 12.30 Uhr seine Pressekonferenz abhält.

 

Der Spieltag rückt immer näher, also sitzt diesmal Birgit Prinz vorne auf dem Podium des repräsentativen Glasgebäudes und wird von neugierigen Autokunden beäugt. Ein Fernsehsender ist ebenfalls live mit dabei - und so muss die gelernte Physiotherapeutin und Diplompsychologin nicht lange überlegen, als sie gefragt wird, was sich in ihrer Zeit denn verändert habe rund um die Nationalelf der Frauen. "Da kann man überall mit dem Finger drauf zeigen", sagt Prinz, "denn es ist ja fast alles anders. Das Umfeld ist viel professioneller geworden - und das Interesse ist stark gestiegen. Das freut mich natürlich."

Prinz kommt nicht alles Neue gelegen

Als Prinz Mitte der Neunziger unter dem Bundestrainer Gero Bisanz debütierte, da reiste die Nationalelf noch mit einem Arzt, zwei Physiotherapeuten und zwei Trainern durch die Welt. Bei der aktuellen, sechsten Ausgabe des WM-Endturniers besteht allein das Team hinter dem Team im deutschen Lager aus 34 Personen. Dazu zählen neben dem Busfahrer, einem Psychologen, einem Koch und sechs Mitarbeitern der Presseabteilung auch drei Assistenztrainerinnen und ein Übersetzer.

Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass der stets ein wenig kritisch distanzierten Birgit Prinz nicht alles Neue gelegen kommt. "Birgit ist keine, die sich in Schablonen stecken lässt und die von uns jede Woche zweimal angerufen werden möchte", sagt der DFB-Präsident Theo Zwanziger - und hat die Spielführerin damit treffend beschrieben. Mit für sie albernen Fragen, etwa nach der passenden French Maniküre, nach der Wahl des Lidschattens oder der Wimperntusche, die den Jüngeren im Team gerade von den elektronischen Medien gerne gestellt werden, kann die Frankfurterin nichts anfangen.

Prinz glänzt mit Spielübersicht

Und so wünscht sich Birgit Prinz vielleicht manchmal sogar ein kleines Stück von der alten Fußballwelt zurück, als die Frauen noch keine Werbestars waren und nicht wie derzeit in Berlin fast an jeder zweiten Straßenecke von überdimensionalen Werbeplakaten grüßten. "Die Hauptstadt ist gut beflaggt. Man kann nicht übersehen, dass hier bald die WM beginnt", sagt die zweifache Weltfußballerin, ehe sie ergänzt: "Ich bin mir aber gar nicht sicher, ob all die Absperrungen hier für uns sind." Dass sie am Sonntag (18 Uhr/ARD und Eurosport) im Olympiastadion die wohl beste Equipe in der gerade mal 40 Jahre und acht Monate alten Geschichte des deutschen Frauenfußballs anführen wird, das ist Prinz wohl bewusst. "Wir sind sehr flexibel, denn wir haben ganz unterschiedliche Spielertypen - und das alles auf einem sehr hohen Niveau", sagt die Teammanagerin Doris Fitschen.

Also muss sich auch die Leitwölfin, die allein durch ihre Verdienste und ihre Erfahrung gesetzt ist, in ihrem Revier, dem Angriff, behaupten. Schließlich ist Birgit Prinz nicht entgangen, dass beispielsweise der 13 Jahre jüngeren Alexandra Popp allein in den vier Testspielen vor der WM fünf Tore gelungen sind. Prinz blieb derweil torlos und musste unmittelbar vor dem Turnier auf die Zähne beißen. Eine Knöchelverletzung hinderte sie zuletzt an einer optimalen Vorbereitung.

WM-Titelprämie beträgt von 60.000 Euro pro Spielerin

Ihr Spiel hat die deutsche Rekordtorjägerin über die Jahre ohnehin umstellen müssen. War sie früher die antrittsschnelle Brecherin in der Strummitte, die schon aufgrund ihrer Physis für jede Verteidigerin eine harte Nuss darstellte, so lässt sie sich heute gerne ins offensive Mittelfeld zurückfallen, um mit Spielübersicht zu glänzen. Auch wenn sie abseits des Rasens nicht als Lautsprecher auftritt, hat ihr Wort im Team großes Gewicht. "Wir Jungen sind froh, dass wir von den Alten wie der Birgit so viel lernen können - und dass wir von ihren Erfolgen profitieren", sagt Kim Kulig angesichts einer WM-Titelprämie von 60.000 Euro pro Spielerin. Ein Betrag, der 1994 undenkbar gewesen wäre.

Nach der WM wird Birgit Prinz ihre Laufbahn zumindest in der Nationalelf beenden. Mit ihrem Club, dem 1. FFC Frankfurt, hat die 33-Jährige vereinbart, erst nach dem Turnier zu entscheiden, ob sie noch ein Jahr dranhängt oder nicht.