Im Interview erklärt Birgit Thoben, wie sie auf dem Renninger Forschungscampus von Bosch eine Atmosphäre offener Kreativität etablierten will. Der Kontakt mit Künstlern ist Teil des Programms.
10.08.2016 - 10:00 Uhr
Stuttgart - Birgit Thoben ist Innovationsmanagerin am Ende des vergangenen Jahres eröffneten Bosch-Innovationscampus in Renningen. Sie verrät, wie dort unter anderem Künstler zu einem kreativen Geist beitragen.
Frau Thoben, Sie haben auf dem Innovationscampus einen ganzen Bereich für Künstler. Was bringt das für das Thema Innovation?
Die Arbeit mit Künstlern ist Teil unserer Innovationskultur auf dem Campus. Sie sind jeweils für einen begrenzten Zeitraum von drei Monaten hier, damit sie ihre künstlerische Sicht auf die Dinge behalten. In dieser Zeit tauchen sie in die Bosch-Welt ein. Das, was sie in der Plattform 12 erarbeiten, teilen sie mit unseren Forschern. Wir ermutigen sie, Neues zu probieren, vielleicht zu scheitern, es weiter zu probieren. Künstler und Forscher verbindet, dass sie kreativ sind. Sie gehen dabei unterschiedlich vor und doch gibt es auch Verbindendes: Für jedes Kunstwerk, das Sie im Museum sehen, war irgendwann jemand bereit zu bezahlen. Und wenn jemand bereit ist, für eine Idee zu bezahlen, dann ist das eine Innovation, weil ein Markt dafür besteht.
Sie haben schon bei der Kunst das Thema Geld ins Spiel gebracht. Am Ende geht es doch auch um die Ökonomie. Wie trennen Sie die Spreu vom Weizen?
Durch einen mehrstufigen Prozess. Am Anfang geben wir die größtmögliche Freiheit, ohne Druck zu forschen und Ideen anschaulich zu machen. Erst dadurch ist gesichert, dass Menschen aus unterschiedlichen Disziplinen von ein und derselben Sache reden können. Wenn ein Chemiker von einem „System“ spricht und dabei seine Moleküle vor Augen hat, denkt ein Kollege aus dem Fahrzeugbau bei diesem Begriff an ein Auto. Im zweiten Schritt prüfen wir, ob die Idee Potenzial für eine Innovation hat. Ist das der Fall, kann daraus schließlich ein Entwicklungsprojekt werden. Grob gesagt: Sie brauchen einhundert Ideen, um eine zu haben, die fliegt.
Und was ist Ihre Rolle dabei?
Ich behalte den Überblick über die Themen, an denen wir arbeiten. Und als Schnittstelle zwischen den Künstlern und den Forschern, aber auch zwischen Forschern unterschiedlicher Disziplinen, bin ich unter anderem dafür verantwortlich, dass auf der Plattform 12 optimale Bedingungen für kreativen Austausch existieren.
Wie straff ist der Zeitplan?
An einer guten Idee wird im Rahmen eines kleinen Projekts gearbeitet, diese erste Phase dauert drei Monate. Für die dann folgende Konzeptstudie braucht man im Schnitt ein halbes Jahr. Das sich anschließende Projekt läuft rund zwei bis drei Jahre. Das sind aber nur Richtwerte. Entscheidend ist: Forschung mit langem Atem ist bei uns möglich. Wir haben etwa 1 000 Aktivitäten im Jahr.
Wer darf in der Plattform 12 arbeiten?
Sie steht jedem Bosch-Mitarbeiter offen. Sechs Tage die Woche, von sechs bis 22 Uhr. Zehn Prozent ihrer Arbeitszeit können die Forscher zudem nutzen, um ungestört an Dingen zu tüfteln, für die sie brennen.
Kommt wirklich jeder?
Hier tauchen Vertreter aus dem Top-Management oder Mitglieder der Bosch-Familie auf, aber auch Mitarbeiter aus einer Bosch-Werkstatt. Niemand wird gefragt, welche Idee er im Köcher hat. Damit würden wir die Leute unter Druck setzen. Den Vorschlag, in der Plattform 12 die Sicherheitseinweisung für die Werkzeuge per Zeichentrickfilm und Video-App zu machen, hatte beispielsweise ein Kollege aus der Werkstatt.
Was für Leute sind hier? Die Technologen oder die wilden Kreativen? Beide. Auf dem Campus arbeiten Forscher aus rund 40 unterschiedlichen Nationen zusammen. Sie alle forschen an Zukunftsthemen wie dem automatisierten Fahren, der vernetzten Industrie oder dem Smart Home. Auf diesem Campus finden Sie Bosch im Kleinen.
Aber was macht der junge Kreative, der seine Ideen morgens in der Bar bekommt?
Er kommt trotzdem, weil er fasziniert davon ist, wie anders das hier ist. Viele unserer Kollegen haben eine Leidenschaft für ein bestimmtes Thema. Bei uns finden sie die Möglichkeit, daran zu arbeiten. Wir haben viele Freiheiten – es gibt keine Präsenzpflicht am Arbeitsplatz, keine festen Schreibtische. Man loggt sich einfach ein und arbeitet. Wir sind völlig flexibel.