Auch in den Bezirken unterm Fernsehturm gehen in der dunklen Jahreszeit die Fallzahlen meist nach oben.

Filder - Mit der Umstellung von der Sommer- auf die Winterzeit beginnt für Harald Dörfler der Stress bei der Arbeit. „In der dunklen Jahreszeit gehen bei uns die Fallzahlen nach oben“, sagt der Leiter der Abteilung Wohnungseinbrüche bei der Stuttgarter Polizei. In jedem Jahr klingeln von Ende Oktober an die Telefone in seiner Dienststelle häufiger als sonst, und es gibt nichts, was er dagegen tun kann. Die Hälfte aller Taten, die er oder einer seiner Kollegen im Laufe eines Jahres bearbeiten, werden in den nächsten vier Monaten begangen. „Das ist frustrierend“, sagt er.

 

Dörfler ist seit drei Jahrzehnten Polizist, und beim Thema Wohnungseinbrüche gibt es eigentlich nichts, was er nicht kennt. „Die Annahme, dass vor allem nachts eingebrochen wird, ist falsch“, sagt er. Die Täter wollen nicht einsteigen, wenn nebenan jemand schläft. „Die meisten Einbrüche geschehen tagsüber.“ Damit meint er den Zeitraum bis 21 Uhr. Im Sommer ist es da hoch hell, im Winter wird es aber bereits am späten Nachmittag dunkel. Und wenn das Licht im Haus nicht brennt, ist das meist ein Zeichen dafür, dass die Bewohner noch nicht daheim sind. Das gleicht einer Einladung.

Vor allem entlang der Autobahnen A 8 und A 81 sind die Einbrecher unterwegs. Ihr bevorzugtes Jagdgebiet erstreckt sich von Sillenbuch bis Vaihingen und von dort aus über Botnang bis nach Feuerbach. In den dortigen Wohngebieten ist gute Beute zu machen und Fußgänger, die stören können, gibt es wenige.

„Der durchschnittliche Einbruch dauert fünf Minuten“

In den Bezirken unterm Fernsehturm sieht die Statistik so aus: 39 Wohnungseinbrüche wurden 2011 allein in Degerloch begangen. 2010 waren es noch 43 gewesen. In Plieningen sank die Zahl der Fälle von 16 auf zehn, in Birkach stieg sie von drei auf 16. Und auch in Sillenbuch waren die Einbrecher häufiger zugange. 35-mal wurde im vergangenen Jahr die Polizei gerufen, 2010 waren es 15 Fälle.

Eine Tendenz für die einzelnen Stadtbezirke will Dörfler daraus nicht ableiten, die Fallzahlen seien zu gering. Das gilt vor allem für Birkach, wo sich statistisch gesehen die Zahl der Einbrüche verfünffacht hat. „Da kommt mal eine Tätergruppe und sucht sich ein bestimmtes Gebiet aus“, sagt Dörfler. Auch andere Zufälle spielen eine Rolle. Unter Umständen kann es geschehen, dass sich die Einbrecher an einer Tür zu schaffen machen, sie nicht öffnen können und zum Nachbarhaus gehen. Das sind dann zwei Fälle in einer Minute.

„Der durchschnittliche Einbruch dauert fünf Minuten“, sagt Dörfler. Mit einem Stemmeisen wird ein Fenster aufgehebelt. Von innen wird ein Möbelstück vor die Tür gestellt, um nicht überrascht zu werden. Die Täter kennen die Orte, an denen sie fündig werden, aus Erfahrung. Auf der Kommode liegt das Handy, auf dem Tisch im Wohnzimmer steht der Laptop, in einer Schublade im Schlafzimmer schlummert der Schmuck, und zwischen den Bettlacken im Schrank ist das Geld versteckt. Mit einer langwierigen Suche halten sich die Täter nicht auf, das ist ihnen zu gefährlich. In der Regel nehmen sie weder Fernseher mit noch Gemälde. Auch für die Scheckkarte interessieren sie sich nicht. Denn an Geldautomaten können sie die Karten nicht benutzen, dort werden sie gefilmt.

„Wenn es nur einen Schwachpunkt am Haus gibt, dann ist das die Stelle , an der der Täter einsteigt.“

„Da ist ein sehr hoher Organisationsgrad erkennbar“, sagt Andreas Taube, der Leiter des Dezernats für organisierte Kriminalität. Die meisten Einbrüche gehen auf das Konto von Banden, die aus Frankreich, Italien oder Osteuropa kommen. Sie fahren für eine einzelne Diebestour nach Stuttgart oder machen auch für ein paar Wochen Station. Oft bestehen die Banden aus zwei bis sieben Leuten. „Wenn es gelingt, einen Täter zu fassen, können wir ihm oft viele Fälle zuordnen“, sagt Taube.

Zwar gibt es auch die Täter, die in Stuttgart wohnen. Die würden aber weniger planmäßig vorgehen, mitunter betrunken in die Kneipe nebenan einsteigen oder einen Kiosk aufbrechen, um an Zigaretten zu kommen. In der Statistik für Wohnungseinbrüche spielt diese Art von Ganove jedenfalls kaum eine Rolle.

Die Profis zu schnappen, ist viel schwieriger. Sie haben nicht selten zur Tarnung Kinder dabei, so dass sie nicht sonderlich auffallen, wenn sie überrascht werden. Und der geklaute Goldschmuck wird mitunter schon 20 Minuten nach der Tat eingeschmolzen. Die Aufklärungsquote ist mit rund 15 Prozent entsprechend niedrig.

Zumindest einen positiven Trend erkennen die Ermittler. „Der Anteil der Einbruchsversuche, die abgebrochen werden, liegt bei 50 Prozent“, sagt Taube. „Das sehen wir als einen Erfolg an.“ Vor wenigen Jahren waren es nur rund 30 Prozent. „Wir beraten jedes Jahr knapp 1000 Bürger, wie sie sich gegen Einbrüche schützen können“, sagt er. Denn je länger die Täter mit dem Stemmeisen vor der Tür stehen, um so größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie unverrichteter Dinge abziehen. Aber Taube weiß: „Wenn es nur einen Schwachpunkt am Haus gibt, dann ist das die Stelle , an der der Täter einsteigt.“

TIPPS DER POLIZEI ZUM SCHUTZ VOR EINBRECHERN

Einfache Tricks
Ein gekipptes Fenster ist ein offenes Fenster. Dieser vielfach bemühte Satz stimmt tatsächlich. Wer das Haus auch nur für kurze Zeit verlässt, sollte die Tür nicht nur zuziehen, sondern abschließen. Auch Balkon-, Terrassen- und Gartentüren sollten geschlossen werden. Den Schlüssel unterm Blumentopf zu deponieren, ist fahrlässig. Einbrecher kennen alle gängigen Verstecke.

Teure Technik
Sowohl Türen als auch Fenster können vom Fachmann so verstärkt werden, dass Einbrecher sie nicht aufhebeln können. Oft sind die Kellerfenster die Schwachstellen, dort sollten die Gitterroste gesichert werden.Es gibt bewegungsgesteuerte Lampen. Alle Möglichkeiten abzudecken, kann aber gerade in einem Altbau teuer werden. Lohnenswert ist das nur, wenn auch tatsächlich an alles gedacht wird.

Nachbarschaft
Kostenlos ist hingegen die Hilfe der Nachbarn. Sie können Fremde ansprechen, die scheinbar zufällig über das Grundstück nebenan laufen. Wer im Urlaub ist, sollte sicherstellen, dass sein Briefkasten geleert oder das Laub vor der Eingangstür entfernt wird. Sonst merken Einbrecher, dass niemand zuhause ist.