Die Fraktionen sind einig: der Schanzacker ist als Standort für eine Landeserstaufnahmeeinrichtung ungeeignet. Auch der OB hat inzwischen große Zweifel – und stellt Forderungen.
Mitte Februar sickerte durch, dass das Land den Grünzug Schanzacker zwischen Ludwigsburg, Asperg und Tamm als möglichen Standort für eine Landeserstaufnahme (Lea) in Betracht zieht.
In den Tagen und Wochen danach wurde viel spekuliert, debattiert, auch protestiert. Die Ludwigsburger Gemeinderäte – die Fläche liegt innerhalb der Gemarkung der Barockstadt – hatte erst jetzt die Möglichkeit, sich offiziell zu äußern. Der Tenor in der Sitzung war eindeutig: Ja, Flüchtlingshilfe sei wichtig, aber nicht um jeden Preis. Und – das ist die wichtigere Botschaft –, die Fläche, die durch die Bahnlinie vom Tammer Feld getrennt ist, halten alle für ungeeignet.
Oberbürgermeister: Forderungen sind nicht verhandelbar
Auch Oberbürgermeister Matthias Knecht, der anfangs einige Vorteile in den Plänen des Landes erkannte, scheint eine Kehrtwende zu vollziehen. „Die Stimmung in der Bevölkerung kippt“, sagte Knecht. Die Verwaltungsspitze sorgt sich weniger um das Grün, das die Lea bedroht (Knecht: „Es steht dort kein einziger Baum“), sondern um den sozialen Frieden – ausdrücklich auch in Tamm und Asperg. Den Grünzug als Argument brachte dann auch nur Einzelstadträtin Adelheid Kainz (Lubu).
Alternative Standorte für eine Lea in der Stadt sieht Knecht aber auch nicht. Der Schanzacker sei die „Ultima Ratio“ – der letzte Lösungsweg. Den Schritt von einem „Nein“ derzeit zu einem „Ja-Aber“ zu machen, knüpfte Knecht an Prämissen, die auch nicht verhandelbar seien: eine Brücke oder einen Tunnel über die Gleise („Wenn das Land will, dann geht das.“), die Lea müsse nachhaltig errichtet werden, die Betreuung der Bewohner, Sicherheit und Gesundheit müssten gewährleistet sein, zudem müssten die Kommunen neben dem Lea-Privileg zusätzliche Sonderzuschüsse erhalten.
Rundumschlag gegen Flüchtlingspolitik von Bund und EU
Für Klaus Herrmann, den Fraktionsvorsitzenden der CDU, sind die Forderungen der Rathausspitze „das Mindeste“. Eine Lea erfordere auch deutlich mehr Polizei, so Herrmann. Die Ludwigsburger Christdemokraten haben „große Bedenken“ und stehen dem Standort „äußerst distanziert“ gegenüber. Es sei der Eindruck entstanden, als habe das zuständige Justizministerium nur die Fläche in ihrem Besitz gesehen, nicht aber die Rahmenbedingungen. Vor allem Fragen zur Erschließung und Infrastruktur seien „völlig offen.“ Wie Knecht auch, holte Herrmann zum Rundumschlag aus und übte Kritik an den Verteilmechanismen und der Flüchtlingspolitik von EU und Bundesregierung .
Die Grünen sperren sich nicht generell gegen eine Lea in Ludwigsburg, die Fläche im Norden halten aber auch sie für ungeeignet. In keinem Fall dürfe eine Lea, ein Gewerbegebiet zementieren, sagt Andrea Molkenthin-Keßler. Sie und Jürgen Müller (Linke) erinnerten daran, dass sich Ludwigsburg vor drei Jahren zu einem „sicheren Hafen“ für Flüchtlinge erklärt habe, daran müsse man festhalten.
Was haben Stadt und Gemeinderat überhaupt zu melden?
Reinhardt Weiss (Freie Wähler) versuchte Pro und Contra einer Lea abzuwägen, Argumente für die Einrichtung fand er aber eigentlich keine. Er verwies auf hohe Kosten für den Steuerzahler und ein sich verschärfendes Problem illegaler Migration. Dass das Land offenbar überhaupt nicht wisse, welche Flächen eigentlich in seinem Besitz sind, kritisierte Margit Liepins (SPD). Das sei ein „Armutszeugnis“. Aus ihrer Sicht wird Ludwigsburg später wenig mit den Geflüchteten zu tun haben, auch wenn es eine Querung der Bahnlinie geben sollte. „Die hängen dann in einem Gewerbegebiet fest“, so Liepins.
Sebastian Haag (FDP) stellt die Frage, inwiefern Ludwigsburg und vor allem der Gemeinderat überhaupt ein Mitspracherecht haben, oder man am Ende „nicht mehr als einen Zwergenaufstand“ veranstalte.
Nach Paragraf 246 im Baugesetzbuch könnte das Land den Bebauungsplan in gewisser Weise umgehen. Ob das letztlich rechtlich haltbar sei, sei fraglich, so Baubürgermeisterin Andrea Schwarz. „Wir erwarten ein planungsrechtliches Kräftemessen.“ Sie sieht die Planungshoheit beim Gemeinderat.