Der VfB Stuttgart stellt seinen bisherigen Chefcoach Pellegrino Matarazzo frei. Ein Nachfolger ist noch nicht präsentiert. Wie begründen die Verantwortlichen ihre Entscheidung?

Sport: Carlos Ubina (cu)

Ein letztes Mal hat sich Pellegrino Matarazzo kämpferisch gezeigt. So wollte er das nach der 0:1-Niederlage gegen Union Berlin schlicht nicht stehen lassen. Ein paar Aussagen waren ihm am Sonntagabend auf dem Pressepodium verrutscht. Er wünsche der eigenen Mannschaft von Herzen Erfolg, und er sei sehr optimistisch, dass der VfB Stuttgart am Samstag gegen den VfL Bochum gewinnen könne – unabhängig davon, wer auf der Trainerbank sitze.

 

Als kleine Abschiedsrede waren ihm diese Sätze ausgelegt worden, nachdem er zu seiner sportlichen Zukunft befragt worden war. Doch Matarazzo wollte nur verdeutlichen, dass es nicht um seine Person gehe, sondern um das Wohl des Fußball-Bundesligisten.

Matarazzo: „Werde ewig dankbar sein“

Auch am nächsten Morgen stand Matarazzo in der Überzeugung auf, dass er weiterhin der richtige Chefcoach für den VfB sei. Er wollte dieses eine Spiel gegen den Tabellenletzten noch haben, um zu beweisen, dass er die ebenfalls unten steckenden Stuttgarter wieder aus der Krise führen kann. Zu Bett ging Matarazzo jedoch mit der Nachricht, dass es nun ein anderer richten soll. Er ist von seinen Aufgaben entbunden. Nach hundert Pflichtspielen an der Seitenlinie und 1015 Tagen im Amt.

Wenn man so will, geht in Stuttgart eine Trainerära zu Ende. „Es waren intensive und wunderschöne Jahre mit vielen unglaublichen Momenten und Erinnerungen, die für immer bleiben werden. Für die Chance, die mir hier ermöglicht wurde, im Trainergeschäft Fuß zu fassen, werde ich ewig dankbar sein“, erklärte Matarazzo dann zu seinem tatsächlichen Abschied.

Problem: Diskrepanz zwischen Leistungen und Ergebnissen

Wer an die Mercedesstraße kommt, ist allerdings noch nicht verkündet. Möglichst zeitnah soll der Neue aber seine Arbeit aufnehmen, um das VfB-Team auf das Kellerduell vorzubereiten. Bis dahin werden die Co-Trainer Michael Wimmer und Michael Kammermeyer die Spieler in Bewegung halten.

Der künftige Chefcoach übernimmt dann eine Mannschaft, die in dieser Saison zwar noch kein Ligaspiel gewonnen, aber durchaus passable Vorstellungen geboten hat. Jedenfalls in den meisten Begegnungen. „Diese Diskrepanz zwischen Spielleistungen und Ergebnissen ist das Problem“, sagte der Sportdirektor Sven Mislintat nach der Enttäuschung gegen die Eisernen aus Köpenick.

Vorstandschef Wehrle: „VfB hat Matarazzo viel zu verdanken“

Und sie machte es den Verantwortlichen so schwer, sich von Matarazzo zu trennen. Gerne hätten sie mit dem 44-jährigen Italoamerikaner weitergemacht, aber wie sie es am Montag in vielen Gesprächen und Analysen drehten und wendeten, am Ende blieb: keine Resultate geliefert – und zuletzt schwand die Überzeugung mit jedem Gegentor, es mit Matarazzo zu schaffen.

„Der VfB hat Pellegrino Matarazzo viel zu verdanken. Der Wiederaufstieg in die Bundesliga und der zweimalige Klassenerhalt sind eng mit seinem Namen verknüpft. Auch die Art und Weise, wie Rino sich mit dem VfB identifiziert und immer den Teamgedanken in den Vordergrund gestellt hat, sind alles andere als selbstverständlich. Letztlich sind wir aber zu der Überzeugung gelangt, dass eine Veränderung auf der Trainerposition notwendig ist, um nach den negativen Ergebnissen der vergangenen Wochen eine Trendwende herbeizuführen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle.

Ein Team, das kaum Spiele für sich entscheidet

Matarazzos Punkteschnitt beträgt überschaubare 1,22, und im laufenden Kalenderjahr kommt der VfB erst auf drei Ligasiege (plus ein gewonnenes Pokalspiel in Dresden). Eine alarmierende Bilanz, die verdeutlicht, dass der VfB ein Abstiegskandidat ist. Auch wenn sich die Fans nach dem euphorisierenden Klassenverbleib gegen den 1. FC Köln im vergangenen Mai so sehr eine sorgenfreie Spielzeit gewünscht hatten.

„Als wir Rino vor fast drei Jahren zum VfB geholt haben, waren wir von seinem Potenzial und seinen Fähigkeiten als Trainer absolut überzeugt. Rino hat unsere Erwartungen nicht nur erfüllt, er hat sie in vielen Punkten sogar übertroffen“, sagte Mislintat. Die Realität heißt dennoch Abstiegskampf, und dem neuen Trainer obliegt es jetzt, mehr aus dem Kader herauszuholen, den Mislintat gebaut und Matarazzo zuletzt geformt hat.

„Wir sind nun an einem Punkt angelangt, an dem wir davon überzeugt sind, dass die Trennung von Rino unausweichlich ist. Mir tut dieser Schritt extrem leid“, betonte der Sportdirektor. Nach wie vor verfügt der VfB dabei über ein junges Team, dem viel Potenzial zugeschrieben wird. Es ist aber ebenso ein Team, das kaum Spiele gewinnt. Weil sowohl vorne wie hinten die nötige Konsequenz fehlt. Mislintat und Wehrle haben es Matarazzo nun nicht mehr zugetraut, die Schwächen in den Griff zu bekommen – über das Spiel am Samstag hinaus. Denn die Entscheidung beinhaltet ja den Blick auf das Saisonziel: Klassenverbleib. Nichts anderes zählt im dritten Jahr nach dem Wiederaufstieg – obwohl der Plan ein anderer war.