In „Geliefert“ bei Arte spielt Bjarne Mädel einen Mann in Nöten. Der Paketbote Volker läuft beruflich und privat auf den Totalschaden zu.

Stuttgart - Der Paketbote Volker ist ein netter Typ. Das ist schlecht in seinem Job, der Nettigkeit nicht vorsieht. Der Zeitplan ist viel zu eng, und bis Volker (Bjarne Mädel) die nächste schwere Lieferung ein paar Stockwerke hochgeschleppt hat, ist er schon im Verzug. Schnell den Scanner übers Paketetikett ziehen, die Empfängerin unterschreiben lassen und weiterhetzen wäre Pflicht. Aber Volker will die Begegnung wenigstens ansatzweise zu einer menschlichen machen, wagt ein, zwei Sätze Konversation. Einer alleinstehenden älteren Dame, die so vergeblich wie verzweifelt auf einen Handwerker wartet, hilft er mal eben, wieder Strom im Badezimmer zu bekommen. Das wirft ihn heillos zurück, und der Filialchef des Zustelldienstes hat ihn sowieso schon auf dem Kieker.

 

Jan Fehse könnte seinen Spielfilm „Geliefert“, den er sowohl geschrieben wie inszeniert hat, in vielen verschiedenen Tonarten in viele verschiedene Richtungen entwickeln. Fehse entscheidet sich für einen spannungsreichen Mix: Eine heiter-beiläufige, beinahe verharmlosende Verpackung fasst einen grimmigen Inhalt. Volker keucht durch seine Tage, strampelt durch private und berufliche Krisen, aber alles läuft gefährlich konsequent auf den Totalschaden zu.

Angeschlagen und verkantet

Das wäre vielleicht sogar zu heiter und gefasst inszeniert, hätte Fehse (von dem einige Folgen „München Mord“ stammen) nicht Bjarne Mädel als Hauptdarsteller. Der große Komödiant Mädel („Stromberg“, „Der Tatortreiniger“) hat noch nie so überzeugend alt, angeschlagen, abgekämpft und verkantet gewirkt wie als Volker. Die Figur überzeugt und rührt, ohne einen an der Gurgel zu packen, um Mitleid aus einem herauszuschütteln. Mädel hat das bestens im Griff.

Bei der ein oder anderen Rolle von Mädel konnte man sich bislang fragen, ob da objektiv ein störender Rest seiner lustigen Figuren durchschimmert oder ob das bloß ein Problem der subjektiven Wahrnehmung ist. Bei Volker stört dieser Rest gewiss nicht, er wirkt Wunder.

Wissen, was falsch läuft

Volkers 16-jähriger Sohn Benny (Nick Julius Schuck) etwa, der nach der Scheidung mal bei der Mutter, dann wieder beim Vater wohnt, ist in pubertärer Pseudo-Coolness drauf und dran, die Schule zu vermasseln. Wenn der Vater die Beherrschung verliert und auf Benny einbrüllt, vielleicht kurz davor ist, ihn zu ohrfeigen, dann bleibt da trotzdem ein Restfunke erstaunten Bewusstseins der eigenen Albernheit. Der nette Kerl in Volker weiß, dass er so nicht sein sollte, dass Brüllen nichts nutzt, sondern nur alles verschlimmert.

Wissen, was falsch läuft, aber keinen Weg finden, es richtig zu machen: das ist das Drama von Volker, der im Nu aus soliden in prekäre Verhältnisse abgerutscht ist. „Geliefert“ ist nicht der spezifische Anklagefilm gegen die Ausbeutung der Paketboten. Es geht etwas allgemeiner um das Unfaire des Lebens. Und auch wenn der Film jetzt auf Arte sein Debüt erlebt, nimmt er ganz am Ende die Wendung in eine neue Chance, die ihn für einen 20.15-Platz bei ARD oder ZDF prädestiniert. Die Wendung wirkt aber nicht verlogen, bloß wie die Ausnahme von der Regel. Und Volker gönnt man den Neuanfang innig.

Geliefert. Arte, 27. August, 20.15 Uhr. Ab Ausstrahlungstag bis 25. September in der Arte-Mediathek abrufbar.