Durch heimliche Überwachung greift das BKA-Gesetz zu stark in die Intimspähre ein. Jetzt muss das Gesetz nachgebessert werden, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Karlsruhe - Es ist ein Urteil, fei nach dem Motto „Ja – aber“. Ja, das Bundeskriminalamt darf auch zur Terrorabwehr tätig werden – aber nur, wenn die Verhältnismäßigkeit der Mittel strikt eingehalten wird. Ja, das BKA-Gesetz verstößt in Teilen gegen die Verfassung – aber der Gesetzgeber kann das in den meisten Fällen korrigieren. Nicht alle acht Verfassungsrichter waren sich einig, das Urteil erging mit einer Mehrheit von fünf zu drei. Wir zeigen die wichtigsten Knackpunkte des Gesetzes.

 

Wohnraumüberwachung

Dies ist ein besonders schwerwiegender Eingriff, der tief in die Privatsphäre eindringt. Die Maßnahme ist daher nur angemessen, wenn sie ausschließlich auf Gespräche der Zielperson gerichtet ist. Alle Daten müssen erst von einer unabhängigen Stelle gesichtet werden, bevor sie vom Bundeskriminalamt verwertet werden. Das BKA darf nicht selber entscheiden, was rechtsstaatlich gewonnen wurde und was nicht.

Computerüberwachung

Gleiches gilt für Daten, die von einem Computer ausgespäht wurden. Auch hier müssen unabhängige Stellen zunächst die Daten auf den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung hin prüfen.

Observationen

Die Überwachung einer Person außerhalb ihrer Wohnung, etwa mit einem Richtmikrofonen, mit Peilsendern oder durch V-Leute, ist nur zulässig, wenn eine „konkrete Wahrscheinlichkeit“ besteht, dass diese Person „in überschaubarer Zukunft terroristische Straftaten begeht“. Dass langfristige Observationen laut Gesetz ohne eine richterliche Genehmigung bis zu einem Monat lang möglich sein sollen, kritisierte Karlsruhe ebenfalls als „unzureichend“.

Datenübermittlung im Inland

Das Gericht erklärte die Übermittlung von Daten ohne einen konkreten Verdacht an andere inländische Behörden für verfassungswidrig. Die Befugnisse des BKA zur Datenübermittlung an Verfassungsschutzämter, den Militärischen Abschirmdienst und den Bundesnachrichtendienst seien „unverhältnismäßig weit“.

Datenübermittlung ins Ausland

In diesem Punkt ist das Urteil eine Premiere – das Bundesverfassungsgericht hatte noch nie zuvor darüber entschieden, ob Daten an ausländische Sicherheitsbehörden übertragen werden dürfen. Die Erwägungen zielen ausschließlich auf Länder außerhalb der EU. Grundsätzlich sei die Datenübergabe gestattet, entschieden die Richter – und entwickelten ein abgestuftes System an Einschränkungen. Der Gesetzgeber habe so dafür zu sorgen, dass der Grundrechtsschutz auch dann gewährleistet sei, wenn die Daten ins Ausland gegeben werden. Zwingend ausgeschlossen sei jedoch auf jeden Fall eine Datenübermittlung an all jene Staaten, bei denen zu befürchten sei, dass sie „elementare rechtsstaatliche Grundsätze“ verletzen. Das Schutzniveau in den Empfängerstaaten kann durch völkerrechtlich bindende Verträge erzielt werden. Erforderlichenfalls können und müssen verbindliche Einzelgarantien abgegeben werden

Datenzweck

Für einen neuen, als den ursprünglich gesammelten Zweck, dürfen Daten nur dann genutzt werden, wenn auch dieser die hohen Anforderungen erfüllt, die schon nach der ursprünglichen Anordnung bestehen mussten. Informationen aus Wohnraumüberwachungen oder dem Zugriff auf informationstechnische Systeme müssen aber zusätzlich noch für jede neue Nutzung der Daten wie bei der Datenerhebung selbst auch durch eine dringende Gefahr oder eine im Einzelfall hinreichend konkretisierte Gefahr gerechtfertigt sein. Das, so das Gericht, sei „keine Verschärfung der Maßstäbe“, sondern eine behutsame Einschränkung, indem das Kriterium der hypothetischen Datenneuerhebung nicht strikt angewandt wird.

Berufsgeheimnis

Die im Gesetz vorgenommene Unterscheidung zwischen Strafverteidigern und anderen Rechtsanwälten sind nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen. Die Unterscheidung sei ungeeignet, weil nicht die Strafverfolgung, sondern die Gefahrenabwehr Ziel des Gesetzes sei.

Abweichende Meinung

Zwei der drei Verfassungsrichter, die nicht mit dem Senat übereinstimmen, haben ihre Meinung veröffentlicht. Schluckebier und Eichberger sehen eine „Verfestigung der überzogenen verfassungsrechtlichen Anforderungen“ im Bereich der Terrorabwehr. Ihrer Ansicht nach hätte sich das BKA-Gesetz in den meisten Punkten auch verfassungskonform auslegen lassen.