Im Verfahren gegen die Black Jackets zeichnet sich eine mögliche Wende ab. Hinter Gittern kochen derweil die Emotionen hoch.  

Stuttgart - Als am 2. März vergangenen Jahres der Prozess gegen 21 mutmaßliche Mitglieder der gewalttätigen Jugendbande Black Jackets am Stuttgarter Landgericht begonnen hat, machte sich wohl keiner der Beteiligten eine Vorstellung von den Ausmaßen, die das Verfahren einmal annehmen würde. 21 Angeklagte müssen sich seither wegen dreifachen versuchten Mordes verantworten: Am 26. Juni 2009 sollen sie auf dem Gelände der Waisenhofschule in Esslingen Mitglieder der rivalisierenden Gruppe La fraternidad zusammengeschlagen haben. Das am schwersten verletzte Opfer, ein angehender Fachabiturient, wird kein normales Leben mehr führen können.

 

Zunächst waren 69 Verhandlungstage angesetzt, um herauszufinden, welcher der mittlerweile 18- bis 25-Jährigen Mitläufer und wer tatsächlich Schläger war. Am Mittwoch, am 85. Verhandlungstag, steckt die 2. Jugendkammer des Landgerichts noch immer in der Beweisaufnahme. Über weite Strecken schien das Verfahren auch aufgrund der schieren Masse der Prozessbeteiligten festgefahren. Doch jetzt kommt tatsächlich Bewegung in die Sache: Nach mehrmaligem Vorstoß aus den Reihen der Verteidigung hat die Kammer Verständigungsgespräche angekündigt. "In denen wird sie eine vorläufige Einschätzung zum Stand der Dinge abgeben", sagt ein Gerichtssprecher. Das könnte womöglich sogar bedeuten, dass die Straftatbestände bei einzelnen Angeklagten abgestuft werden - und der Vorwurf des versuchten Mordes nicht mehr gegen alle 21 aufrechterhalten wird.

"Eine Phase  des gegenseitigen Abtastens"

"Wir befinden uns momentan in einer Phase des gegenseitigen Abtastens", formuliert der Fellbacher Rechtsanwalt Bernd Kiefer es vorsichtig. Auch Jasmin Wanka, die einen der Angeklagten verteidigt, hält sich noch bedeckt: "Bisher hat die Kammer nicht mal in Aussicht gestellt, ob eine Verständigung überhaupt möglich sein könnte." Doch für den Fall, dass es zu einer solchen kommt, wären nach Auskunft ihrer Verteidiger mehrere Angeklagte zu Aussagen bereit - und möglicherweise auch zu teilweisen Geständnissen.

Das trifft allerdings vor allem auf die zu, die nach bisherigem Ermittlungsstand als Mitläufer gelten. Die mutmaßlichen Haupttäter, die von Zeugen und teilweise durch DNA-Spuren schwer belastet worden sind, dürften wenig Veranlassung haben, ein Geständnis abzulegen. Zwar könnten sie sich davon einen ordentlichen Strafnachlass erhoffen, doch so oder so haben die, denen das Gericht die Hauptschuld an der folgenschweren Prügelorgie nachweist, keine milden Strafen zu erwarten.

Der dritte Zwischenfall hinter Gittern

Ärger hinter den Kulissen

Die unterschiedlichen Interessen der Angeklagten liefern auch hinter den Kulissen Zündstoff. Am vergangenen Montag ist ein 22-Jähriger auf dem Weg zum Sitzungssaal von mutmaßlichen Mittätern attackiert worden: An Füßen und Händen gefesselt, schlugen sie ihm mit ihren massiven Handschellen gegen den Kopf. Justizbeamte griffen sofort ein und verhinderten Schlimmeres. Es ist bereits der dritte Zwischenfall hinter Gittern. Zuletzt hatte es in der Justizvollzugsanstalt Mannheim, wo mehrere mutmaßliche Black Jackets einsitzen, eine Schlägerei gegeben, die sich gegen einen der Angeklagten richtete. Auch er will das Gericht davon überzeugen, dass er nicht zu den Haupttätern gehört.

Die Sondierungsgespräche sollen aufgenommen werden, sobald das vom Gericht als Minimum festgelegte Kernprogramm der Beweisaufnahme abgeschlossen ist. Dazu zählt jetzt, nach rund 25 vernommenen Zeugen, noch ein Augenzeuge. Er ist auf kommenden Montag geladen. Für den Fall einer Verständigung gäbe es verschiedene Möglichkeiten: Das Verfahren gegen die, die zu Aussagen bereit sind, könnte abgetrennt werden. "Oder man könnte die, die gestehen, auf freien Fuß setzen", benennt die Stuttgarter Rechtsanwältin Jasmin Wanka ein weiteres Szenario.

Alle 21 Angeklagten sitzen in Untersuchungshaft, die meisten von ihnen seit nunmehr 21 Monaten. Spätestens im Sommer, vermutet Wanka, stünden viele Haftprüfungstermine an. Straftäter unter 21 Jahren, die nicht vorbestraft sind, können bereits nach sieben Zwölftel ihrer Strafe wieder freikommen. Im Sommer könne also so mancher länger in Untersuchungshaft sitzen, als er nach einem Urteil im regulären Vollzug hätte zubringen müssen.