Der vermeintliche Europapräsident der Bande Black Jackets ist wegen mehrerer Verbrechen angeklagt. Unter anderem soll er einen Club-Neuling gefoltert haben.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Kurz vor Mittag spielt die Strafkammer des Ulmer Landgerichts auf der Leinwand des Sitzungssaals ein Video ein, das allen den Appetit raubt. In dunstigen Sequenzen ist ein Mann zu sehen, der auf einem SM-Stuhl kniet, wie er in Dominastudios Verwendung findet. Jemand flucht, schreit von Verrat, schlägt immer wieder mit einem Kabel und einer Peitsche auf Fußsohle, Gesäß und Rücken des Wehrlosen. Zwei Stunden lang dauert das Video in der Originalversion. Ort der Handlung ist eines der Bordelle, die in der Blaubeurer Straße in Ulm ansässig sind.

 

Der Schläger sitzt seit Montag wegen erpresserischen schweren Menschenraubs, schwerer Körperverletzung in mehreren Fällen und wegen unerlaubten Waffenbesitzes auf der Anklagebank. Es ist ein 31-jähriger Mann, nach eigenen Angaben Präsident einer lokalen Gruppierung der Black Jackets mit Sitz in Schwäbisch Gmünd und 2012 vorübergehend Mitglied des „Nationalrats“ der Bande. Deren Europachef sei er nie gewesen, so eine Funktion gebe es gar nicht, beteuert der Angeklagte. Die Staatsanwaltschaft glaubt etwas anderes. Die Polizei findet bei der Festnahme des 31-Jährigen im März 2013 eine Kutte mit einem entsprechenden Abzeichen.

Der Angeklagte will ohnehin nicht reden

Aber wie das so war und ist bei den Black Jackets, darüber will der Angeklagte, der von zwei Verteidigern flankiert wird, ohnehin nicht reden. Dass er am Abend des 21. September 2011 zum Folterer wird im Ulmer Bordell, das streitet er nicht ab, äußert sogar Bedauern: „Ich möchte meine Tat in keinster Weise schönreden. Das ist durch nichts zu rechtfertigen.“

Es handelte sich wohl um eine interne Angelegenheit, die da geregelt werden sollte. Das Folteropfer, ein 21-jähriger Mann, kommt als „Prospect“, also als Neuling zur Gmünder Bande, für den Angeklagten ist er schnell mehr: „Das war ähnlich wie eine Vater-Sohn-Beziehung“, sagt er.

Der Neuling hat bald einen von nur zwei Schlüsseln für das Clubheim in der Gmünder Innenstadt. Dort steht die Spendenkasse für ein 2011 verstorbenes Mitglied, gefüllt mit mehreren hundert Euro, die für einen Grabstein gesammelt worden sind. Und der 21-Jährige ist für die Kleingeldversorgung zweier Geldspielautomaten im Ulmer Bordell verantwortlich. Eines Tages im Sommer 2011 sind die geschätzten 500 Euro aus der Gmünder Sterbekasse verschwunden, und dazu 8500 Euro aus den Geldspielautomaten in Ulm. „Ich wollte ihm einen Denkzettel verpassen für das, was er getan hatte“, sagt der Angeklagte.

Der Angeklagte erinnert sich nicht

Der „Denkzettel“ wäre womöglich nie zu einer Polizeisache geworden, wenn die Blaubeurer Straße nicht später noch Schauplatz nächtlicher Schießereien rivalisierender Banden geworden wäre. Gegen ein weiteres Mitglied der Black Jackets, das auch im Folterkeller dabei war, läuft deswegen ein gesondertes Verfahren. Weshalb der Film mit den Quälereien überhaupt gedreht wurde, kann der Bandenpräsident nicht erklären. Er habe damals viele Drogen konsumiert, Kokain und ein flüssiges Schmerzmittel mit berauschender Wirkung. Mit der psychischen Beeinträchtigung jener Tage erklärt der Angeklagte auch eine weitere Tat am 2. August 2012. Zusammen mit zwei Helfern zerrt er nachts zwei Männer aus einem dem Bordell gegenüberliegenden Spielcasino auf einen Parkplatz und schlägt sie zusammen. Er sei davon ausgegangen, sagt der Angeklagte, es habe sich um „rumänische Zuhälter“ gehandelt, „die was starten wollten“.

Einer der Hauptzeugen tritt auf, das 21-jährige Prügelopfer aus dem SM-Studio. Er hat nach seiner Qual in der Septembernacht 2011 durch ein Toilettenfenster aufs Dach gelangen und flüchten können. Dem Gericht erzählte er nun, während im Publikum viele junge Männer mit rasierten Schädeln zuhören, er habe sich nur Tage nach der Tortur mit dem Angeklagten „ganz normal versöhnt“. Seine Wunden, sagt er, seien lediglich „ein paar blaue Flecken“ gewesen. Das Gericht wirft daraufhin Lichtbilder der Verletzungen auf die Leinwand, die der 21-Jährige zehn Tage nach den Schlägen selber von einer Bekannten hatte machen lassen. Zu sehen ist darauf blutige, vielfach geplatzte Haut. Der Prozess wird fortgesetzt.