Binnen kurzer Zeit ist „Black Panther“ in Afrika zum Kultfilm geworden und spielt Rekordergebnisse ein. Ob in Malawi oder Kenia: Alle sind stolz auf den schwarzen Superhelden. Da kann sich Donald Trump in seinem weißen Haus warm anziehen...

Johannesburg - Einen ähnlichen Hype hat es in Afrika seit der Wahl Barack Obamas nicht mehr gegeben. Kenianer ziehen sich ihren traditionellen Sonntagsstaat an und gehen am Montag ins Kino: Nur um festzustellen, dass das Cinema längst ausgebucht ist. Im südafrikanischen Johannesburg ist für „Black Panther“ vier Tage lang kein Sitz im Kino zu kriegen: Und das mitten in der Strukturkrise der hiesigen Lichtspielhäuser, die die Reservierung von Platzkarten längst obsolet gemacht hat. Doch die „Black Panther“-Premiere ist alles andere als ein gewöhnliches Kino-Ereignis: Sie ist die Feier eines über Jahrhunderte geschundenen Selbstbewusstseins, das sich allmählich – aber energisch – regeneriert. Der kollektiven afrikanischen Identität wurde Zugang zum kommerziellen kulturellen Olymp der westlich-weißen Überlegenheit gewährt: Aschenputtel ist zur Schlossbewohnerin Rapunzel geworden.

 

Schon nach wenigen Tagen ist „Black Panther“ in Afrika zum Kultfilm geworden. In den sozialen Netzwerken werden Bilder von strahlenden Kinogängern ausgetauscht, die in ihren afrikanischen Outfits vor dem Filmplakat posieren: „Ich habe mich noch nie so stolz gefühlt“, schreibt eine Nigerianerin auf Twitter. Zeitungen in Nairobi, Lagos oder Johannesburg drohen von euphorischen Besprechungen des Marvel-Films zu bersten: „Marvellous“ (fabelhaft) entfährt es einem wortspielerischen Kritiker. Ein findiger Netzwerker beschreibt, wo man den Film in Malawi umsonst im Schaufenster eines Elektronikhändlers sehen kann. Und eine gewisse Nesharenai klagt, sie habe ihr benutztes Ticket verloren: „Dabei wollte ich es doch laminieren!“ Wakanda forever.

Die Shitholes entlarven sich als technologisch überlegene Nationen

Die afrikanische Euphorie hat gute Gründe. Erstmals seit der Geburt des Schwarzen Panthers als Comicfigur vor mehr als einem halben Jahrhundert hat Disney den Mut aufgebracht, den dunkelhäutigen Supermann zur Hauptfigur eines ganzen Heroen-Epos zu machen. Und nicht nur dass: Marvel hat mit Ryan Coogler erstmals einen afro-amerikanischen Regisseur beauftragt; bei der Ausstattung der Protagonisten bediente sich Kostümbildnerin Ruth Carter des derzeit in Afrika trendigen Afro-Futurismus; ein beachtlicher Teil der Besetzung stammt wie Lupita Nyong’o oder John Kani tatsächlich aus dem Mutter-Kontinent; der Fantasiestaat Wakanda wird ausnahmsweise nicht als afrikanisches „Shithole“, sondern als technologisch überlegene Nation porträtiert; und schließlich darf König T’Chaka sogar kurz in einer afrikanischen Sprache, nämlich Xhosa, sprechen – auch das ein Tabu bei bisherigen Tinseltown-Produktionen.

Endlich nicht mehr in der ewigen Nebenrolle

Afrikanische Zuschauer, die es gewöhnt sind, sich im Kino mit dunkelhäutigen Bösewichten oder armseligen Nebendarstellern identifizieren zu müssen, fühlen sich plötzlich im Zentrum des heldenhaften Geschehens. In südafrikanischen Kinos wird lauthals gelacht, ausgelassene Kommentare werden abgeben und am Ende des Films sogar in den Gängen getanzt. Wenn sich Prinzessin Shuri mit den Worten „Schon wieder ein weißer Junge, den wir zusammenflicken müssen“ an die Behandlung eines CIA-Agenten macht, schütteln sich die überwiegend dunkelhäutigen Zuschauer vor Lachen: Zu komisch die Vertauschung der Rollen. „Jag’ mir keine Angst ein, Kolonialist“, stichelt Shuri an anderer Stelle – Schauspielerin Letitia Wright sei „fast so großartig, wie mit den beiden Obama-Töchtern in einer Chat-Gruppe zu sein“, schwelgt „Vulture“-Kolumnist Hunter Harris. Überhaupt ist die Schwester T’Challas der heimliche Star des dreidimensionalen Epos: Als geniale schwarze Hitech-Tüftlerin stellt sie gleich drei Klischees auf einmal auf den Kopf.

Disney hat seinem Experiment offenbar selbst nicht richtig vertraut: Keiner der weißen Chefproduzenten rechnete mit dem gigantischen Einspielerfolg des Schwarzen Panthers. Was sie dem Vernehmen nach am meisten überraschte: Dass das unkonventionelle Epos auch im Ausland Rekorde einspielt – jenseits seiner Zielgruppe, den Afro-Amerikanern. In Hollywood denkt man jetzt selbstverständlich schon über Folgen des Kassenschlagers nach, und in Afrika wird der kinematografische Meilenstein nach Auffassung von Kritikern für lange Zeit die Filmszene prägen. „Black Panther“ ist allerdings mehr als nur der Anfang eines kinogeschichtlichen Trends: Er ist das mitreißende Manifest einer Menschengruppe, die sich ihre Würde zurück erobert.