Industriebetriebe, Restaurants und Dienstleister haben durch den Blackout am Mittwoch Einbußen erlitten. Bei der Firma Metabo liegt er wohl im sechsstelligen Bereich. Die Stadtwerke wollen Schadensersatzansprüche prüfen lassen.

Nürtingen - Zwei Tage nach dem Stromausfall in Nürtingen ist Volkmar Klaußer, der Geschäftsführer der Stadtwerke Nürtingen (SWN), weitaus entspannter. Am Tag des knapp dreistündigen Blackouts hatte er noch von einem „Super-Gau“ gesprochen. „Das habe ich in dem Moment so empfunden, als die ganze Stadt ohne Strom war“, sagt er, fügt aber an: „Im Vergleich zu einem tatsächlichen Super-Gau wie Fukushima ist das natürlich lächerlich.“ Wie berichtet, ist die Ursache – eine Explosion in einem Schaltkasten – inzwischen behoben. Jetzt geht es indes an die Aufarbeitung der Folgen des Ausfalls, von dem am Mittwoch von 13 Uhr an rund 23 000 Privathaushalte betroffen waren, der Ampeln ausschaltete sowie Betriebe und Gaststätten vorübergehend lahmlegte.

 

Spätschicht bei Werkzeughersteller fällt komplett aus

In der Nürtinger Maschinenfabrik Heller sind durch den Stromausfall nach ersten Erkenntnissen „keine größeren Schäden entstanden“, sagt der Marketingleiter Marcus Kurringer. Möglicherweise seien einzelne, in den Maschinen eingespannte Werkstücke durch den abrupten Stopp beschädigt. Zwar sei die elektrische Versorgung nur für knapp drei Stunden ausgeblieben. Doch das habe sich auf den gesamten Mittwoch ausgewirkt, „erst ab Donnerstag ist der Betrieb wieder normal gelaufen“, sagt Marcus Kurringer.

Der Elektrowerkzeughersteller Metabo hat indessen durchaus finanzielle Schäden zu beklagen. Die Höhe sei zum jetzigen Zeitpunkt zwar noch nicht genau zu beziffern, sagt der Personalleiter Wolfgang Hertel, aber er rechne in jedem Fall „mit einer sechsstelligen Summe“. Denn am Mittwoch sei die Spätschicht komplett und die Frühschicht eine Stunde lang ausgefallen. Die Arbeiter müssten bezahlt werden, ohne dass das Unternehmen eine Leistung erhalten habe. Möglicherweise hätten durch den Produktionsausfall auch Kunden nicht rechtzeitig beliefert werden können, erklärt Hertel.

Stadtwerke lehnen Verantwortung ab

Wer letztlich für die durch den Stromausfall entstandenen und geltend gemachten Schäden aufkommt, kann der Stadtwerkechef Volkmar Klaußer nicht genau sagen. Die SWN treffe in diesem Fall keine Schuld, bei der Detonation habe es sich um „ein technisches Versagen“ gehandelt. Würden Schadenersatzansprüche gestellt, „werden wir das an unsere Versicherung zur Prüfung weiterleiten“, sagt Klaußer.

Er ist heilfroh, dass keine Menschen zu Schaden gekommen sind. Auch nicht im Schaltraum der SWN, wo es zu der Explosion gekommen war. Dort habe man allerdings zunächst von dem Austritt gefährlicher Dämpfe ausgehen müssen, weshalb erst nach mehreren Messungen Entwarnung gegeben werden konnte. Diese Vorsichtsmaßnahme sei „richtig gewesen, um keine Menschen zu gefährden“, sagt Klaußer. Aber dadurch habe sich auch der Zeitpunkt verzögert, zu dem man den Strom wieder habe einschalten können.

Rostbraten-Freunde müssen auf Salat ausweichen

„Le Rostbraten“ ist eine der Spezialitäten bei Belsers in Nürtingen. Doch zum Mittagessen am Mittwoch mussten Gäste auf diesen Leckerbissen wie auch auf andere warme Spezialitäten des von Gault Millau ausgezeichneten Restaurants wegen des Stromausfalls verzichten. Zum Glück war an diesem Tag nicht so viel Betrieb. „Wäre das Restaurant voll gewesen, hätte ich ein Riesenproblem gehabt“, sagt der Restaurant- und Küchenchef Christer Belser. Die anwesenden Gäste hat er mit kalten Speisen wie Salaten versorgt. Ein wirtschaftlicher Schaden ist Belser entstanden, allerdings kann er ihn nicht genau beziffern. Klar sei, dass ihm wegen des Ausfalls des Telefons und des Internets Reservierungen für den Abend durch die Lappen gegangen seien. Auch die Vorbereitungen des Küchenteams für den Abend waren am Mittwoch behindert. Die im Restaurant gelagerten Lebensmittel sind indessen nicht kaputt gegangen. „Wir verfügen über eine neue, moderne Kühltechnik“, berichtet Christer Belser. „Die Kühlkette ist nicht unterbrochen gewesen.“

Auf Kälte wie auch auf Hitze angewiesen ist auch das Eiscafé L’azza in der Nürtinger Innenstadt. Dessen Inhaber Vincenzo Scarvaglieri musste den Verkauf seiner Eisspezialitäten nicht einstellen. „In drei Stunden wird das Eis noch nicht weich“, erklärt der Italiener. Wer an diesem Tag Pizza essen wollte, hatte allerdings Pech gehabt oder musste sich bis zum Abend gedulden.

Bücherei notiert Büchernummern von Hand

Zahlreiche Geschäfte in Nürtingen mussten etwa wegen nicht funktionierender Kassen für den Rest des Nachmittags dicht machen. Nicht stattfinden konnte beispielsweise auch eine in der Stadthalle geplante Personalversammlung des Betriebsrats der Kreissparkasse. Weil es im gemieteten Saal keinen Strom gab, durften die Mitarbeiter diesen nicht betreten und mussten um 14.30 Uhr unverrichteter Dinge wieder gehen.

Nicht fortschicken musste Inge Hertlein große und kleine Leser. Die Leiterin der Stadtbücherei und ihr Team konnten die Besucher auch ohne Strom mit Lesestoff und anderen Medien eindecken. Die Mitarbeiterinnen vermochten die Ausweis- und Mediennummern zwar nicht, wie gewohnt, per Funkerkennung zu erfassen. Dafür notierten sie notgedrungen die Nummern wie in früheren Zeiten von Hand. Medien konnten auch zurückgegeben werden. Ein EDV-Bauteil der Bücherei ist defekt, ob dies eine direkte Folge des Blackouts war, ist aber unklar.

Gebiss ist in Keramikofen gefangen

Auf rund 6000 Euro beziffert der Chef des Dentallabors F.A.T., Wolfgang Gruschka, seine durch den Stromausfall entstandenen Einbußen. Das Labor hatte gerade eine Brücke zum Brennen im Keramikofen. Dieser war 950 Grad heiß, als der Strom plötzlich ausfiel. Das Gerät ließ sich nicht mehr öffnen, und das Gebiss war in dem Ofen gefangen – so als wenn Personen in einem Aufzug feststeckten. Die Brücke war nach der langen Zeit im Ofen nicht mehr zu verwenden. Materialkosten und verlorene Arbeitszeit summieren sich schließlich auf insgesamt rund 6000 Euro an diesem Tag.

Eine Stunde ohne Strom kann Millionen kosten

Häufigkeit
Die Zahl der Stromausfälle in Deutschland ist rückläufig. Im Jahr 2015 fiel laut einer Statistik bei jedem Endkunden durchschnittlich für 12,7 Minuten der Strom aus. Im Jahr 2007 waren es noch 35 Minuten gewesen. Damit verfügt Deutschland gemeinsam mit der Schweiz und Luxemburg über die sicherste Versorgung in Europa. Zum Vergleich: In Slowenien saßen die Stromkunden 2014 für durchschnittlich 908 Minuten im Dunkeln.

Blackout
Der letzte große Blackout in Deutschland traf im November 2012 die Stadt München. Von dem um 7 Uhr morgens einsetzenden Stromausfall wegen einer defekten Freilandleitung waren 450 000 Haushalte rund eine Stunde lang betroffen.  Im Kreis Göppingen waren am 8. November 2016 die Kommunen Donzdorf, Süßen und Salach nach einem Defekt in einem Umspannwerk von der Elektrizitätsversorgung abgeschnitten.

Schaden
Der volkswirtschaftliche Schaden eines etwa einstündigen Stromausfalls wie in München liegt laut der Berechnung des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts bei rund sieben Millionen Euro