Die Posaunen- und Sängerchöre bilden von jeher das Fundament des evangelischen Kirchentags – auch in Stuttgart. Bei Konzerten wie im Innenhof des Alten Schlosses bescheren Hunderte von Bläsern außergewöhnliche Klangerlebnisse.
Stuttgart - Ohne die Laienmusiker käme der Evangelische Kirchentag einer fünftägigen Podiumsdebatte samt Bibelarbeit gleich. Mehr als 3500 Bläser und 2100 Sänger aus 500 Chören geben momentan in Stuttgart den Ton an. Speziell die Posaunenchöre waren schon immer da. Sie sind vom Kirchentag nicht wegzudenken – gleichgültig, welcher Zeitgeist gerade über die Kirche hinweg weht.
Blechbläser sind flexibel: Sie spielen auf den Bühnen und in der Fußgängerzone, in Kirchen, Konzertsälen und Zelten, in Seniorenheimen oder irgendwo am Wegesrand nahe der Mercedes-Benz-Arena. Und im Alten Schloss, wo Donnerstag- und Freitagabend „Starkes Blech“ inmitten der altehrwürdigen Mauern erschallte. Was auch immer die Kriegstrompeten von Jericho damals tatsächlich bewirkt haben – das Konzert im Arkadenhof des Renaissanceschlosses zählt zu den eindrücklichsten Hörerfahrungen beim Kirchentag.
20 Ensembles aus dem Kirchenkreis sind beteiligt. Das gibt es sonst nirgends: dass der Sound derart verdichtet aus 230 Trompeten, Hörnern und Posaunen von drei Seiten auf die Zuhörer niederprasselt – „wie warmer Regen“, ringt selbst der Dirigent Hans Holzwarth um Worte. Hier sei das Plenum das Größte, nicht die Spezialistentruppe, sagt der hauptamtliche Musikreferent der Evangelischen Jugend Stuttgart. „Ein High-Erlebnis“ für viele, die schon mal zugehört haben und immer wieder kommen. „Wir setzen auf den Klang, das hat was Hochspirituelles – es ist eine Art Gotteserfahrung“, sagt er noch euphorisiert von der ersten Aufführung. „Ich habe mich in den Ort verliebt.“
1999, in der Vorbereitung des dritten Stuttgarter Kirchentags, hatte Holzwarth zufällig erfahren, dass das Alte Schloss noch nicht bespielt werde. Also ging er das Projekt an. Seither gibt es das Konzert alle zwei Jahre. Doch es bleibt ein Wagnis für den Dirigenten, 230 Bläser auf zwei Galerien über die große Entfernung beisammen zu halten. Wenn nicht jeder voll dabei sei, könne er auch nichts mehr machen, sagt der 64-Jährige mit Verweis auf die wenigen gemeinsamen Proben. Das Konzert sei „eine Grenzüberschreitung für Laienposaunenchöre“, doch „der Raum beflügelt“. Wohl wahr: Der zweite Abend gelingt noch besser als der erste.
Ärger über das Amt für öffentliche Ordnung
Holzwarth hat schon unzählige Werke für Bläser arrangiert – für den Kirchentag zum Beispiel das Finale aus Mahlers dritter Sinfonie. Der opulente Hymnus scheint wie geschaffen für diese Akustik. Das Publikum jubelt schon bei der Probe. Bereits mit ihrem Fankreis könnten die Bläser leicht den Innenhof füllen. Doch das bleibt ihnen zunächst verwehrt. Das Amt für öffentliche Ordnung hat die Zahl der Zuhörer auf 500 begrenzt, sodass selbst Angehörige und Hunderte von Kirchentagsbesuchern am Donnerstagabend nicht hereingelassen werden und draußen warten müssen. Erst Stunden zuvor haben die Organisatoren von der Beschränkung erfahren. Somit sind Bezirksposaunenwart Manfred Deyhle und Rudolf Frank wie auch Holzwarth mächtig sauer auf die Stadt. Beim Weindorf oder Weihnachtsmarkt würden doch auch 1000 Besucher in den Innenhof kommen, sagen sie. Dieses Missverhältnis lassen sie nicht auf sich beruhen. Nach einem Anruf beim Ordnungsamt dürfen am zweiten Abend gut 700 Gäste hinein. Aber auch da gilt schon 40 Minuten vor Beginn ein Einlassstopp.