Allan Simonsen blamiert sich in der dänischen Version von „Let’s dance“ als Tänzer – doch die Fans halten zu ihrem Fußballidol.

Als Sportler waren sie beide Lieblinge in ihrer Heimat und Stars weltweit, jetzt, im fortgeschrittenen Alter, blamieren sie sich vor laufenden Kameras. Das ist aber auch das einzige, was Boris Becker mit dem dänischen Fußball-Idol Allan Simonsen gemeinsam hat. Denn während die deutschen Medien die Häme kübelweise über den 45-jährigen Becker vergießen, steigt Simonsens Beliebtheit in Dänemark mit jedem Fehltritt, den der 60-Jährige auf dem Tanzparkett hinlegt. Woche für Woche verdammen die Juroren von „Vild med dans“ („Wild nach Tanz“) die hüftsteifen Schritte des einst so geschmeidigen Kickers mit den schlechtesten Noten, die es im zehnjährigen Bestehen der dänischen Version der „Let´s dance“-Show gegeben hat. Und Woche für Woche sichern die Zuschauer mit ihren SMS-Stimmen dem Antihelden und seiner bedauernswerten Profipartnerin das Weiterkommen.

 

Aber Simonsen war ja auch während und nach seiner Karriere das Gegenstück zu Boris Becker: erst ein bescheidener junger Mann ohne Allüren, und auch später nie einer, der sein Privatleben zur öffentlichen Beschau ausstellte. Als er 17 war, holte die Trainerlegende Hennes Weisweiler den hochbegabten Jüngling nach Mönchengladbach, schund ihn im Training und ließ ihn 18 Monate lang auf der Ersatzbank schmoren. Dann war das Sternchen zum Juwel gereift. Mit der Borussia gewann der „Spatz aus Vejle“, wie ihn die Dänen wegen seiner Körpergröße und seinem Geburtsort nannten, drei Meistertitel, zwei Uefa-Pokale und schoss im (verlorenen) Meistercup-Finale 1977 gegen den FC Liverpool eines der schönsten Tore der Fußballgeschichte. Das brachte ihm als bislang einzigem Skandinavier den Titel „Europas Fußballer des Jahres“ ein. Später spielte er mit Diego Maradona und Bernd Schuster in Barcelona, wo er im Vorort Sitges bis heute seine Bleibe hat.

Mit zerfurchtem Gesicht tanzt er dem Rhythmus hinterher

Für die Dänen aber ist er untrennbar mit dem Elfmetertor im Londoner Wembley-Stadion verbunden, mit dem er sein Nationalteam gegen die hoch favorisierten Engländer zur EM 1984 nach Frankreich schoss – der ersten großen Endrunde für das dänische Team. Dort allerdings erlitt er im Eröffnungsspiel gegen die Gastgeber einen Schienbeinbruch, und wenn er nach der Genesung seine Karriere auch fortsetzte, wurde er nie wieder der Alte. Beim Höhenflug von „Danish Dynamite“ spielte er keine Rolle mehr.

Als Trainer buk er als Nationalcoach der Färöer und Luxemburgs kleinere Brötchen, für eine Rolle als TV-Kommentator fehlte ihm die Eloquenz, und so hielt er sich abseits der Scheinwerferlichter – ehe er als Tänzer auf die Bühne zurückkehrte. Da walzt er nun mit zerfurchtem Gesicht und offenem Hemd hinter dem Rhythmus her, tanzt steifbeinig Samba und lässt beim Cha-Cha-Cha den Antritt vermissen, der ihn einst auszeichnete, sodass die Richter Tiefstnoten ziehen. Doch die Fans vor dem Fernseher rufen vor ihrem inneren Auge die elegante Hüftfinte ab, mit der Simonsen einst den englischen Keeper Peter Shilton in die falsche Ecke schickte, und schenken ihm ihre SMS-Voten.

Wie soll man sich mit 60 noch demontieren lassen?

Eine Facebook-Gruppe „Wild nach Allan“ hat sich das Ziel gesetzt, dem einstigen Idol den Gesamtsieg zu sichern, was nun zu erhitzten Debatten führt. Denn die Konkurrenten sind es satt, dass alle Aufmerksamkeit auf dem schlechtesten Tänzer ruht, das Urteil der Juroren ist vernichtend, und diejenigen, die die Show ernst nehmen, klagen, dass er deren „Integrität“ zerstöre. Doch die große Mehrheit der Dänen drückt dem gefallenen Helden die Daumen, nach dem Motto: „Je mehr ihr unseren Allan demütigt, desto mehr stimmen wir für ihn“.

Ob er sich nicht demontieren lasse, wurde Simonsen gefragt. „Ich bin 60. Was soll man da noch demontieren?“, lautete seine Antwort – und auch die Weisheit, die in dieser Erkenntnis liegt, unterscheidet ihn von Becker.