Seit Wochen breitet sich die Blauzungenkrankheit im Land aus. Nun will der Minister Peter Hauk die Tierseuche, die vor allem Rinder und Schafe befällt, mit einer groß angelegten Impfaktion bekämpfen. Doch nicht alle Landwirte sind begeistert.

Markgröningen - Nummer 269 glotzt etwas skeptisch, als sich Nina Siegmund mit zwei pinkfarbenen großen Spritzen in Händen nähert. Doch als die Tierärztin die Nadeln in den braun-weiß-gefleckten Kuhhals sticht, reagiert Nummer 269 kaum. Nach wenigen Sekunden ist die Prozedur vorbei – und das Tier geschützt vor der ansteckenden Blauzungenkrankheit.

 

Mit der Veterinärin Siegmund ist am Montag gleich ein ganzer Trupp von Experten, Politikern und Journalisten in den Stall von Erwin Bäßler nach Markgröningen gekommen. Denn der Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) hatte zum Auftakt seiner Impfkampagne gegen die Blauzungenkrankheit eingeladen.

Inzwischen sind 30 Fälle im Land bekannt

In den kommenden Wochen, so der Wunsch des Ministers, sollen so viele Kühe, Schafe und Ziegen wie möglich im Land gegen das Virus geimpft werden. Der Grund: Im Dezember ist die Seuche zum ersten Mal seit neun Jahren wieder bei einem Betrieb in Deutschland nachgewiesen worden, auf einem Hof im Kreis Rastatt. Seither gab es laut dem Ministerium 29 weitere Fälle, darunter einen in einer Schafzucht. Betroffen ist bislang vor allem der Süden des Landes, zum Beispiel die Landkreise Breisgau-Hochschwarzwald, Lörrach und Waldshut. In der Region Stuttgart ist noch kein Tier mit der Blauzungenkrankheit infiziert, doch die Ansteckungsgefahr ist hoch. Übertragen wird das Virus von Gnitzen, winzigen Stechmücken. Einmal infiziert, bekommen die Tiere nicht nur die namensgebende blaue Zunge, sondern auch Fieber und Schwellungen. Bei schwerem Verlauf kann die Krankheit für Ziegen und Schafe tödlich enden.

Für Menschen ist das Virus nicht gefährlich, da sie sich nicht anstecken können. Auch beim Verzehr von Fleisch und Milch bestehe kein Grund zur Sorge, versichert das Ministerium. Damit sich die Seuche nicht weiter ausbreitet, empfehle er aber „dringend“ die Impfung, meint Hauk.

Für Viehzüchter ist die Sperrzone ein Problem

Problematisch ist die Blauzungenkrankheit, abgekürzt BTV, vor allem für Landwirte wie Erwin Bäßler. Auf seinem Aussiedlerhof hat er 90 Milchkühe, mehr als 700 000 Liter Milch geben sie pro Jahr. Der Hauptgrund für den Impfschutz sei seine Fleckvieh-Zucht, erklärt Bäßler. „Vor allem beim Verkauf ist die Impfung wichtig.“ Denn mit dem Ausbruch der Seuche Mitte Dezember wurde ganz Baden-Württemberg zum Sperrgebiet erklärt. Rinder, Schafe und Ziegen dürfen bis auf wenige Ausnahmen nur noch nach außerhalb verkauft werden, wenn sie geimpft sind. Zwei Jahre lang muss dieses Sperrgebiet mindestens aufrecht erhalten werden. Bäßler hat sich daher schon länger entschieden, seine Tiere impfen zu lassen. „Krank bringen mir meine Kühe nichts“, sagt er.

Eine Impfpflicht gibt es nicht

Trotz des eindringlichen Appells des Ministers: Eine Impfpflicht besteht nicht. Dafür sei nicht genügend Impfstoff vorhanden, erklärt Hauk. Zudem werde die Krankheit aus dem benachbarten Ausland ins Land eingeschleppt, und da dort keine Pflicht bestehe, sei sie auch hierzulande nicht sinnvoll. Manche Landwirte sehen die Immunisierung generell kritisch und bemängeln deren Nebenwirkungen.

Geimpft werden die Kühe von Erwin Bäßler mit gleich zwei Stoffen, denn zwei Erreger können die Krankheit auslösen: BTV-4 und BTV-8. Nur der Typ BTV-8 wurde seit Dezember im Land nachgewiesen. Doch da vor allem in der Schweiz und in Frankreich BTV-4-Ausbrüche bekannt sind, sei die Wahrscheinlichkeit, dass auch dieser Typ nach Deutschland komme, „sehr hoch“, meint der Minister. Ein kombinierter Impfstoff gegen beide Erreger ist derzeit noch nicht verfügbar.

Die Krankheit und der Schutz

Quote
Derzeit liegt die Rate der geimpften Rinder im Land bei rund 25 Prozent. Bei Milchkühen ist sie höher, hier ist etwa die Hälfte der Tiere geimpft. Seit dem Ausbruch der Seuche im Dezember hat die Impfbereitschaft stark zugenommen. Für eine Grundimmunisierung sind zwei Spritzen im Abstand von rund vier Wochen nötig.

Ausbruch
2009 brach die Blauzungenkrankheit zuletzt in Deutschland aus und konnte durch Impfungen gut bekämpft werden: 2012 erklärte sich Deutschland für BTV-frei. Seit 2015 gab es Ausbrüche in Frankreich, Österreich, in der Schweiz und Italien.

Kosten
Das Land und die Tierseuchenkasse beteiligen sich an den Impfkosten, die auf die Landwirte zukommen.