Blick in das BSW Wer sind die Wagenknechte?

Vorsitzende und Gründerin der jüngsten Partei Deutschlands: Sahra Wagenknecht. Foto: dpa/Jonathan Penschek

Die frühere Linke Sahra Wagenknecht pflügt mit ihrem neuen Bündnis BSW die Parteienlandschaft um. Nach den Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern hat sie vielleicht Regierungschancen. Ein Blick hinter die Kulissen der neuen Partei.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Vernunft und Gerechtigkeit – hinter diesen beiden Schlagworten versammelt sich die jüngste Partei Deutschlands: das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Über die Neopartei ist wenig mehr als der Name ihrer Vorsitzenden und Gründerin bekannt sowie ihr Überraschungserfolg bei der Europawahl im Juni, wo sie auf Anhieb 6,2 Prozent der Stimmen gewonnen hat. Was steckt hinter dem Bündnis?

 

Wie viele Mitglieder hat das BSW?

Bei der Gründung Anfang des Jahres zählte die Partei 430 Mitglieder. Seitdem sind 250 neue Mitglieder hinzugekommen. Es könnten schon viel mehr sein, aber das Bündnis nimmt nicht jeden Interessenten. „Wir wollen langsam und kontrolliert wachsen, um das Projekt nicht zu gefährden“, heißt es offiziell. Die Wochenzeitung „Zeit“ berichtete unlängst über „tausende Aufnahmeanträge“. Jeder einzelne Kandidat werde aber eingehend geprüft und danach zu einem persönlichen Gespräch eingeladen, bevor der jeweilige Landesvorstand über die Aufnahme entscheidet.

Daneben gibt es noch Unterstützer und Förderer. Förderer wird man mit einer monatlichen Dauerspende von mindestens einem Euro. Unterstützer sollen bei Veranstaltungen, beim Aufbau der Partei-Organisation und in den Wahlkämpfen mithelfen.

Wie finanziert sich die neue Partei?

Das Bündnis kam schon in den ersten Monaten seiner Existenz in den Genuss beträchtlicher Großspenden. Die müssen laut Parteiengesetz ab 35 000 Euro bei der Bundestagsverwaltung gemeldet und sofort veröffentlicht werden. Noch im Januar spendete der Unternehmer Thomas Stanger aus Mecklenburg-Vorpommern 990 000 Euro an die neue Partei. Stanger lebt seit 20 Jahren an der Ostseeküste bei Wismar. Er verdient sein Geld in der Hightech-Branche. Nach Auskunft seiner Frau Lotte Salingré gegenüber der Berliner Zeitung „Tagesspiegel“ war die „Friedenspolitik“ des Bündnisses ausschlaggebend für die Spende. Im März schoss das Unternehmerpaar weitere 4,09 Millionen Euro nach. Aus Karlsruhe, vom dortigen BSW-Verband, floss zudem eine Spende von gut 80 000 Euro zur Bundespartei.

Das BSW kann außerdem mit Zuschüssen aus der staatlichen Parteienfinanzierung rechnen. Allein die 2,456 Millionen Stimmen bei der Europawahl (fast so viele wie die CSU) sind jeweils einen Euro wert. Jede Stimme bei den anstehenden drei Landtagswahlen wird vom Bund ebenfalls mit einem Euro vergütet. Bei einer Wahlbeteiligung auf dem Niveau von 2019 hat das BSW auf der Basis der aktuellen Umfragen 500 000 bis 700 000 Euro an Wahlkampfkostenerstattung zu erwarten.

Wie sind die weiteren Wahlchancen?

Auf Bundesebene liegt das Bündnis nach aktuellen Umfragen zwischen sechs und neun Prozent. In den drei ostdeutschen Bundesländern, wo im September neue Landtage gewählt werden, liegen die Umfragewerte deutlich höher: in Brandenburg zwischen zehn und 13 Prozent, in Sachsen um die 15 Prozent und in Thüringen 20 bis 21 Prozent nach Zahlen von Infrastest dimap und Insa von Ende Juni.

Bei der Europawahl am 10. Juni hatte das Bündnis in den neuen Ländern Ergebnisse zwischen 12,6 (Sachsen) und 16,4 Prozent (Mecklenburg-Vorpommern) erzielt. Bei den Kommunalwahlen erreichte das BSW in Sachsen landesweit 8,5 Prozent der Stimmen, in einigen Kommunen aber deutlich mehr: In Chemnitz kam die neue Partei auf 15 Prozent, im Vogtland auf 13,2 Prozent, in Görlitz auf 10,4 und in der Sächsischen Schweiz auf 11,4 Prozent.

Welche Ziele verfolgt das BSW?

Bisher gibt es nur ein sehr kompaktes Parteiprogramm, das nicht mehr als vier Seiten umfasst (zum Vergleich: das der CDU hat 82, das der Grünen 136 Seiten). Das Programm enthält vor allem Kritik an den herrschenden Zuständen und nur sehr punktuell konkrete Vorschläge für eine andere Politik.

Grundsätzlich macht sich das Bündnis für „eine innovative Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit, Frieden und fairen Handel, Respekt vor der individuellen Freiheit und eine offene Diskussionskultur“ stark. Im Detail werden ein „gerechtes Steuersystem“ gefordert, zudem will das BSW die „Marktmacht“ großer Unternehmen begrenzen und „marktbeherrschende Konzerne entflechten“. Es setzt sich zudem für „massive Investitionen in unser Bildungssystem, unsere öffentliche Infrastruktur und in effektive Verwaltung“ ein.

Wagenknechts Partei fordert, dass die Zuwanderung „auf eine Größenordnung begrenzt bleibt, die unser Land und seine Infrastruktur nicht überfordert“. Migration sei „nicht die Lösung für das Problem der Armut auf unserer Welt“. Das BSW bekennt sich zu einer Außenpolitik „in der Tradition des Bundeskanzlers Willy Brandt“. Es lehnt „die Lösung von Konflikten mit militärischen Mitteln grundsätzlich ab“, will keine deutschen Soldaten im Ausland einsetzen und stellt die Nato in Frage.

CDU-Chef Friedrich Merz hat das Wagenknecht-Bündnis als eine Art Zwitterpartei beschrieben: „Sie ist in einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem.“ Die Programmatik, ohnehin bisher vage, spielt am Ende gar nicht die entscheidende Rolle. Für den Berliner Politikberater Johannes Hillje kennzeichnet das BSW eine „Hyperpersonalisierung“. Das Charisma der Gründerin sei der eigentliche Markenkern. Hillje nennt das Bündnis deshalb eine „Personality-Partei“.

Auch hinter Wagenknecht treten für das BSW durchaus illustre Figuren an. In Thüringen kandidiert auf Platz eins der Landesliste Katja Wolf (48), von 1999 bis 2012 für die Linke im Landtag, 2012 bis 2024 Oberbürgermeisterin von Eisenach. In Brandenburg ist der 61-jährige Arbeitsrichter Robert Crumbach Spitzenkandidat, zuvor SPD-Mitglied, in Sachsen die Gewerkschafterin Sabine Zimmermann (63), die 2005 bis 2021 für die Linke im Bundestag saß.

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