Zita Funkenhauser zählte in den 1980er-Jahren zur internationalen Fechtelite. Heute ist sie Mutter von zwei Töchtern und Zahnärztin – und noch immer nahe an ihrem Sport.

Region: Verena Mayer (ena)

Tauberbischofsheim - Auf der Bahn ganz links außen kämpft ein Mädchen. Weißer Anzug, dunkle Maske, in der Hand ein Florett. Das Mädchen ist gut. Seine Mutter steht so weit von der Kampfbahn entfernt, dass sie für das Kind unsichtbar ist. Damit es „die Wellen“ nicht spüre, die es vielleicht nervös machen könnten, sagt die Mutter Zita Funkenhauser.

 

Weltweit gibt es keine bedeutende Planche, auf der Zita Funkenhauser nicht gefochten hat. Von den größten Titeln hat sie fast alle geholt. Trotzdem ist sie unglaublich aufgeregt, wenn sie ihrer 16-jährigen Leandra zusieht.

Zita Funkenhauser ist 18, als sie weltbekannt wird. Mit dem deutschen Damenflorettteam gewinnt sie 1984 bei den Olympischen Spielen in Los Angeles die Goldmedaille. Mit ihren jeweils zwei Siegen im Halbfinale gegen Italien und im Endkampf gegen Rumänien ebnete sie der Mannschaft den Weg zum Erfolg. Ein paar Wochen später wird das, wie die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt, „Nesthäkchen des Fechtsports“ zur Juniorsportlerin des Jahres gekürt.

Die größten Erfolge

Auf dem Bild, das sich ins kollektive Gedächtnis der Nation einbrennt, ist Zita Funkenhauser 22. Sie steht mit Anja Fichtel und Sabine Bau auf der Olympischen Siegertreppe in Seoul. Die drei Frauen liegen sich in den Armen und freuen sich weinend und lachend über ihr gemeinsames Mannschaftsgold – und über ihre drei Medaillen aus den Einzelkämpfen (Gold für Fichtel, Silber für Bau, Bronze für Funkenhauser).

1996 beendet Zita Funkenhauser ihre Karriere. Zu diesem Zeitpunkt ist sie schwanger mit Zwillingen und promovierte Zahnärztin, die eine Praxis eröffnen will. Als sie aufhört, Leistungssportlerin zu sein, spürt sie Erleichterung: nicht mehr der ständige Erfolgsdruck.

Heute ist Zita Funkenhauser 46 und sagt: „Ohne den Sport wäre mein Leben nicht so positiv verlaufen.“ Ohne den Sport hätte sie nicht gelernt, ihre Termine perfekt zu takten. Sie könnte ihre Freizeit nicht so bewusst genießen. Und sie hätte in schwierigen Momenten vielleicht früher aufgegeben. Vor allem aber wäre Zita Funkenhauser ohne den Sport wohl nicht so schnell in Deutschland angekommen.

Der Rohdiamant aus Rumänien

Die ersten 13 Jahre ihres Lebens verbringt sie im rumänischen Sathmar. Der Ort ist eine Fechthochburg – und Zita begabt, wie sich herausstellt. Sie wird rumänische Jugendmeisterin. 1979 kehrt die Familie dem Ceausescu-Regime den Rücken und siedelt in die deutsche Fechthochburg Tauberbischofsheim über. Der Leiter des Olympiastützpunkts Emil Beck erkennt in der jungen Zita einen Rohdiamanten und beschließt, ihn zu schleifen. Das Mädchen darf aufs vereinseigene Sportinternat. Dort lernt es rasch Deutsch, kann Englisch und Latein nachholen – und jeden Mittag trainieren.

Bald gehört Zita Funkenhauser zu Deutschlands besten Florettfechterinnen. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ beschreibt ihren Stil als „leichtfüßig, fast tänzelnd und zugleich kraftvoll und im entscheidenden Augenblick explosiv“. Die „Süddeutsche Zeitung“ erkennt „eine zielgerichtete Aggressivität und die Neigung zu fast südländischer Exzentrik“. Die „kleine Dunkle“ (Stuttgarter Zeitung), die das R so nett rollt, feiert ihre größten Erfolge im Team. Über ein Jahrzehnt verteilt gewinnt sie mit der Mannschaft außer den Olympiamedaillen, Weltmeisterschaften, Weltcups und Deutsche Meisterschaften. Tauberbischofsheim wird zum Synonym für erfolgreiches Fechten und der Erfinder Emil Beck zum Guru.

Heute weiß man, dass dieser Erfolg nicht von ungefähr kam. Emil Becks Methoden waren brutal. Auch Zita Funkenhauser hat diese dunkle Seite kennengelernt. Aber sie sagt: „Man muss zwei Rollen bewerten.“ In der einen Rolle ist Beck der Macher, der Schaffer, ohne den das Fechten in Deutschland nie so groß geworden wäre – schon gar nicht in dem fränkischen Nest an der Tauber. In der anderen Rolle ist Beck der Imperator, der es als selbstverständlich erachtet, für den Erfolg auch über das Leben anderer zu bestimmen. Über das von Matthias Behr etwa, ebenfalls ehemaliger Weltklassefechter und Zita Funkenhausers Mann. Als die beiden 1993 heiraten, erklärt der sportliche Leiter Behr seinem Chef Beck, dass er von nun an nicht mehr ausschließlich für das Fechtzentrum da sein werde, sondern auch für seine Familie. Seine erste Ehe war auch deshalb gescheitert, weil er kaum zu Hause war.

Psychoterror gegen ihren Ehemann

Das extrem enge Verhältnis der beiden Männer kriegt in diesem Moment einen Knacks, drei Jahre später kommt ein tiefer Riss hinzu. Behr fährt nicht mit zu den Olympischen Spielen nach Atlanta. Die neugeborenen Zwillinge und die geschwächte Mutter sind ihm wichtiger. Zur Strafe erhält Behr weniger Gehalt und wird zur unerwünschten Person bei Führungskonferenzen. 1999 dann der endgültige Bruch: Emil Beck gibt Matthias Behr die Schuld an den anhaltenden Misserfolgen der Tauberbischofsheimer Fechter und fordert ihn auf zu gehen. „Das war Psychoterror“, sagt Zita Funkenhauser, die in dieser Zeit gerne weggezogen wäre. Ihre Schwester Hedwig habe oft vorgeschlagen, zu ihr nach Hamburg zu kommen. Doch die Familie blieb. „Matthias ist viel zu stark mit Fechten und Tauberbischofsheim verwurzelt. Wir waren nicht in der Lage, Abschied zu nehmen.“

Zita Funkenhauser schmeißt ihre Praxis mit sechs Mitarbeitern, hat die Verantwortung für ihre kleinen Töchter und hilft ihrem Mann durch eine Depression, die ihn monatelang gefangen hält. „Der Papa ist müde“, sagt sie zu den Töchtern, die nicht verstehen, warum ihr Vater wieder in seinem verdunkelten Zimmer sitzt.

Inzwischen ist Behr geheilt, seit drei Jahren leitet er den Olympiastützpunkt. Und seine Frau, die überzeugt war, vor lauter Gefechten irgendwann keine Lust mehr auf Fechten zu haben, muss feststellen: „Unser Leben dreht sich zu 70 Prozent um diesen Sport.“ Dass sie auch ein Leben als Medizinerin hat, spielt für die Familie vor allem dann eine Rolle, wenn Zita Funkenhauser als deutsche Mannschaftszahnärztin zu Olympischen Spielen reisen darf.

Olympiasiegerin, Zahnärztin und Familienmanagerin

Zita Funkenhauser hat lange überlegt, ob sie will, dass ihre Töchter auch fechten. Die Aufregung vor den Wettkämpfen, die Höhenflüge, die Tiefschläge – soll sie das den Mädchen zumuten? Und auch sich wieder? Die Mutter beschloss, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Sie liefen dahin, dass Leandra und Greta Behr in der Kadetten-Rangliste des Deutschen Fechterbundes Platz zwei und Platz neun belegen und Zita Funkenhauser ihre Töchter zu den Turnieren begleitet. „Solange sie das wollen“, versichert die Mutter, die selbst kein Florett mehr in die Hand nimmt, weil sie ahnt, dass ihr Körper nicht mehr schnell genug ist. Dafür spielt sie zweimal die Woche Badminton.

Im Tauberbischofsheimer Fechtzentrum kreuzen sich klappernd Klingen, Turnschuhe flitzen quietschend über den Hallenboden, Schweiß steht in der Luft, Fechter schreien und stöhnen. Im Foyer findet ein Empfang für Very Important Persons statt. Es gibt Häppchen und Sekt und jede Menge Loblieder auf die Firma Samsung, die so tolle Handys herstelle – und vor allem: diese Deutschen Meisterschaften sponsert. Zita Funkenhauser zieht ein iPhone des Konkurrenten Apple aus ihrer Handtasche. „Das sollte ich hier wohl besser nicht zeigen“, sagt sie und lächelt. Geht aber nicht anders. Sie muss mit ihrer Tochter simsen. Leandra ist ausgeschieden und hat es nicht ins Finale geschafft. Das Turnier ist für sie gelaufen, jetzt will sie nach Hause. Wer fährt: Die Mama oder der Papa? Der Papa, beschließt die Mama und vereinbart einen Treffpunkt.

Letzte Frage an Zita Funkenhauser: „Würden Sie aus heutiger Sicht etwas anders machen?“ Die Olympiasiegerin, Zahnärztin und Familienmanagerin überlegt: „Würde ich etwas anders machen?“ Sie überlegt weiter. Dann die Antwort: „Nein. Ich weiß ja nicht, ob etwas anderes besser gewesen wäre.“