Beim sogenannten Blitzermarathon setzt die Polizei weniger auf Blitzer – sondern auf Laserpistolen. Im Visier sind die Allerschnellsten.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Vielleicht sind die Autofahrer diesmal im morgendlichen Berufsverkehr besonders brav. Vielleicht kann man aber auch auf dieser Strecke wegen Baustelle und Stau gar nicht so schnell fahren. André Maschwitz und seine Mannen von der Motorradstaffel der Stuttgarter Polizei stehen jedenfalls in der Morgenkälte ziemlich lange untätig da, als sie die mehrspurige Pragstraße von der Wilhelma hinauf Richtung Pragsattel ins Visier nehmen. Den Beamten mit der Laserpistole am Fahrbahnrand geht es freilich auch nicht um die vielen kleinen Sündenfälle – sondern um das Tempo, das mit Punkten bestraft wird.

 

Der Freitag ist der Höhepunkt eines einwöchigen bundesweiten Blitzermarathons. Mit Extrastunden soll der Kontrolldruck auf Raser erhöht werden. Was am Ende herauskommt, soll am nächsten Montag bilanziert werden. Allerdings: In Stuttgart geht es weniger um Masse. „Es gibt keine Großkontrollen, sondern viele kleine, spontane Aktionen“, sagt Polizeisprecher Sven Burkhardt. Etwa die der Motorradstaffel in der Pragstraße in Bad Cannstatt. Zwischen 6 und 7.45 Uhr fischen die Beamten um André Maschwitz gerade mal drei Sünder aus den Kolonnen – aber auf die wartet nun reichlich Ärger.

Den erwischten Fahrern drohen nun Fahrverbote

Ein Subaru mit Heckspoiler, ein Ford-Kombi, ein Mercedes – die Fahrer im Alter von 31, 43 und 61 Jahren werden rausgewinkt und zu einem verkehrserzieherischen Gespräch gebeten. Das hat vor allem einer der drei Sünder nötig. Der hatte einen Stau, der sich auf einem Fahrstreifen gebildet hatte, ziemlich dreist überholt. Nach Abzügen aller Toleranzen mit 77 Kilometer pro Stunde. Das ist deutlich zu schnell: Auf der Pragstraße zwischen Neckartalstraße und Löwentor gilt Tempo 40.

„Zwei der drei Betroffenen hatten vom Blitzermarathon gehört, und sie zeigten sich alle einsichtig“, sagt Polizeisprecher Burkhardt. Weil sie mindestens 72 km/h auf dem Tacho hatten, müssen die Sünder nun mit einem Monat Fahrverbot, zwei Punkten in Flensburg und 260 Euro Bußgeld (ohne Bearbeitungsgebühren) rechnen.

„Dynamisch, mobil, variabel“ im Einsatz

Das ist die Taktik der Polizei: Beim Blitzermarathon wird vornehmlich gar nicht geblitzt. Sondern mit dem unsichtbaren Schuss  aus dem Lasermessgerät nach den Eiligsten unter den Schnellfahrern gesucht. Und das eben „dynamisch, mobil und variabel“, sagt André Kielneker, Sprecher des Polizeipräsidiums Ludwigsburg. Die beteiligten Organisationseinheiten hätten keine Vorgaben, könnten sich spontan für einen Kontroll-Ort entscheiden.

Etwa an der Bundesstraße 464 auf Gemarkung Böblingen, wo es in der Vergangenheit immer wieder zu schweren Unfällen gekommen war. 2019 hatten gar fünf Todesopfer binnen eines halben Jahres für Alarmstimmung gesorgt. Am Freitag steht auch die Kreisstraße 1071 in Gäufelden (Kreis Böblingen) im Visier. Zu schnelles Fahren und gefährliche Überholmanöver hatten beispielsweise im Herbst 2019 zwei Unfälle binnen drei Tagen ausgelöst, bei denen sechs Menschen teils schwer verletzt worden waren.

Polizeigewerkschaft: Anhaltekontrollen haben Mehrwert

„Es geht darum, Menschenleben im Straßenverkehr zu schützen und sinnlose Raserei einzudämmen“, sagt Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU). Denn der häufigste Grund für tödliche Unfälle seien überhöhte Geschwindigkeiten. Dass man allerdings gar nicht so viele Möglichkeiten hat, mehr Personal dafür einzusetzen – darauf weist Ralf Kusterer, der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) hin. So viel mehr gehe beim Rasermarathon gar nicht: „Die teilweise sehr teuren Messgeräte werden ständig eingesetzt“, sagt Kusterer, „und die können teilweise nur Spezialisten bedienen.“ Für den Polizeigewerkschafter kann es somit bei der Verkehrssicherheitsarbeit nicht darum gehen, möglichst viele Verkehrssünder zu blitzen. Sondern sich die erwischten Autofahrer zur Brust zu nehmen. „Aus unserer Sicht sind es die öffentlichkeitswirksamen Anhaltekontrollen, die mit den Möglichkeiten eines verkehrserzieherischen Gesprächs einen Mehrwert darstellen“, sagt Kusterer.

Mit Laser kontrolliert sich’s besser

Dass dabei die Lasermessgeräte das Mittel der Wahl sind, bestätigt Sprecher Christian Wörner vom Polizeipräsidium Reutlingen. „Damit kann man selbst aus einem Auto heraus oder bei völliger Dunkelheit messen“, sagt er. Im Gegensatz zum Messgerät am Straßenrand, das sich oft durch seinen Blitz verrät, sei die Messung mit der Laserpistole meist nicht erkennbar. „Wer zu schnell fährt, kann sich nie sicher sein, nicht doch irgendwo gemessen zu werden“, sagt Polizeisprecher Wörner. Die Beweismittel seien auch ohne Foto aus dem Blitzkasten gerichtsfest, weil anschließend alles bei einer Anhaltekontrolle dokumentiert werde. Und dabei kann die Polizei womöglich noch ganz andere Sachverhalte feststellen: Alkoholisierung, fehlende Fahrerlaubnis – oder gar Hinweise auf andere Straftaten.

Dass ertappte Schnellfahrer am Freitag Probleme bereitet hätten, davon ist am Freitagnachmittag zunächst nichts bekannt geworden. „Bisher blieb alles ohne besondere Vorkommnisse“, heißt es beim Polizeipräsidium Aalen. Freilich: Die im Schichtdienst arbeitenden Beamtinnen und Beamten haben noch bis Montag Zeit, ihre Ergebnisse und Erlebnisse zu Protokoll zu bringen.