Blitzermarathon in Stuttgart Mit 69 km/h in der Tempo-40-Zone – „Das ist ja Wahnsinn!“

Julius Dressel hat Raser im Visier. Beim Blitzermarathon misst er mit einem Lasergerät die Geschwindigkeit der Fahrzeuge. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

In Zeiten von Social Media und Blitzer-Apps hat es die Polizei nicht leicht, beim Blitzermarathon noch Raser zu erwischen. Manche tappen dennoch in die Falle.

Volontäre: Julian Meier (mej)

Michael H. versteht die Welt nicht mehr. Ganz unbedarft fährt er mit seinem VW Bus die Heilbronner Straße entlang, als plötzlich ein Polizist auf der Fahrbahn auftaucht und ihm befiehlt, auf den Parkplatz rauszufahren. „Erlaubt sind 40 Kilometer pro Stunde, Sie wurden mit 69 angemessen“, verkündet ein zweiter Polizist durch sein Autofenster. H. reicht ihm Führerschein und Fahrzeugschein. Der Polizist verschwindet kurz, um die Daten aufzunehmen. H. kann nun nichts Weiteres tun, als auf seine Strafe zu warten.

 

Der 67-Jährige wusste, was in dieser Woche passiert. Der Blitzermarathon ging quer durch alle Medien. „Autofahrer aufgepasst: Hier wird jetzt geblitzt“, titelten die Zeitungen. Eine Woche lang ist die Polizei verstärkt unterwegs, um Zu-schnell-Fahrer zur Rechenschaft zu ziehen. Um nichts davon mitzubekommen, müsste man sich eigentlich eine Woche lang in den Keller einsperren. Und trotzdem erwischt die Polizei immer wieder Raser.

Ob H. es gewusst habe, dass er zu schnell unterwegs war? „Nein, eben nicht. Das ist ganz komisch. 69 Kilometer pro Stunde – das ist ja Wahnsinn!“, sagt er und schüttelt den Kopf. Er sei gerade in die Straße abgebogen und habe beschleunigt; als er zum letzten Mal auf den Tacho schaute, war die Nadel bei 50. „Das ist sehr ärgerlich, das kostet bestimmt 150 Euro.“

Wer am Dienstagvormittag die Heilbronner Straße stadtauswärts fährt und den Blick gen Brücke richtet, sieht dort zwei Verkehrspolizisten. Einer von ihnen, Julius Dressel, blickt durch das Fernrohr eines Handlasermessgeräts. Er visiert an, drückt auf den Auslöser und schaut auf das Display – 38, 42, 29. Alles Geschwindigkeiten, die nicht relevant sind. Auf dem Streckenabschnitt liegt das Tempolimit bei 40 , erst ab 64 würde das Gerät einen anderen Ton abgeben. Dann nämlich ist man in dem Bereich, in dem Flensburg ins Spiel kommt.

Nach kurzer Zeit weiß es auch das Internet

„Es geht uns um die, die richtig rasen. Die schauen nämlich gar nicht auf die Brücke“, erklärt Kollege Patrick Henkelmann, der einen Berichtsbogen in der Hand hält, um die Raser schriftlich festzuhalten. Das Schnellste, was die beiden bisher gemessen haben, waren vor zwei Jahren 108 Kilometer pro Stunde – fast das Dreifache des Erlaubten.

Um 10 Uhr beginnen die beiden Polizisten. Die Heilbronner Straße ist zu dieser Zeit relativ leer. Es wäre also durchaus möglich, das Gaspedal durchzudrücken. Dennoch hält sich der Großteil der Fahrer an das Tempolimit. Zu prominent ist der Blitzermarathon angekündigt worden. „Die Leute sind da schon sensibilisiert“, meint Dressel. „Und das ist ja auch gut so, schließlich kommt das der Verkehrssicherheit zugute.“ Es dauert nicht lange, bis die beiden in der Blitzer-App vermerkt sind. Über eine Stunde lang gibt es für Henkelmann nichts zu notieren. Ein Fahrer wird mit Tempo 63 gemessen – eins mehr, und er hätte rausfahren müssen. Glück gehabt.

„Ich glaube, dass wir gerade andere Probleme haben“

500 Meter weiter nördlich steht Markus Leins am Straßenrand und wartet darauf, dass eine Funkmeldung von der Brücke kommt. Die anderen Polizisten unterhalten sich derweil. Auch hier haben sie wenig zu tun. Das gefällt nicht allen: Ein 34-Jähriger, der mit 71 Stundenkilometern erwischt wird, gibt sich reumütig: „Wenn man Scheiße baut, muss man dafür geradestehen“, sagt er, schiebt aber direkt hinterher: „Ich glaube, dass wir in Deutschland gerade andere Probleme haben. Anstatt dass hier acht Polizisten rumstehen, sollte man lieber in der Innenstadt die Präsenz erhöhen.“

Polizistin Elke Rist reagiert gelassen darauf. „Das hören wir verdammt oft. Die Polizei hat verschiedene Aufgaben. Unsere Hauptaufgabe ist es, den fließenden Verkehr zu überwachen, um dort für Sicherheit zu sorgen.“ Für Schwerverbrecher seien andere Einheiten der Polizei zuständig.

Marius Färber nimmt die Daten der Verkehrssünder auf. Ab 21 Stundenkilometer zu viel innerorts gibt es einen Punkt in Flensburg. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Michael H. zeigt sich dagegen einsichtig. „Da steht man die ganze Zeit im Stau, dann läuft’s mal, dann gibt man halt Gas“, sagt er. Seine Strafe wird er bald per Post erhalten, neben einem Punkt in Flensburg darf er mit einem dreistelligen Bußgeld rechnen. Der Blitzermarathon hat bei ihm seinen Zweck erfüllt, denn wenn er zukünftig auf der Straße unterwegs ist, will er „mehr nach Tacho fahren“. Auf eine weitere böse Überraschung kann er gut verzichten.

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