Auf ihrem Blog „What’s in your Bedroom?“ porträtiert Olivia Howitt Menschen im Schlafzimmer. Dort entlockt sie ihnen sehr persönliche Dinge.

London - Vor ein paar Jahren zog Olivia Howitt aus einem Haus in ihrer Heimatstadt Manchester nach London. Wohnraum ist dort extrem teuer. Sie musste sich verkleinern, „fast wie in meiner Kinderzeit, als mein Schlafzimmer meine Welt war“, und fing an, solche Refugien ins Visier zu nehmen. Je mehr fremde Schlafzimmer sie fotografiert, desto mehr solcher persönlicher Welten eröffnen sich ihr und den Besuchern ihres Internetblogs Whatsinyourbedroom.com. Anlass für das Blog war ein Schlafzimmer, das sie nie gesehen hat. Ein Freund erzählte ihr von einer Wohngemeinschaft, in der eine Bewohnerin ihn in ihr Schlafzimmer geführt hatte – bis auf das Bett war das ganze Zimmer voller Fahrräder. Sie hingen von den Wänden und von der Decke. Howitt wurde neugierig. Was warteten da noch für Geschichten darauf, hinter Schlafzimmertüren entdeckt zu werden?

 

Nun begegnet sie Fremden in ihren Schlafzimmern und entlockt ihnen sehr persönliche Dinge, „weil ich gern neue Leute kennenlerne und gern ihre Geschichten höre. Es könnte peinlich sein, aber wenn man im ganz persönlichen Bereich von jemandem ist, umgeben von seinen Dingen, dann gibt es viel Angenehmes, über das man reden kann.“ Es sei eine sehr persönliche Erfahrung, sagt Howitt, für beide Seiten. Sie fühle sich geehrt. „Es hat auch etwas mit der Offenheit der Menschen zu tun.“

Die meisten Schlafzimmer, die sie fotografiert, sehen sehr aufgeräumt aus. Schützt Strukturiertheit das innerste Refugium? Ein unordentliches Schlafzimmer kann ein tolles Bild ergeben, aber die Bloggerin versteht auch, warum die Menschen sich online gern in günstigem Licht verewigt sehen möchten.

„Das Schlafzimmer repräsentiert den Charakter einer Person“

Neue Schlafzimmerbewohner für ihr Blog ins Visier zu nehmen ist jedes Mal eine Herausforderung. „Ich begegne den Leuten überall, in Warteschlangen bei Konzerten, in Bars, im Bus. Nachdem ich mit einer Person geredet habe, kann ich meist sagen, ob sie ein interessantes Schlafzimmer hat.“ Instagram sei als Vorinstanz sehr nützlich, auf den Fotos der Plattform kann Howitt den Stil einer Person sehen, was sie anhat, wie ihr Zuhause aussieht. Dann kann sie einfach fragen.

Bemerkenswert: In all den Schlafzimmern, die sie seit September 2009 versammelt hat, sieht man Unkonventionelles, Modernes, Minimalistisches, Bohemehaftes, Sammelsurien – aber keinen einzigen Fernseher. „Die Leute sehen sich Videos auf dem Laptop an“, konstatiert sie, „und sie wollen sich in ihrem Schlafzimmer erholen und es nicht zu einem Arbeitsplatz machen. Ich besuche meist Menschen in London, man lebt da hektisch und nutzt jede Gelegenheit, einmal wirklich abzuschalten.“

Die Schlafzimmerbewohner verbringen oft eine Menge Zeit in ihrem Rückzugsraum, nehmen Musik auf, machen Kunst oder Design und arrangieren rund um sich herum Dinge, die anderswo im Keller landen würden. „Es ist immer wieder überraschend, wie sehr ein Schlafzimmer den Charakter einer Person repräsentiert“. Das sonderbarste Schlafzimmer, das ihr bisher begegnet ist, war ein Unterschlupf in einem ehemaligen Fotolabor. Ein Musiker hatte einen kleinen Bereich mit Brettern zu einem Schlafzimmer abgetrennt. Man musste durch eine winzige Tür krabbeln, und in dem Verschlag hatte er einen Schrein errichtet, der Fischen gewidmet war.

Und ihr eigenes Schlafzimmer? „Ich weiß es, und Sie müssen es erst herausfinden.“ Vielleicht wird sie eines Tages auch ihr eigenes Schlafzimmer zeigen – „aber vorerst bin ich damit zufrieden, die Schlafzimmer anderer Leute ins Bild zu setzen.“