Johnny Haeusler hat mit seiner Frau das Buch „Netzgemüse“ geschrieben. Es soll Eltern die Angst vor den neuen Medien nehmen. Ein Gespräch mit einem, der seit 1990 online ist und seine beiden 10 und 13 Jahre alten Kinder trotzdem nicht ganz versteht.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)
Stuttgart - Johnny Haeusler hat mit seiner Frau Tanja das Buch „Netzgemüse“ geschrieben. Es soll Eltern die Angst vor den Neuen Medien nehmen. Ein Gespräch mit einem, der seit 1990 online ist – und seine beiden 10 und 13 Jahre      alten Kinder trotzdem nicht ganz versteht.
Herr Haeusler, für welche Leser ist Ihr Buch geschrieben?
Für Eltern, die schon sehen, dass ihre Kinder mit digitalen Medien aufwachsen. Die daran zum Teil verzweifeln, weil sie merken, dass sie selbst sich nicht so gut auskennen wie ihre Kinder. Diese Eltern haben dann schnell das Gefühl, ihnen fehle das technische Verständnis. Wir glauben aber eher, dass es darum geht, Kinder an die Hand zu nehmen. Wir wollen Eltern Selbstvertrauen zurückgeben.

Was raten Sie Eltern, die vernünftige Regeln für den Umgang ihrer Kinder mit den digitalen Angeboten setzen wollen?
Wichtig ist, Grundinteresse zu zeigen. Ich würde Eltern auch auf alle Fälle raten, sich bei Facebook anzumelden. Ich weiß schon, dass viele in Facebook überhaupt keinen Sinn sehen. Aber man sollte mal ein, zwei Abende reinschauen oder die Kinder bitten, dass sie einem Facebook zeigen. Dasselbe gilt für Videospiele. Dann ist es auch leichter, dem Kind klarzumachen: Ich möchte nicht, dass du Kriegsspiele spielst. So machen wir das bei unserem älteren Sohn. Natürlich probiert er so etwas bei Freunden aus. Aber er akzeptiert eben auch, dass er das bei uns zu Hause nicht darf.

Ihr Buch ist in einem verständnisvollen Ton geschrieben. Welche Widerstände wollen Sie bei Ihren Lesern überwinden?
Je weniger Ahnung ich von etwas habe, desto wichtiger sind Informationen aus den Medien. Da steht aber nicht drin, dass es ein schönes Videospiel für Kinder gibt. Sondern eher, dass jemand bei Facebook gemobbt wurde. Wir wollen den Eltern sagen, dass das Internet per se nicht schlecht ist. Wenn es schlecht ist, dann sind das die Menschen dahinter. Aber da unterscheidet sich die virtuelle Welt nicht von der physischen. Jeder erklärt seinem Kind, dass es nicht mit Fremden mitgehen soll. Das gilt im Internet wie auch in der physischen Welt. Natürlich gibt es im Netz noch andere Dinge, Pornografie zum Beispiel. Das ist virtuell leichter zu verfolgen als im echten Leben. Da muss man auch drauf schauen.

Sie entwickeln in Ihrem Buch die Idee von der „digitalen Sorgepflicht“. Heißt das, dass verantwortungsbewusste Eltern um eine Beschäftigung mit dem Internet nicht herumkommen?
Wir können uns da nicht einfach ausklinken. Natürlich müssen digitale Medien auch Teil des Unterrichts sein. In den Schulen sollte man nicht nur Word und Excel unterrichten, es muss auch um Fragen gehen wie: Was passiert, wenn meine Fotos bei Facebook sind? Aber man kann das Internet nicht einfach abschalten. Das ist doch totaler Irrsinn. Das Netz wird nicht mehr verschwinden.

Spielen Sie damit auch auf die Debatte um Sinn und Unsinn des Internets an? Manfred Spitzer spricht von der „digitalen Demenz“.
Als Spitzers Buch erschien, war unseres schon fertig. Aber selbst wenn er interessante Erkenntnisse präsentiert: Wir brauchen kein Angstmacher-Buch, das Eltern noch mehr zurückschrecken lässt. Wir müssen Lösungen finden. Abschalten ist keine Lösung. Man muss den Kindern vielmehr Applaus gönnen, weil sie sich mit den Medien hinsetzen und das Netz ohne Bedienungsanleitung bedienen.



Also klicken unsere Kinder sich, noch einmal mit Spitzer gesprochen, gar nicht das Hirn weg?
Es gibt Dinge, die wir uns abgewöhnen. Wir lernen zum Beispiel keine Telefonnummern mehr auswendig. Dafür kommt Neues dazu, zum Beispiel das Bewerten von Suchergebnissen. Jugendliche sind da unglaublich schnell und geübt. Unsere Generation hat noch gelernt, möglichst viel Wissen in Jugendliche reinzustopfen. Damals war Wissen aber auch nicht so leicht verfügbar. Natürlich muss weiterhin ein Basiswissen vermittelt werden. Aber das ganze Leben besteht aus Weiterbildung. Und: Ich wüsste nicht, wie ich ein Pferd vor einen Karren spanne. Aber ich könnte es googlen oder, wie mein Sohn, eine Videoanleitung auf Youtube suchen.

Wiederholen sich Debatten über die Gefahren neuer Technologien?
Ich habe kürzlich auf Youtube einen Fernsehbeitrag aus den siebziger Jahren gesehen: dass man plane, in Deutschland Skateboards zu verbieten. Heute lacht man darüber. Ganz ähnlich wird man in fünf oder zehn Jahren vielleicht auch über unsere heutige Smartphone-Debatte lachen. Da müssen sich bestimmte Umgangsformen noch einspielen. Früher war man zum Beispiel genervt, wenn Handys läuten. Heute weiß man, wo der Stummschalter ist. Für Kinder natürlich der große Spaß, Benimmregeln zu brechen und Quatsch zu machen. Ich nenne das Plansch-Phase, wo man sich ausprobiert. Wir Erwachsenen hatten das nicht, weil wir etwas älter waren, als wir den Umgang mit Computern gelernt haben. Bei unseren Kindern müssen wir dafür Verständnis haben.

Ab welchem Alter ist ein eigener Computer mit Internetzugang sinnvoll?
Immer wenn ich Ratgeber lese, stelle ich fest, dass mein Kind ganz anders ist. Man muss also für jedes Kind neu entscheiden. Unsere beiden Jungs haben keinen PC im Zimmer. Unter 12, 13 Jahren ist das nicht notwendig. Dafür ist das Netz Teil des Alltags, zum Beispiel weil immer irgendwo ein iPad herumliegt. Dadurch entmystifizieren wir das Internet: Es ist nicht mehr nur irgendwo am Ecktisch zugänglich. Es ist nichts, das man nur eine halbe Stunde am Tag hat und wo man hektisch alles Notwendige erledigt. Es ist mehr wie das Radio, das man an- und ausmacht.