Blühendes Barock in Ludwigsburg Wie Rapunzel ihr Haar herablässt

Tobias Haack prüft, ob die Mechanik in der Szene mit Schneider Böck funktioniert. Foto: Werner Kuhnle

Im Märchengarten des Blühenden Barocks in Ludwigsburg ist meist viel los. Auch hinter den Kulissen, wo Techniktüftler dafür sorgen, dass die Hexe aus dem Häusle lugt und die sieben Geißlein aus ihren Verstecken schnellen.

Das Erfolgsrezept des Märchengartens im Blühenden Barock in Ludwigsburg funktioniert seit Jahrzehnten. Immer neue Generationen von Kindern schauen erwartungsvoll nach oben, bis Rapunzel ihr Haar herablässt, rütteln am Lebkuchenhaus, damit die garstige Hexe ihr „Knusper, knusper, knäusle“-Sprüchle aufsagt und ihren Kopf aus dem Fenster steckt, und schließen die Augen, wenn es ihnen in der Herzogschaukel schwindlig wird. Tobias Haack hat einen etwas anderen Blick auf all diese Attraktionen. Ihm ist wichtig, dass die Gäste ihren Besuch ungestört genießen können, die Mechanismen möglichst nicht erkennbar werden, mit denen die Figuren zum Leben erweckt werden oder zu sprechen beginnen. Vor allem aber sorgt der Elektromeister mit zwei weiteren festen Mitarbeitern und einem Azubi hinter den Kulissen dafür, dass die Technik im Märchengarten reibungslos läuft.

 

Schneider Böck muss ab und zu geölt werden

Dreimal pro Woche dreht das Team früh am Morgen, lange bevor sich die Tore des Märchengartens öffnen, eine Wartungsrunde über das Gelände. Da füllen sie zum Beispiel bei „1001 Nacht“ das Nebelmittel nach oder ölen den Schneider Böck, dem die Lausbuben Max und Moritz einen üblen Streich gespielt haben. Dazu haben die handwerklichen Allrounder eine To-do-Liste, die sie nach und nach abhaken, die aber im Grunde nie in Stein gemeißelt ist. Denn ein Zwischenfall im Tagesgeschäft kann jederzeit alle Pläne durchkreuzen. Langeweile komme nie auf, sagt Tobias Haack mit einem Schmunzeln.

Brand an Kabelmuffe mit erheblichen Konsequenzen

Beim bislang schlimmsten Ereignis in seiner fünf Jahre währenden Ägide war von jetzt auf nachher ein großer Teil des Märchengartens lahmgelegt. Die Stromversorgung zickte. Haack war ratlos. „Man konnte zuerst nicht zuordnen, woran es liegt“, sagt er. Was auch wenig verwundert. Etliche Kilometer an Kabel schlängeln sich über die Anlage, nicht immer penibel dokumentiert. Dann aber stieß Haack auf den Kern des Übels. Es rauchte aus einem Schacht heraus. Eine Kabelmuffe brannte. Nach wenigen Stunden war das Problem behoben und der untere Teil des Märchengartens wieder am Netz.

Aber natürlich müssen sich Haack und seine Kollegen auch um kleinere Probleme kümmern. Denn selbst winzige Defekte könnten das Vergnügen für die Besucher trüben. So muss die Techniker-Truppe ab und an den Türgriff am Lebkuchenhaus reparieren. Die Feder kann hier schon mal brechen, wenn zu heftig gerüttelt wird. Das Gute ist: Der Mechanismus im Haus selbst wird dennoch ausgelöst, die Hexe streckt also trotzdem den Kopf zum Fenster raus. „In meiner Zeit hier ist es höchstens zweimal passiert, dass der Ton bei der Hexe gestreikt hat. Denn auch Tondateien auf einer Speicherkarte haben einen Verschleiß“, sagt Tobias Haack. In solchen Fällen kann der Elektriker auch im Häuschen selbst nach dem Rechten schauen – das im Innern ganz unspektakulär daherkommt. Von einem Ofen, in dem Hänsel gebrutzelt werden könnte, fehlt jede Spur. Und die Hexe, Achtung Spoileralarm, hat auch keinen Körper, besteht nur aus dem Kopf, der durch den Auslöser am Griff in Bewegung gesetzt wird.

Ein Zopf für alle Fälle in der Hinterhand

Selbstverständlich ist im Turm auch kein Mädchen namens Rapunzel gefangen. Das berühmte Haar aus dem Märchen wird über eine Spule hinuntergekurbelt. Notfalls könnte auch Ersatz eingespannt werden. Ein zweiter Zopf ist im Turm gelagert.

Um kaum eine Attraktion im Blühenden Barock ranken sich so viele Mythen wie um Rapunzel. Einige Besucher glauben, der Zopf reagiere nur auf bestimmte Stimmfarben. Andere sind überzeugt davon: auf einen zackigen Befehlston und den Standort kommt es an. Was stimmt denn nun? Tobias Haack grinst. „Man muss laut rufen. Wenn mehrere Kinder zusammen rufen, funktioniert es auch immer“, sagt er. Was, ist vollkommen egal, das im Turm versteckte Mikrofon schlägt auch auf Esperanto an. Zur Hilfestellung wolle man aber eine Markierung anbringen lassen, von der aus man am besten den Zopf anfordert, kündigt die BlüBa-Direktorin Petra Herrling an.

Zuverlässiger Wolf

Wenn es bei den Sieben Geißlein einmal hakten sollte, ist das eher auf Schwierigkeiten mit der Mechanik zurückzuführen. Unter dem Häuschen, in dem sich die Zicklein verstecken, befindet sich ein enger Keller. Dort sind Seile an einer Apparatur befestigt, über die die Szenerie in Gang gesetzt wird. „Und manchmal reißt ein Seil ab. Das ist schon wartungsintensiver“, sagt Haack. Deshalb wird ein Geißlein bereits via Druckluft bewegt, was weniger Angriffsfläche bietet. Man überlege aber, perspektivisch auf eine elektrische Steuerung umzustellen, erklärt der 37-Jährige, der für den Job im BlüBa brennt, weil kein Tag wie der andere ist und man oft improvisieren muss. Eine Kunst, die beim Wolf vom Rotkäppchen, der von einem Kompressor aus dem Bett gehievt wird, kaum gefragt ist. „Da habe ich noch nie etwas machen müssen“, berichtet der Elektromeister.

Viele Ideen im Kopf

Vielleicht muss er sich aber bald wieder neuen Herausforderungen stellen. Seine Chefin Petra Herrling hat nämlich viele Ideen im Kopf, denkt über neue Attraktionen, aber auch Veränderungen im Bestand nach. Spruchreif ist davon noch nichts. Aber beim Rumpelstilzchen gefällt ihr zum Beispiel die Erzählperspektive nicht so ganz, da kommt ihr die Rolle der jungen Müllerin zu kurz. Aber was auch immer da am Entstehen sein mag: Haack und sein Team werden hinter den Kulissen dafür sorgen, dass es läuft wie geschmiert – und kein Faden und kein Kabel im Szenenbild die Illusion zerstört.

Ein Park mit großer Tradition

Gründer
Dass es heute einen Märchengarten gibt, ist Albert Schöchle zu verdanken. Der Gründer des Blühenden Barock ließ sich von einer ähnlichen Attraktion in den Niederlanden inspirieren und brachte die Idee mit nach Ludwigsburg. 1959 öffnete der Märchengarten seine Pforten in der Barockstadt – mit einer ganz eigenen Note.

Kult
Seitdem begeistern die Geschichten von Rumpelstilzchen oder Max und Moritz viele Besucher. Kult ist auch der sprechende Papagei, der den Gästen alles nachplappert, oder der Froschkönig, der einen nass spritzt, wenn man beim Vorbeilaufen die falsche Platte trifft. Um die Technik im Blühenden Barock kümmern sich Tobias Haack und sein Team. Acht bis neun Kilometer legen die Fachleute an einem Arbeitstag ungefähr auf dem Gelände zurück, bei Veranstaltungen auch mehr.

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