Das Blühende Barock in Ludwigsburg ist weithin bekannt. Aber die Parkanlage birgt auch einige Geheimnisse aus der Vergangenheit.
Ein Ort, der so gut besucht ist wie das Blühende Barock in Ludwigsburg, birgt kaum Geheimnisse, sollte man meinen. Und doch gibt es einiges, das nicht nur den auswärtigen Besuchern, sondern auch den meisten Einheimischen noch unbekannt ist.
1. Emichsburg mit Luftschutzstollen
Jeder kennt sie oder glaubt sie zu kennen. Im unteren Ostgarten erhebt sich die Emichsburg markant über einem ehemaligen Steinbruch, in dem Baumaterial für das Schloss und später auch für die Burg selbst gewonnen wurde. Unzählige Besucher haben schon auf der Galerie gestanden oder sind der Wendeltreppe im Inneren gefolgt. Auch wenn sie mittelalterlich wirkt: Eine echte Burg war die Emichsburg nie.
Und doch diente sie im Zweiten Weltkrieg dem Schutz etlicher Ludwigsburger. Damals führte vom See unter der Emichsburg ein Luftschutzstollen in Richtung des alten Krankenhauses bis zum Straußweg. Der Stollen wurde aus Sicherheitsgründen in den 1970er Jahren teilweise verfüllt. Seine Eingangstür existiert immer noch in der Ecke unter dem nicht mehr fließenden Wasserfall, sie wird allerdings zunehmend überwuchert.
2. Rapunzel beim Friseur
Die Emichsburg kennen heute viele vor allem als Rapunzelturm. Seit der Einrichtung des Märchengartens baumelt vom höheren der beiden Türme ein blonder Zopf mit großer roter Schleife, an dem im Märchen der Prinz ins Turmgefängnis der Holden geklettert ist. Früher allerdings war der Zopf deutlich länger und reichte fast bis zum Boden hinunter. Weil sich aber allzu viele Kinder nach oben ziehen lassen wollten, versagte ständig die Mechanik. Und so musste Rapunzel schon vor mehr als 60 Jahren zum Friseur – der Zopf wurde gekürzt und baumelt auch bei noch so lautem Rufen außer Reichweite.
3. Der royale Kühlschrank
Bei Hofe wurde gern und viel getafelt. Doch wie war das ohne Strom und Kühlschrank im Sommer mit verderblichen Lebensmitteln und Getränken? Die wurden in einem Eiskeller am Nordhang unterhalb des ersten Schlossbaus gelagert. Er ist mit mehr als 100 Kubikmetern Fassungsvermögen der größte noch erhaltene Eiskeller einer Schlossanlage in Süddeutschland.
Im Winter sägte man Eis aus dem Monrepossee und anderen Teichen und brachte es in den Keller. Dafür, dass es nicht vorzeitig schmolz, sorgte außer den dicken Mauern und der Erdabdeckung eine zusätzliche Strohhaube. Vor einigen Jahren wurde über dem Eiskeller ein strohgedecktes Häuschen errichtet, das heute als Unterschlupf bei den Feldhasen im Blühenden Barock beliebt ist. Gefahr, auf einer royalen Tafel zu landen, droht ihnen dort heute nicht mehr.
4. Der Hund des Königs
Zu vielen Königen gehörten ihre Hunde untrennbar dazu. Die englische Königin Elisabeth II war bekannt für ihre Liebe zu Corgis, der letzte württembergische König Wilhelm II für seine Spitze, und auch König Friedrich von Württemberg hatte einen geliebten Hund.
Im Friedrichsgarten, der auf der Westseite des Schlosses nahe der B 27 liegt, erinnert ein kleiner steinerner Hund daran, der einem freundlich dreinblickenden Mops ähnelt. Man muss allerdings schon ein wenig suchen, bis man ihn findet. Er liegt an einem besonders schattigen Plätzchen.
5. Das Blüba und das Wasser
Das Wasser in den Blüba-Seen und im Tal der Vogelstimmen stammt aus natürlichen Quellen. Unter dem Südgarten des Schlosses liegt die sogenannte Ackermannquelle. Sie versorgt nicht nur den dortigen See; über eine unterirdische Leitung fließt das Wasser auch in den Schüsselessee im oberen Ostgarten und speist von dort aus noch den See unterhalb der Emichsburg und die Wasserläufe bis in den Märchengarten.
Das Wasser im Tal der Vogelstimmen stammt aus dem Dekanatsbrunnen südöstlich des Südgartens. Von dort geht es über den Löwenbrunnen und als kleiner Wasserfall den Hang am Gruftweg hinunter zu dem kleinen Bach. Dieser wird zusätzlich aus dem Küchenbrunnen gespeist. Der sogenannte Planiesee im Nordgarten bekommt sein Wasser ebenfalls vom Küchenbrunnen. Zur Bewässerung der Pflanzen reichen natürliche Quellen und Brunnen allerdings nicht aus.
6. Die Brücke, der Damm und der Tunnel
Die mit Platanen bestandene Allee, die vom Schüsselessee in Richtung der Schlosshöfe führt, wird bis heute „Brückenweg“ genannt. Bis zum frühen 19. Jahrhundert verband hier eine Brücke das Tal zwischen dem Schlosshof und dem einstigen Opernhaus im oberen Ostgarten. Herzog Friedrich II, später als Friedrich I der erste König von Württemberg, ließ die hölzerne Brücke abtragen und einen Damm aufschütten.
Darunter entstand ein etwa 30 Meter langer Tunnel aus grob behauenen Steinen, analog zu dem Posilippo-Tunnel in Neapel, den Friedrich auf einer Reise kennengelernt hatte. Lange Jahre war nur ein ganz kurzes Stück des Tunnels zugänglich. Das änderte sich erst, als die Voliere errichtet wurde. Von dort aus führt der Tunnel wieder wie früher zum unteren Ostgarten.
7. Barrierefreiheit für Königin Mathilde
Symmetrie ist ein typisches Merkmal des Barock. Doch der östlich des Schlosses gelegene Mathildengarten unterscheidet sich trotzdem in einem wichtigen Merkmal vom westlich gelegenen Friedrichsgarten: Er hat keine Stufen. König Friedrich ließ den Garten umgestalten, um seiner zweiten Frau Charlotte Mathilde den Zugang zu ihrem persönlichen Rückzugsort zu erleichtern. Sie war nämlich auf einen Rollstuhl angewiesen. Auffallend sind auch die beiden Rindenhäuschen im Mathildengarten, die auf besonderen Wunsch der Königin entstanden. Sowohl der Garten in seiner heutigen Form als auch die Rindenhäuschen sind Rekonstruktionen.
8. Hexe im Handbetrieb
Dass auch Hexen Schwäbisch schwätzen können, wird im Märchengarten bei „Hänsel und Gretel“ schon seit vielen Jahrzehnten unter Beweis gestellt. Daran hat sich auch mit der Umgestaltung des Hexenhäusles nichts geändert. Geändert hat sich allerdings die Technik dahinter. Laut Erzählungen war die alte Mechanik nicht für den Dauerbetrieb ausgelegt, weshalb die Steuerung an besonders besucherstarken Tagen manuell erfolgte.
Im Inneren des Häusles sollen dann Schüler für ein Taschengeld Hand angelegt haben. Historisch belegt ist das nicht, aber wahrscheinlich. Zum einen sind solche pragmatischen Lösungen auch andernorts eingesetzt worden, zum anderen konnten sich Schüler im Blüba noch in den Siebzigerjahren ein Taschengeld verdienen, wenn sie zum damaligen Lichterfest die Lichter entlang der Wege entzündet haben.
9. Die Kängurus des Königs
Dieses Gebäude gehört definitiv zu den unauffälligeren im Blühenden Barock: Es steht am sogenannten Hexenwegle, das den Park vom Krankenhaus trennt, und öffnet sich in Richtung des Kräutergartens. Heute wird es nur noch selten genutzt. Im frühen 19. Jahrhundert allerdings war es ein Stall für Kängurus. Wenn auch nur etwa 15 Jahre lang. Dann wurde die Tierhaltung aufgegeben. An der Stelle des ehemaligen Freigeheges entstanden Gewächshäuser der Schlossgärtnerei. Alte Ludwigsburger berichten allerdings, dass es noch in den Sechzigerjahren Kängurus im Blüba gab, und zwar im Bereich des Rosengartens.
10. Die ältesten Bäume
Rund 850 Bäume gibt es im Blühenden Barock. Einige davon könnten schon aus Zeiten des ersten württembergischen Königs Friedrich stammen, ganz sicher ist das aber nicht. Man geht davon aus, dass die ältesten Bäume um 1814 herum gepflanzt worden sind. Aus einem alten Plan geht hervor, dass dies bei den Platanen im Nordgarten und bei den beiden großen Platanen im oberen Ostgarten der Fall ist. Dort steht auch ein weiterer grüner Riese, ein
Schnurbaum. Dessen Alter kann man allerdings nur schätzen, der Stammdurchmesser ist auf alle Fälle gewaltig. Bekannt ist, dass diese ursprünglich aus Korea und China stammenden Bäume schon im 18. Jahrhundert erstmals nach Europa kamen und bei Königen und Herzögen wegen ihrer majestätischen Erscheinung sehr beliebt waren.
11. Hugo, der schlaue Reiher
Der Reiher am Schüsselesee gehört nicht zu den Tieren, die offiziell im Blüba leben und dort auf der Futterliste stehen. Dennoch ist er ein regelmäßiger und gern gesehener Gast. Und weil er deshalb doch irgendwie fest mit dazugehört, haben ihn die Mitarbeiter kurzerhand „Hugo“ getauft. Vor allem morgens sitzt er in bester Reiher-Manier unbeweglich auf einem Podest im See. Die Fische, die sich darin tummeln, sind aber in aller Regel sicher vor ihm.
Schlau, wie er ist, hat er nämlich gemerkt, dass auch für ihn mal etwas abfällt, wenn die Tierpfleger mit dem Entenfutter kommen. Manchmal kann Hugo es auch gar nicht abwarten und stakst den Pflegern schon hinterher, wenn sie sich dem See nähern. Das scheint immer noch weniger Aufwand zu sein, als auf Fischjagd zu gehen. Und die Fische im Schüsselessee sind dafür wahrscheinlich auch dankbar.
12. Der langlebige Bürostuhl und das Sperrmüllhäusle
Das letzte Geheimnis zeigt, wie nachhaltig – man könnte auch sagen: schwäbisch sparsam – im Blühenden Barock gedacht wurde und wird. Der Bürostuhl, auf dem der „Blüba-Erfinder“ Albert Schöchle einst saß, wird heute noch genutzt. Er steht mittlerweile im Meisterbüro der Gärtnerei.
Nur zur Erinnerung: Das Blüba wurde 1954 als Landesgartenschau gegründet, also zu einer Zeit, als das Wort „Nachhaltigkeit“ noch nicht in aller Munde war. Vielleicht mit Ausnahme von Schöchle selbst. Der bezeichnete nämlich die Hexe im Märchengarten als „eine moderne Hexe, denn sie hat das Baumaterial für ihr Haus bei der Sperrmüllabfuhr gesammelt.“ Mittlerweile allerdings musste das Hexenhäusle, anders als der Bürostuhl, erneuert werden.