Mikroskop-Aufnahmen von erkranktem Knochenmark faszinieren die Künstlerin und Patientin Notburga Eiber und die Ärztin Stefani Parmentier gleichermaßen. Das Klinikum Winnenden zeigt nun diagnostische Fotos und Holzdrucke der beiden Frauen.

Winnenden - Mit einem medizinischen Vortrag hat alles angefangen. Die Fotos, welche die Ärztin Stefani Parmentier dabei zur Verdeutlichung zeigte, haben Notburga Eiber sofort fasziniert. Es waren Blutbilder – mikroskopische Aufnahmen von Knochenmark, mit deren Hilfe Mediziner Erkrankungen diagnostizieren. Zum Beispiel die Sichelzellenkrankheit, bei der sich die scheibenförmigen roten Blutzellen zu sichelförmigen Gebilden verformen. Oder das Myelodysplastische Syndrom, kurz MDS, das auch auffällige Blutbildveränderungen mit sich bringt und an dem Notburga Eiber selbst erkrankt ist.

 

„Als ich diese Bilder gesehen habe, fand ich sie grandios, sie haben mich inspiriert“, sagt Notburga Eiber. Für die Goldschmiedin, die seit rund 15 Jahren auch eine begeisterte Holzdruckerin ist, stand damals fest: „Ich wollte versuchen, diese Fotos in Holzdrucke zu übersetzen.“

Kreise und Kringel

Krankes Knochenmark als Kunst? Stefani Parmentier war sofort begeistert. „Ich habe rund 10 000 dieser Fotos auf meinem Rechner gespeichert“, sagt die Oberärztin für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin im Winnenden: „Ich bin diejenige, die die Diagnose stellt. Manche Patienten ziehen sich zurück, wenn sie von ihrer Erkrankung erfahren, manche werden depressiv. Und manche verarbeiten ihre Krankheit in Kunst.“

Notburga Eibers Begeisterung für die Bilder der Knochenmarkserkrankungen kann Stefani Parmentier, die täglich damit zu tun hat, gut verstehen. „Faszinierend und wunderschön“, so beschreibt die Medizinerin ihren Eindruck von den mikroskopischen Aufnahmen – auch wenn das, was dahinter stehe, furchtbar sei.

Schrecklich-schöne Fotos. Gut 20 davon hat Stefani Parmentier Notburga Eiber vor etwa einem Jahr zur Verfügung gestellt. „Ich habe Fotokopien davon gemacht, mir alles angeschaut und überlegt“, sagt die 69-jährige Künstlerin: „Eigentlich zeigen die Fotos nur Kreise und Kringel. Daraus Bilder zu machen, die vor dem Betrachter Stand halten, ist schon eine Herausforderung.“ Umso mehr, als Notburga Eiber die Originale nicht eins zu eins abbilden wollte: „Ich wollte etwas Neues daraus machen und habe in die Bilder meine Empfindungen reingelegt.“ So begegnen dem Betrachter auf den Drucken neben kreisförmigen Gebilden – den Blutkörperchen – mal Schmetterlinge als Symbole der Hoffnung, aber auch ein märchenhafter Vogel Greif. „Der holt die Seelen“, weiß Notburga Eiber. Auf einem anderen, in kräftig-dunklen Farben gehaltenen Druck, lässt sie einen gewaltigen Oktopus den Kampf gegen die Krankheit MDS aufnehmen.

Bis zu acht Druckplatten

„Künstlerisches Arbeiten und Feinkram, das Herumpuzzeln, ist mein Ding“, sagt Notburga Eiber, deren Tochter Anna als freischaffende Künstlerin in Köln lebt. Für manche Bilder hat Notburga Eiber bis zu acht verschiedene Druckplatten angefertigt, die sie dann, mit Ölfarben versehen, übereinander gedruckt hat. Dabei verwendet Notburga Eiber meist acht Millimeter dicke Sperrholzplatten aus Kapokbaumholz, in die sie mit Schnitzwerkzeugen ihre Motive schneidet und ritzt. Eine Menge Arbeit, die gar nicht selten für die Tonne ist. „Es gibt schon viel Ausschuss“, sagt die Künstlerin: „Man hat da eine Idee im Kopf und gedruckt auf Papier sieht es dann ganz anders aus. Manchmal ist der Druck nicht das, was ich aussagen will – dann muss ich eben eine neue Platte schneiden.“

Rund 40 Drucke sind so im Laufe eines Jahres entstanden. In der Ausstellung im Winnender Klinikum hängen sie neben den medizinischen Fotos, die Eiber als Inspirationsquelle gedient haben. Die frühen Drucke sind in eher blassen, pastellfarbenen Tönen gehalten, für die späteren hat Notburga Eiber auch zu kräftigem Violett und Blau gegriffen. Einige Drucke sind Collagen, dort hat Notburga Eiber gedruckte Versatzstücke in andere Drucke eingefügt. Und sie hat nicht nur mit Holz, sondern auch mit Schnüren und Verpackungsmaterial wie Knallfolie experimentiert und feine Farbspritzer mit dem Pinsel eingefügt.

„Meine Mutter hat durch den Umgang mit den Bildern einen anderen Blick und einen anderen Bezug zu ihrer Krankheit bekommen“, sagt Anna Eiber. Vor kurzem hat Notburga Eiber erfahren, dass sie an Leukämie erkrankt ist. Ihr Krankenbett im Klinikum Winnenden steht zwei Stockwerke über der Ambulanz Hämato-Onkologie, wo nun ihre Drucke neben den diagnostischen Bildern hängen. „Jetzt muss ich was Neues machen – wie Leukämie aussieht, weiß ich noch nicht“, sagt Notburga Eiber, während eine Krankenschwester alles vorbereitet für ihre Chemotherapie. Das nächste Ziel, das ist nun erstmal diese hinter sich zu bringen – und dann dabei zu sein, wenn ihre Ausstellung an diesem Mittwoch offiziell eröffnet wird.

Kunst und Wissenschaft

Vernissage:
Am Mittwoch, 21. November, 18 Uhr, wird die Ausstellung „Blutbilder in Kunst und Diagnostik“ mit Drucken von Notburga Eiber und Fotos von Stefani Parmentier eröffnet.

Dauer:
Die Ausstellung ist bis zum kommenden Juli in den Räumen der Ambulanz Hämato-Onkologie im Rems-Murr-Klinikum Winnenden, Am Jakobsweg 1, Haus 1, Erdgeschoss zu sehen. Der Eintritt ist frei.