Verena und Natalia Wörner Die Schwester der Schauspielerin

Das Foto gefällt Verena Wörner auch deshalb so gut, weil neben ihr so viel leerer Raum ist, Raum, den sie in Zukunft noch besetzen kann, wie sie sagt. Foto: Thomas Bönig

Zum "Tag der Geschwister" lesenswert aus dem Archiv: Als Kinder streifen sie durch Bad Cannstatt, später leben sie als alleinerziehende Mütter in Berlin. Wie sich Verena Wörner von ihrer Schwester Natalia emanzipiert hat.

Familie/Bildung/Soziales: Lisa Welzhofer (wel)

Forchheim - Wenn sie in ihrem Leben irgendwo neu anfängt – und das hat sie schon mehrmals getan –, dann gibt es immer diese Stufen des Kennenlernens, sagt Verena Wörner. Stufe 1: gleichgültiges bis freundliches Empfangen. Stufe 2: Vergleiche und Mutmaßungen: „Sind Sie etwa die Schwester von . . .?“ Stufe 3: interessiertes Beäugen, aber auch: Distanz. „Die Atmosphäre verändert sich schlagartig, wenn ich enttarnt werde.“ Mittlerweile kann sie darüber lächeln.

 

Forchheim im Februar, ein ungewöhnlich warmer Tag. In der fränkischen Kleinstadt bummeln Menschen an Fachwerkhäusern vorbei. Verena Wörner – schwarze Hose, schwarzes Sakko, schwarze Stiefel – sitzt am Tisch eines Fischspezialitätengeschäfts und erzählt. Davon, wie das ist, wenn die kleinere Schwester einen nicht nur in der Körpergröße überragt. Einen langen Schatten habe Natalia auf ihr Leben geworfen, sagt Verena Wörner. Keinen kalten, aber einen, der manches in ihr überdeckt, sie am Ende herausgefordert habe. Ihre Geschichte ist auch die einer Emanzipation ohne Groll.

Die Wörner-Schwestern wachsen in Bad Cannstatt auf. Verena, die Ältere, wird 1963 in der St.-Anna-Klinik geboren, vier Jahre später Natalia. Die Eltern, Susanne und Norbert, haben sich im Architekturstudium kennengelernt, die Kreuznacher Straße ist ihr Familiensitz, der angrenzende Kurpark ein Spielplatz für die Mädchen. Natalia schlüpft in die Rolle Nscho-tschis, Winnetous Schwester. Verena entwirft Pferdeställe, Kunstwerken gleich. Gemeinsam träumen die Reiterinnen vom eigenen Gaul.

Mitte der 70er Jahre trennen sich die Eltern. Die Kreuznacher Straße wird zum Matriarchat. Vier Frauen-Generationen über drei Stockwerke wohnen darin. Ein „Reich der Frauen, voller weiblicher Werte, weiblichen Glücks und weiblicher Ängste“, so hat es Natalia Wörner in ihrer Autobiografie „Heimat-Lust“ geschrieben. Und jede hat ihren Platz: Urgroßmutter Moni, 1915 vor Stalin von Kiew nach Schwaben geflohen. Großmutter Mata, die begabte Schneiderin, die an ihrer Nähmaschine Kostüme fertigt für die Marionetten, die sie umgeben. Susanne, die selbstbewusste, berufstätige Mutter. Und die Mädchen natürlich: Natalia, die Wilde, die Monis Herrschaft infrage stellt, die die Schule mehrfach wechselt und mit 17 in eine eigene Wohnung zieht. Und Verena, die Geduldige, die große Schwester, die einkauft und kocht. Eine Rolle, in die sie auch hineingedrängt worden sei, sagt Verena Wörner.

Natalia wird in den 80er Jahren als Model entdeckt

Wenn sie von ihrer Kindheit und Jugend erzählt, dann zuerst von den Urlauben mit dem Vater. Regelmäßig packt Norbert Wörner seine Töchter in den Camper, Fahrtrichtung Westen. Baden im Atlantik, anhalten, wo es gefällt, schlafen auf Apfelbaumwiesen. „Wir sind Nomaden“, sagt der Vater. Die große Flatter endet höchstens mal am Sturkopf eines französischen Bauern. Und wenn die Töchter nach Paris wollen, dann fährt Norbert Wörner sie eben dorthin. „Ich will unterm Eiffelturm schlafen“, ruft Natalia. „Gute Idee, Nati“, sagt der Vater, und los geht es auf die Boulevards der Hauptstadt, ins Kulturzentrum Centre George Pompidou, zu den Feuerspuckern und Musikern, zu den Jongleuren, Tänzern und Pantomimen. Für Verena sind diese Reisen ein Ausbruch aus dem Alltag, ein sich weitender Blick auf eine andere, fremde Welt. Für Natalia hingegen ist Paris ein Versprechen, ein Ort, an dem eine Saat gelegt wird, die Saat, etwas darstellen zu wollen. Natalia, die Akteurin, Verena, die Beobachterin, so sollte es noch oft sein.

Der Weg Natalias in die Öffentlichkeit beginnt früh. In der Schule wird sie in den 80er Jahren als Model entdeckt. Voll geschminkt kommt sie vom Fotoset in die Kreuznacher Straße. Verena, die Latzhosenträgerin, die der Umwelt zuliebe keinen Führerschein macht, beobachtet die Verwandlung staunend. „Wir anderen haben gar nicht verstanden, was da passiert.“

Aber die Leben der Schwestern, sie verlaufen bei allen Unterschieden auch parallel. Im gleichen Jahr, 1985, verlassen beide die gefühlte schwäbische Enge, beginnen ein Nomadenleben. Ein echtes diesmal. München, Paris, New York, Hamburg – das sind Natalias Stationen. Berlin, München, Hamburg die von Verena. Ab 2001 leben beide in Berlin.

Viele halten Verena für die Jüngere

Doch während Natalia mit klarem Ziel und einer gewissen Kompromisslosigkeit ihren Weg Richtung Schauspiel geht, ist Verena lange nicht klar, wohin mit sich, wohin mit ihrem gestalterischen Talent. Sie geht auf die Kunstschule, lernt im Berliner Lette-Verein Modedesign. Sie arbeitet in München für Firmen, die Kleidung für die Stange herstellen. Aber die Plastikstoffe aus Fernost stoßen sie ab. Sie vermisst die Nachhaltigkeit – und vielleicht noch ein bisschen mehr.

Multimedia-Producer ist die nächste Ausbildung, die sie macht. Sie lernt, Webseiten zu gestalten, Anzeigen, Präsentationen, Grafiken. Sie landet bei digitalen Lernprogrammen, deren Inhalte sie für große Firmen in Szene setzt, macht sich selbstständig, teilt sich ein Büro mit einer Agentur in Neukölln. In diesen Nullerjahren sind sich die Schwestern nicht nur räumlich nah. Selbstverständlich nimmt Natalia Verena in ihren großen Freundeskreis mit, zum Geburtstag von Ursula Karven, zur Modenschau von Joop, auf rote Teppiche. „Deine kleine Schwester“ nennen Natalias Freunde sie. Sie halten die 1,65 Zentimeter große Verena für die Jüngere.

Es gebe diese zwei Natalias, sagt Verena Wörner: Natalia, die Starschauspielerin, die mit Bundesaußenminister Heiko Maas liiert ist, die im Dienstflugzeug von Frank-Walter Steinmeier reist und von Karl Lagerfeld für den „Playboy“ fotografiert wurde. Und deren Freundeskreis fast nur aus Prominenten besteht. Und Natalia, ihre Schwester, die unverstellt geblieben sei, die sich bei Events zur Familie stellt, damit die Journalisten sie in Ruhe lassen. Mit der sie ihre Erinnerungen teilt, mit der sie, seit die Mutter Hilfe braucht, noch enger zusammengerückt ist.

Zwei Single-Mütter in selbstständigen Berufen

Die Schwestern haben sich immer unterstützt. 2005 und 2006 bringen sie ihre Söhne zur Welt: Marinus und Jacob, sie gehen in die gleiche Kita. Verena zieht in eine Wohnung, nur eine Straße von Natalia entfernt. Im Lauf der Zeit trennen sich beide Frauen von ihren Partnern. Zwei Single-Mütter in Berlin in selbstständigen Berufen, mit allen Unsicherheiten, die das mit sich bringt. Mutter Susanne reist oft aus dem Süden an und hilft. Und wenn der Frauenhaushalt wieder beisammen ist, dann ist das wie früher in der Kreuznacher Straße. „Innerhalb von drei Millisekunden hat jede wieder ihren Platz“, sagt Verena Wörner. Mit allen Emotionen, den guten wie den schlechten. Als Verena Wörner vor acht Jahren nach Forchheim zieht, ist das vielleicht auch ein letzter Abschied vom Matriarchat.

Es ist ein Mann, dem zuliebe sie in die Provinz kommt. Klaus heißt er, hat ein Eigenheim und einen Stammtisch, ein weiches Fränkisch und einen ausgleichenden Charakter. Genau das, was Verena vielleicht nie bewusst gesucht, aber vielleicht genau deshalb gebraucht hat. Sie hat hier Freunde gefunden, sie geht zum Tennis, ins Pilates, sie spielt Ukulele und ist Elternbeirätin, sie hat die fränkische Kulturszene lieben gelernt, sitzt im Publikum, wenn Klaus als Laiendarsteller spielt. Verena Wörner gestaltet ihr Leben und weiterhin Lernprogramme und hat so viele Aufträge, dass sie mit dem Büro bald umziehen will. Zum ersten Mal fühle sie sich angekommen, sagt sie. Es ist ein Angekommen, das erdet, nicht hemmt, ein Angekommen, das ihr ermöglicht, sie selbst zu sein.

Trotzdem gebe es auch hier diese Momente: Als 2016 die Beziehung ihrer Schwester zu SPD-Mann Heiko Maas öffentlich wurde, empfing ihr in Teilen politisch tiefschwarzer Stammtisch Verena Wörner mit den Worten: „Wir sind Außenminister!“ Der Schatten, er ist noch da, aber sie hat gelernt herauszutreten.

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