In der Union rumort es über SPD-Chef Gabriel und dessen Angriff auf Kanzlerin Merkel in der BND-Affäre. Er wolle verhindern, "dass die SPD in diesen Sumpf hineingezogen wird", wird der Vizekanzler zitiert. Merkel selbst bremst bei der Übergabe der NSA-Suchbegriffe an den Bundestag.

Berlin - Die große Koalition steht vor unruhigen Zeiten. Die Affäre um den Bundesnachrichtendienst (BND), die an diesem Mittwoch mit den Auftritten von Thomas de Maizière und Peter Altmaier (beide CDU) vor dem parlamentarischen Kontrollgremium einen neuen Reizpunkt ansteuert, bringt SPD und Union gegeneinander in Stellung. Vor allem die Genossen, in Umfragen eingemauert bei 25 Prozent, wittern fette Beute. Denn die Aufsicht über den BND obliegt dem Kanzleramt, in welchem Angela Merkel das Zepter schwingt, die bisher den zunehmend frustrierten Sozialdemokraten kaum Angriffsfläche bot.

 

Bis vor wenigen Tagen hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel noch die Marschroute ausgegeben, gut zu regieren, keinen Krawall zu riskieren. Diese Phase scheint nun vorbei. Gabriels Strategiewechsel hatte sich schon beim Koalitionsausschuss Ende April angedeutet, bei dem Gabriel dem Vernehmen nach erheblich konfrontativer auftrat. In der BND-Affäre legte der SPD-Chef jetzt eine Schippe drauf.

Ein beispielloser Affront

Gabriels Mai-Offensive begann damit, dass seine Generalsekretärin Yasmin Fahimi das Feuer gegen das Kanzleramt eröffnete. Dieses habe bei der Aufsicht des BND „kläglich versagt“, personelle Konsequenzen seien nicht auszuschließen. SPD-Vize Ralf Stegner legte in der „Süddeutschen Zeitung“ nach, erstmals mit einer direkten Attacke gegen Kanzlerin Merkel: „Für die Bundeskanzlerin funktioniert das Spiel nicht mehr, die aktuellen Erkenntnisse von sich fernzuhalten und zu sagen, damit habe ich nichts zu tun.“ Aus Sicht der Union setzte aber dann Vizekanzler Sigmar Gabriel höchstpersönlich dem Ganzen die Krone auf, in dem er aus vertraulichen Gesprächen mit Merkel berichtete und der Kanzlerin auf diese Weise das Versprechen in den Mund legte, der BND habe mit Wirtschaftsspionage durch die NSA definitiv nichts zu tun.

Das ist ein in dieser Regierungszeit beispielloser Affront, der nicht unbeantwortet blieb. Aber noch sind die Gegenattacken verhältnismäßig verhalten. Die CDU-Spitze hat noch kein Interesse an einer Eskalation, denn zu viele Unionsgranden stehen im Feuer. Der frühere Kanzleramtschef und jetzige Innenminister Thomas de Maizière, der aktuelle Kanzleramtschef Peter Altmaier und, wenn es ganz dumm läuft, auch die Kanzlerin. Die Strategie der Union ist deshalb, zunächst den Eindruck zu erwecken, man sei allein an Aufklärung interessiert.

Nervosität wegen schlechter Umfragewerte?

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt begnügte sich denn auch damit, den Finger in die Wunde zu legen. „Ein nervöses Verhalten auf schlechte Umfragewerte der eigenen Partei ist ein schlechter Ratgeber“, sagte sie. Auch Unionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer beließ es bei dem Hinweis, man verschaffe sich bei den Wählern keinen Vorteil, wenn man „hysterisiert und skandalisiert“. Der Chef des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg (CDU), deutete an, dass das aktuelle SPD-Gebaren nicht so bald vergeben und vergessen sein wird. Das Verhalten der SPD sei „schade“, man habe schließlich „auf dem Höhepunkt der Edathy-Affäre auch nicht mit Rücktrittsforderungen um sich geworfen“, sagte Sensburg „Spiegel Online“. Auch CSU-Mann Stephan Mayer warnte die SPD vor parteipolitischem Übermut. Die intensivere Zusammenarbeit von NSA und BND sei schließlich bereits 2002 vereinbart worden. Damals hieß der Kanzler Gerhard Schröder und der Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier. Dies könnten die beiden auch „gerne unter Eid vor dem Untersuchungsausschuss erklären“, sagte Mayer der „Bild“.

Gabriel gießt weiteres Öl ins Koalitionsfeuer

Ungeachtet dessen legte Sigmar Gabriel am Dienstag noch einmal nach mit seinem Fingerzeig auf die Kanzlerin und deren Verantwortung in der Causa BND. Es sei seine Aufgabe, bei denen nachzufragen, die es wissen müssen. Die seien „seit zehn Jahren verantwortlich“, sagte der SPD-Chef nach Teilnehmerangaben vor der eigenen Fraktion mit Blick auf die Union und Merkel. Er wolle verhindern, „dass die SPD in diesen Sumpf hineingezogen wird“, so Gabriel.

Merkel zufolge wird die Regierung dem Bundestag  vorerst nicht die Liste mit Suchbegriffen der NSA zur Verfügung stellen. Derzeit berate man sich mit der US-Regierung, danach werde man in Berlin eine Entscheidung treffen, sagte Merkel zu Radio Bremen. Die Kontrollgremien des Bundestags würden  aber mit allen anderen Informationen zur Aufklärung versorgt. Sie stehe dem NSA-Untersuchungsausschuss gerne für eine Aussage zur Verfügung.

Auch international sorgt die BND-Affäre  für Verstimmung. Österreich – dessen Behörden ebenfalls ausgespäht worden sein sollen – verlangte am Dienstag „vollständige Aufklärung“ von Berlin. Die österreichische Justiz soll nun ermitteln, ob der BND Gesetze des Landes gebrochen hat.