Gegen den früheren Parteifunktionär Bo Xilai in China wird Anklage erhoben. Wegen Bestechlichkeit und Machtmissbrauch droht ihm lebenslange Haft. Derzeit steht er unter Hausarrest – an einem unbekannten Ort.

Peking - Nun hat der Skandal um Chinas einst schillernden Politstar Bo Xilai auch rechtliche Konsequenzen. 16 Monate nach seinem spektakulären Sturz ist er nun angeklagt. Und die Anklagepunkte wiegen schwer: Die chinesische Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen Parteifunktionär „Bestechlichkeit, Unterschlagung und Machtmissbrauch“ vor. Der 64-Jährige habe „extrem hohe Summen an Geld und Besitz“ illegal angenommen, heißt es in der Anklageschrift, und das über viele Jahre hinweg. Und er habe seine hohe Stellung genutzt, um sich selbst Vorteile zu verschaffen. Die Vorwürfe dürften ausreichen, dass der ehemalige Handelsminister und spätere mächtige Parteichef der 30-Millionen-Stadt Chongqing sein Leben lang nicht mehr auf freien Fuß kommt.

 

Doch damit nicht genug: chinesischen Medienberichten zufolge soll sich Bo bei seinen Vernehmungen nicht kooperativ und so wenig einsichtig gezeigt haben, dass sich sein Strafmaß noch erhöhen könnte. Selbst die Todesstrafe wird nicht ausgeschlossen. „Die Interessen des Staates und des Volkes wurden schwer geschädigt“, heißt es in der Anklageschrift.

Der Prozess soll in Kürze beginnen

Chinas amtlicher Nachrichtenagentur Xinhua zufolge hat die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift gegen Bo am Donnerstag bei einem Volksgericht in der ostchinesischen Stadt Jinan eingereicht, der Provinzhauptstadt von Shandong. Der Prozess werde „in Kürze“ beginnen, heißt es. Was in China in der Anklageschrift steht, kommt einem Urteil gleich. Nur das Strafmaß ist bei der Erhebung meist noch unklar.

Experten gehen davon aus, dass Bos Mindesthaftstrafe bei 15 Jahre liegen wird. Sollte er die Todesstrafe verhängt bekommen, wird sie sehr wahrscheinlich dennoch nicht vollzogen, sondern in eine „Todesstrafe auf Bewährung“ umgewandelt. In China heißt das: lebenslange Haftstrafe. So wurde schon bei seiner Ehefrau Gu Kailai verfahren, die sich zusätzlich des Mordes verantworten musste. Sie wurde im vergangenen Herbst verurteilt.

Chinesische Führungskrise

Beide kommen aus mächtigen Familien, die sich aus der Sicht der regierenden Kommunistischen Partei gegenüber der Volksrepublik verdient gemacht haben. Bo ist der Spross von Bo Yibo, Gründungsmitglied der Kommunistischen Partei (KP) und einer der „acht Unsterblichen“. Wie auch der seit Jahresbeginn regierende Staatspräsident Xi Jinping gilt Bo Xilai als sogenannter „Prinzling.“ Die Affäre um das Ehepaar Bo fand im Frühjahr des vergangenen Jahres ihren vorläufigen Höhepunkt. Am 2. Februar 2012 war der Polizeichef der Metropole Chongqing, Wang Lijun, unverhofft in das US-Konsulat in der Nachbarstadt Chengdu geflohen, weil er um sein Leben fürchtete. Der wegen seiner umstrittenen Verbrechensbekämpfung auch als „Superbulle“ bekannte Polizeichef galt als enger Vertrauter von Bo. Doch Wang verriet, dass hinter der Ermordung eines britischen Geschäftsmann Bos Gattin Gu Kailai stecke. Sie hatte den Briten vergiftet, nachdem es beim Schmuggel von Familienvermögen des Ehepaares ins Ausland zum Zerwürfnis gekommen war.

Die Enthüllung des Skandals stürzte die chinesische Führung in eine schwere Krise – wurde darüber doch noch bekannt, dass selbst Spitzenpolitiker in schwere Korruptionsfälle verwickelt sind. Bis dahin gab es in der Bevölkerung nur vage Vermutungen. Zudem fiel diese Affäre mitten in den Führungswechsel, der in China nur alle zehn Jahre stattfindet. Bo galt als aufsteigender Stern und war die Galionsfigur einer bestimmten Strömung innerhalb der Führung der KP. Er hatte mächtige Unterstützer. Sie sahen in Bos Sturz ein Komplott. Selbst Putschgerüchte machten die Runde.

Unter Hausarrest

Bo steht seit seiner Entmachtung unter Hausarrest und wird an einem unbekannten Ort festgehalten. Über seine Haftbedingungen ist nur wenig bekannt. Zwischendurch kursierten im chinesischen Internet Bilder von ihm mit Vollbart. Den soll er sich aus Protest zugelegt haben.

Die Parteiführung hatte ihm im September seine Mitgliedschaft aberkannt. Doch auch dann schien er noch Unterstützer zu haben. Der China-Experte Jerome Cohen von der New York University of Law vermutet, einige innerhalb der Parteiführung wollten ihn lediglich unter Hausarrest stellen, um ihn vielleicht irgendwann wieder rehabilitieren zu können. Eine rechtliche Verurteilung dürfte einen solchen Schritt nun so gut wie unmöglich machen.