Bob Hanning ist der mächtigste Mann im deutschen Handball und polarisiert wie kein anderer. In der Bundestrainer-Frage setzte er sich zuletzt gegen viele Widerstände durch, nun verursachen hohe Provisionszahlungen neuen Wirbel. Eine Annäherung an einen facettenreichen Menschen.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Stuttgart - Bob Hanning rückte den Stuhl an den Konferenztisch unserer Zeitung, spannte noch einmal den Rücken, tastete mit seinen Augen die Runde ab und nahm dann Jürgen Schweikardt ins Visier: „Du wirst scheitern, wenn du Stuttgart nicht in den Vereinsnamen aufnimmst“, sagte Hanning zum Geschäftsführer des damaligen Handball-Zweitligisten TV Bittenfeld. 2012 war das, als der Geschäftsführer der Füchse Berlin spontan zusagte, an der Expertenkonferenz zum Thema Spitzensport in Stuttgart teilzunehmen. Zumindest ein bisschen hat der 50-Jährige also auch Anteil am Aufschwung des Handballs in der Landeshauptstadt. Seit dem Bundesligaaufstieg 2015 heißt der Club tatsächlich TVB 1898 Stuttgart.

 

Hanning blickt über den Tellerrand hinaus. Der Horizont des gewieften Rhetorikers endet nicht an der Torauslinie. Mit viel Leidenschaft hat er den Berliner Handball aus dem Tiefschlaf geweckt. Einen maroden, abstiegsgefährdeten Zweitligisten ohne Lizenz führte er zum Vereinsweltmeister 2015 und 2016. Er hat als Vizepräsident dem Deutschen Handball-Bund (DHB) neues Leben eingehaucht: Er professionalisierte, krempelte einiges um, kappte alte Seilschaften, schob Neues an – machte sich dabei mehr Feinde als Freunde.

Hauptkritikpunkt ist fehlende Zurückhaltung

Hanning polarisiert. Sein Umgang mit Macht nervt viele. Ex-Bundestrainer Heiner Brand hat ihm einst eine „sehr narzisstische Persönlichkeitsstörung“ unterstellt. Bernhard Bauer trat als DHB-Präsident zurück, weil ihm Hannings Geltungsdrang, die fehlende Zurückhaltung, irgendwann zu viel wurden. „Ich schätze Hanning nach wie vor, aber ich habe ein anderes Wertegerüst, eine andere Auffassung von Respekt und Fairness“, sagt Bauer noch heute.

Erst vor ein paar Tagen haben Hannings Gegner neue Munition erhalten. Bei lukrativen Sponsorengeschäften soll er in die eigene Tasche gewirtschaftet haben, berichtete der „Spiegel“. Hanning hatte dem Handballsport die Deutsche Kreditbank (DKB) als Geldgeber zugeführt. Bei der Handball-Bundesliga (HBL) stieg die DKB etwa als Namensgeber ein. 1,5 Millionen Euro bekommt die Liga dafür jährlich überwiesen. Für den Verkauf der Namensrechte schüttet die HBL seit 2012 jährlich knapp 200 000 Euro Vermittlungsprovision aus. Der Empfänger: Bob Hanning. Die Provision entspreche „den Satzungen und Regeln der HBL“ und sei „den Vertretern der ersten und zweiten Liga gegenüber kommunziniert“ worden, stellt der aktuelle DHB-Präsident Andreas Michelmann klar. Alles also legal. Moralisch aber eher fragwürdig. Ex-DHB-Chef Bauer hatte von den Zahlungen 2014 durch HBL-Präsident Uwe Schwenker erfahren. „Da bin ich aus allen Wolken gefallen“, sagt Bauer und steht auch heute noch gegenüber unserer Zeitung zu seinen damaligen Worten: „Wenn das zutreffen sollte, dann hätte ich dafür kein Verständnis, weil ich so etwas zutiefst unanständig finde.“

Wie sich Hanning rechtfertigte? Laut „Spiegel“ ließ er über seinen Anwalt ausrichten, er fördere den Handballnachwuchs als ehrenamtlicher Trainer. Die Aufwandsentschädigung für seine ebenfalls ehrenamtliche Tätigkeit als DHB-Vize (geschätzte 3000 Euro pro Jahr) spende er für soziale Einrichtungen. Die Geste wird durch die Provisionsgelder und sein Gehalt als Füchse-Geschäftsführer (geschätzte 250 000 Euro pro Jahr) relativiert.

Liiert mit Ex-Sprinterin Katrin Krabbe

Rolf Brack wird bei diesen Zahlen nicht blass um die Nase. Das liegt vielleicht auch daran, dass Hanning 1997 nicht nur die Prüfung zum Trainer-A-Schein beim aktuellen Bundesligacoach von Frisch Auf Göppingen ablegte, sondern die beiden auch eine Freundschaft verbindet. Einige Jahre ging’s sogar gemeinsam zum Skifahren nach Ischgl. Bracks Ehefrau Eva versteht sich gut mit Hannings Lebensgefährtin, der ehemaligen Weltklasse-Sprinterin Katrin Krabbe. Rolf Brack schätzt Hannings Fachkenntnis, vor allem aber auch seine Fähigkeit, Menschen für seine Projekte zu begeistern, seine hohe soziale Kompetenz.

Bei den Füchsen Berlin geht es dem gebürtigen Essener um mehr als Handball. Er trainiert nicht nur die A- und B-Jugend des Vereins sowie eine Berliner Schulauswahl, mit der er diese Woche von der Schul-WM aus Doha/Katar zurückkehrt. Junge Spieler sollen unter ihm auch zu verantwortungsbewussten Menschen heranreifen. Er nennt das den ganzheitlichen Ansatz. Hanning vermittelt Ausbildungsplätze, Praktika, gibt Benimmkurse. Wie esse ich mit Messer und Gabel? Mütze ab beim Essen, nicht in Badelatschen zum Essen kommen. Knigge lässt grüßen. Schwänzt einer mal die Schule, schickt er den Nachwuchs für einen Tag zum Arbeiten bei der Müllabfuhr. Dort sollen die Spieler begreifen, welch ein Privileg es ist, eines Tages als Handballer sein Geld zu verdienen. Auch das ist Bob Hanning.

Für seinen Sport wirft sich der nur 1,68 Meter große Handball-Napoleon in jede Schlacht. Wenn er von etwas überzeugt ist, scheut er keine Konfrontation. Zuletzt ließ der ehemalige Jugend-Torwart von TuSEM Essen bei der Bundestrainer-Frage seine Muskeln spielen. Der von ihm gegen viele Widerstände durchgedrückte Christian Prokop stand nach der desolaten EM vor dem Aus. Da verknüpfte Hanning Prokops Bleiben mit seiner eigenen Zukunft beim DHB. Das war dem Präsidium dann doch zu heiß, Prokop durfte weitermachen.

Füchse-Coach Petkovic berichtet nur Positives

Wieder einmal zahlte es sich aus, dass Hanning Leute um sich schart, die ihm die totale Gefolgschaft garantieren. DHB-Präsident Andreas Michelmann gilt als seine Marionette. „Um den Handball voranzubringen, sollte Bob mehr erstklassige Fachkräfte in sein Team hinzunehmen“, findet Brack. Querdenker, eine positive Streitkultur seien wichtig. Duldet Hanning keine fremden Götter neben sich? Velimir Petkovic, der charismatische Füchse-Coach ist einer der wenigen, die dieser These widersprechen: „Weil wir zwei gradlinige, starke Charaktere sind, haben die meisten prophezeit, es geht nicht gut zwischen uns beiden. Doch ich kann nur Positives berichten.“ Vor Kurzem hat Hanning den Vertrag mit Petkovic um zwei Jahre verlängert.

2020 wird auch Hannings Tätigkeit beim DHB enden. Eine dritte Amtszeit schließt er aus. Mit Olympia-Gold will er sein Projekt abschließen. „Eine unverhandelbare Vision“, nennt er dies. Wie hat Hanning einmal gesagt: „Rechnet mit mir ab, wenn ich am Ende nicht erfolgreich sein sollte. Haut mir ruhig auf die Schnauze. Ist doch in Ordnung. Bis dahin aber erzähle ich die beste Geschichte, die man erzählen kann – und glaube auch daran. Die nächste Geschichte wird dann ein anderer erzählen.“ Wer auch immer das sein wird: Bob Hanning wird es wahrscheinlich schwerfallen, nur zuzuhören.