Bodenaufkleber am Ludwigsburger Bahnhof Der wirklich wahre Grund für verspätete S-Bahnen

Über diese Treppen musst du gehen: Aufkleber am Bahnhof. Foto: factum/Simon Granville

Am Ludwigsburger Bahnhof testet die Bahn ein ausgeklügeltes Instrument zur Fahrgastlenkung. So sollen Verspätungen vermieden werden – für die die Bahn ja auch gar nichts kann, findet unser Kolumnist.

Ludwigsburg - Aufmerksamen Bahnpendlern in Ludwigsburg sind sie natürlich schon Mitte Dezember aufgefallen: große orangefarbene Kleber auf dem Bahnsteig, die den Fahrgästen sagen, was sie tun sollen: „Weitergehen. Keep moving“, steht auf zweien, die direkt vor den Treppenabgang geklebt sind. „Bitte hier nicht stehenbleiben“, steht auf dem anderen, der links vom Treppenabgang neben dem Absperrgeländer auf dem Boden klebt. Pendler-Profis kennen diesen Fleck in Ludwigsburg gut, denn regelmäßig verwandeln ihn Pendler-Anfänger in einen Flaschenhals.

 

Doch damit ist jetzt Schluss, denn die Kleber der Bahn – im Bahnsprech heißen sie gar nicht mal so ungeheuer kompliziert Bodenmarkierungen – sollen den Leuten jetzt endlich zeigen, wie man richtig Bahn fährt: Eine Treppe geht man hinunter oder hinauf und an einer engen Stelle bleibt man nicht stehen. Gut, dass das endlich mal jemand klarstellt! Aber warum findet man diese Bodenmarkierungen nur in Ludwigsburg und sonst an keinem Bahnhof im Gebiet des Verkehrsverbund Stuttgart (VVS)? Können etwa nur die Ludwigsburger nicht Bahn- und S-Bahn-Fahren?

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Ein Anruf bei der Pressestelle der Bahn in Stuttgart verschafft Klarheit: Schuld sind nicht etwa dumme Ludwigsburger, sondern zu viele Ludwigsburger: 47 000 Besucher zählt der Bahnhof täglich. Er ist ein großer Umsteigeknoten, weil hier Regional- und S-Bahnen halten. Und weil die Fahrgastzahlen im VVS in den vergangenen zehn Jahren insgesamt um 20 Prozent auf 374 Millionen angestiegen sind, muss die Bahn sich etwas einfallen lassen, wie sie der Pendlerströme Herr wird. Eine neue, zweite Unterführung am Ludwigsburger Bahnhof gibt’s von Seiten der Stadt schon mal nicht mehr. Die Antwort der Bahn lautet deshalb: eben diese Sticker.

„Mehr Züge“, wäre eine ebenso nahe liegende Antwort gewesen. Doch das geht nicht. Mehr als 24 Zugfahrten pro Stunde und Richtung sind nicht erlaubt. Mehr als der Viertelstundentakt, den es zu den Hauptreisezeiten ohnehin bereits gibt, geht also nicht auf einer Strecke, die auf der Stammstrecke am Ende von sechs S-Bahn-Linien befahren wird.

Eine S-Bahn muss mindestens zweieinhalb Minuten Abstand zur nächsten S-Bahn haben. Ist das nicht der Fall, passiert das, was Pendler häufig erleben: Der Zug hält mitten auf der Strecke, ein Gong ertönt und dann sagt die Bahnstimme, dass die Weiterfahrt sich verzögert, weil der Streckenabschnitt noch belegt ist.

Das Kern des Problems: die Bahnfahrer

Womit wir auch endlich beim Kern des Problems wären: Nämlich Ihnen. Genau, Sie als Bahnfahrer sind schuld daran, dass die Bahnen unpünktlich sind! Die S-Bahnen sind getaktet mit einer Haltezeit von 30 Sekunden an den Bahnhöfen. Das sollte doch locker ausreichen!

Staut es sich beim Ein- und Aussteigen, verzögert sich die Weiterfahrt – und im Zweifel muss auch die S-Bahn dahinter warten. Die Bahnen, die an den Gleisen am Nordbahnhof idealerweise per Reißverschlussverfahren eingefädelt werden sollen, geraten in einen Stau, eine Verspätung löst die Folgeverspätung aus und am Ende sind alle gefrustet. Bahnfahren wäre halt so einfach, wenn da nicht die ganzen Bahnfahrenden wären!

Weitergehen – aber bitte zügig!

Die Bahn versucht mit diesen Aufklebern am Boden des Ludwigsburger Bahnhofs nun, die Fahrgäste daran zu erinnern, dass sie die Verantwortung für den reibungslosen Ablauf des S-Bahn-Verkehrs haben. Fahrgastlenkung heißt das Zauberwort. In Bad Cannstatt hat man es Anfang 2018 mit leuchtenden Bahnsteigkanten versucht, in Stuttgart-Vaihingen und am Hauptbahnhof gibt es Servicepersonal in gelben Westen, die das Ein- und Aussteigen beschleunigen sollen – und in Ludwigsburg probiert man eben Sticker. Wenn Sie das nächste Mal also in Ludwigsburg aussteigen sollten, gehen Sie doch bitte einfach die Treppen runter – und zwar so, wie es die Deutsche Bahn gerne hätte: nämlich zügig!

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